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Militär stellt sich auf die Seite der Jugendbewegung Militäreinheit unterstützt „Gen Z“-Proteste

In Aktuelles
Oktober 13, 2025

Antananarivo – In Madagaskar hat sich die Eliteeinheit CAPSAT überraschend auf die Seite der Protestbewegung „Gen Z Madagascar“ gestellt. Die Entwicklung markiert einen Wendepunkt in der politischen Geschichte des Landes, das seit Wochen von Demonstrationen erschüttert wird. Präsident Andry Rajoelina spricht von einem Putschversuch, während immer mehr Soldaten ihre Loyalität offen der Bevölkerung zusichern.

Hintergrund der Proteste: Von Stromausfällen zu einer landesweiten Bewegung

Was als Unmut über wiederkehrende Strom- und Wasserausfälle begann, hat sich binnen weniger Wochen zu einer beispiellosen politischen Bewegung entwickelt. Seit Ende September mobilisiert die Jugendorganisation „Gen Z Madagascar“ über soziale Medien zu täglichen Demonstrationen. Die Aktivisten fordern ein Ende der Korruption, soziale Gerechtigkeit und den Rücktritt von Präsident Andry Rajoelina. Besonders bemerkenswert: Die Bewegung agiert dezentral, ohne klar erkennbare Führungsfigur, und nutzt vor allem Plattformen wie TikTok, Instagram und Telegram, um ihre Botschaften zu verbreiten.

Die Generation Z als politische Kraft

Madagaskars sogenannte „Gen Z“-Bewegung steht stellvertretend für eine global erstarkende Jugend, die sich zunehmend politisch artikuliert. „Wir sind nicht hier, um Macht zu übernehmen – wir sind hier, um unsere Zukunft zurückzuholen“, heißt es in einer der meistgeteilten Botschaften der Bewegung. Der Mix aus Humor, Memes und ernsthaften Forderungen spiegelt eine neue Protestkultur wider, die Politik und Popkultur auf ungewohnte Weise verbindet.

Ein Symbol mit globaler Wirkung

Ein auffälliges Erkennungszeichen der Proteste ist der Totenkopf mit Strohhut aus dem Manga „One Piece“. Das Symbol steht für Freiheit und Widerstand gegen Unterdrückung – und wurde von Demonstrierenden auf Bannern, T-Shirts und Online-Profilen übernommen. Dieses Zeichen hat in Madagaskar mittlerweile ikonischen Status und zieht internationale Aufmerksamkeit auf sich. Es symbolisiert nicht nur den Mut der Jugend, sondern auch ihre digitale Vernetzung über Grenzen hinweg.

Die Rolle der CAPSAT: Vom Machtinstrument zum Unterstützer des Volkes

Am 11. Oktober meldete sich die Eliteeinheit CAPSAT – eigentlich für den Schutz der Regierung verantwortlich – öffentlich zu Wort. In einer Videobotschaft erklärten die Soldaten, sie hätten sich entschlossen, „den Willen des Volkes zu respektieren“. Oberst Mickaël Randrianirina, Sprecher der Einheit, betonte: „Wir werden nicht länger auf unsere Brüder und Schwestern zielen.“ Dieser Satz wurde zum viralen Slogan der Bewegung.

Ein historischer Rollenwechsel

Die Entscheidung der CAPSAT hat historische Dimensionen. Bereits 2009 spielte dieselbe Einheit eine Schlüsselrolle bei dem Umsturz, der Rajoelina damals an die Macht brachte. Nun stellt sie sich gegen ihn. Damit steht Madagaskar erneut an der Schwelle einer politischen Neuordnung, deren Ausgang offen ist. Beobachter warnen jedoch vor der Gefahr, dass die Situation in Gewalt umschlägt, sollte sich das Militär weiter spalten.

Regierung unter Druck – Präsident warnt vor „illegaler Machtübernahme“

Präsident Rajoelina reagierte scharf auf die Ankündigung der CAPSAT. In einer Fernsehansprache sprach er von einem „Putschversuch“ und kündigte an, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die „verfassungsmäßige Ordnung zu wahren“. Sein Aufenthaltsort blieb über Stunden unklar, während das Präsidialamt zur nationalen Einheit aufrief. Rajoelina hatte erst kurz zuvor die Regierung aufgelöst und General Ruphin Fortunat Zafisambo zum neuen Premierminister ernannt – offenbar, um Stabilität zu signalisieren.

Wie kam es dazu, dass sich die Armee den Protesten anschloss?

Soldaten berichteten, dass sie es satt hätten, auf die eigene Bevölkerung zu schießen. Nach Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden, bei denen Blend- und Tränengas eingesetzt wurde, weigerten sich Einheiten, weitere Befehle auszuführen. Augenzeugen schilderten Szenen, in denen Soldaten die Menge sogar schützten und gemeinsam mit den Protestierenden zur symbolträchtigen Place du 13 Mai marschierten – jenem Ort, an dem in der Vergangenheit mehrfach Regierungen gestürzt wurden.

Die Eskalation: Tote und Verletzte

Laut unabhängigen Berichten kamen bislang mindestens 22 Menschen ums Leben, über 100 wurden verletzt. Die Regierung bestreitet diese Zahlen. Internationale Organisationen wie die Afrikanische Union rufen beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Fluggesellschaften haben Flüge nach Madagaskar vorübergehend ausgesetzt, da die Lage in der Hauptstadt Antananarivo unübersichtlich bleibt.

Der Einfluss sozialer Medien auf die Bewegung

Die „Gen Z“-Bewegung nutzt TikTok, Reddit und X (ehemals Twitter), um Informationen zu teilen, Treffpunkte zu koordinieren und Videos zu verbreiten. Besonders auf TikTok kursieren Clips, die zeigen, wie Soldaten Demonstranten eskortieren oder sich weigern, gegen sie vorzugehen. Diese digitalen Inhalte werden millionenfach geteilt und haben erheblich zur Popularität und Legitimität der Bewegung beigetragen.

Social Media als Motor der Solidarität

Unter dem Hashtag #GenZMadagascar dokumentieren Aktivisten die Proteste nahezu in Echtzeit. Die Plattformen dienen dabei nicht nur der Organisation, sondern auch dem Schutz – durch Öffentlichkeit. Diese neue Form der digitalen Mobilisierung erinnert an Bewegungen in Kenia, Nepal und Marokko, wo ebenfalls junge Menschen mittels sozialer Netzwerke politische Veränderungen anstoßen.

Community-Stimmen und Augenzeugenberichte

Auf Reddit und in Foren schildern Bürger den Alltag der Proteste: nächtliche Stromausfälle, spontane Versammlungen in Ambohijatovo, Hilfstrupps, die Verletzte versorgen. Viele betonen, dass der Protest friedlich bleiben müsse. Die Diskussionen zeigen, wie sehr sich die Bevölkerung nach einem Wandel sehnt – nicht durch Gewalt, sondern durch Zusammenhalt.

Internationale Reaktionen und geopolitische Dimensionen

Internationale Beobachter sehen die Ereignisse mit Sorge. Frankreich, die ehemalige Kolonialmacht, beobachtet die Lage zurückhaltend. Die Afrikanische Union hat eine Sondersitzung angekündigt, um die Situation zu bewerten. Auch die Vereinten Nationen äußerten sich besorgt über die wachsende Instabilität. Experten warnen vor einem Machtvakuum, das das Land wirtschaftlich weiter schwächen könnte.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen

Die politische Unsicherheit hat bereits Auswirkungen auf den Alltag. Der Tourismus, eine der wichtigsten Einnahmequellen Madagaskars, ist eingebrochen. Banken und Behörden arbeiten nur eingeschränkt, Lieferketten stocken. Laut ersten Schätzungen könnte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um bis zu drei Prozent sinken. Besonders hart trifft die Krise die junge Bevölkerung, die ohnehin unter Arbeitslosigkeit leidet.

Warum lehnten die Gen-Z-Aktivisten den Dialog mit der Regierung ab?

Die Regierung hatte ein Angebot für einen „nationalen Dialog“ unterbreitet, doch die Aktivisten lehnten ab. „Man kann keinen Dialog führen, während man auf uns schießt“, heißt es in einem Statement der Bewegung. Dieses Misstrauen gegenüber politischen Institutionen zeigt die tiefe Entfremdung zwischen Staat und Jugend – und verdeutlicht, dass es hier um weit mehr geht als um kurzfristige Forderungen.

Der Vergleich mit anderen Jugendbewegungen

Die Proteste in Madagaskar fügen sich in eine Reihe globaler Jugendbewegungen ein, die seit 2020 an Bedeutung gewonnen haben. Ob Klimaproteste in Europa, Demokratiebewegungen in Asien oder Anti-Korruptionsproteste in Afrika – überall formiert sich eine Generation, die nicht länger bereit ist, tatenlos zuzusehen. Madagaskar ist ein besonders drastisches Beispiel, weil hier das Militär selbst Teil der Veränderung wird.

Ein Muster globaler Jugendrevolten

Studien zur politischen Partizipation junger Menschen zeigen, dass die Generation Z weltweit weniger Vertrauen in traditionelle Parteien hat, dafür aber stärker auf digitale Selbstorganisation setzt. In Madagaskar manifestiert sich dieser Trend in bisher beispielloser Form. Die Gen-Z-Bewegung ist keine Partei, sondern ein loses Netzwerk – aber eines mit großer Wirkungskraft.

Wie stark ist die Bewegung wirklich?

Eine genaue Mitgliederzahl lässt sich nicht nennen, doch Schätzungen zufolge beteiligen sich täglich Zehntausende an den Kundgebungen. Besonders junge Menschen unter 25 Jahren dominieren die Straßenbilder. Trotz der unübersichtlichen Lage bleibt bemerkenswert, dass die Proteste über Wochen weitgehend friedlich verlaufen sind – ein Zeichen für die Disziplin und den Zusammenhalt der Bewegung.

Das Militär als mögliche Schlüsselfigur des Wandels

Die Frage, ob die Unterstützung durch CAPSAT die Proteste stärkt oder gefährdet, wird in Madagaskar kontrovers diskutiert. Während manche in den Soldaten Hoffnungsträger sehen, warnen andere vor einer neuen Militärherrschaft. „Wir wollen keine Panzer, die für uns sprechen – wir wollen Wahlen, die zählen“, sagt eine Aktivistin. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Unterstützung und Kontrolle wird entscheidend für den weiteren Verlauf der Krise sein.

Wie viele Opfer hat die Bewegung bisher gefordert?

Nach Angaben unabhängiger Beobachter kamen bisher mindestens 22 Menschen ums Leben, über 100 wurden verletzt. Diese Zahlen stammen aus verschiedenen humanitären Organisationen, die vor Ort tätig sind. Die Regierung bestreitet jedoch jede Verantwortung und spricht von „unbestätigten Berichten“.

Ausblick: Zwischen Aufbruch und Ungewissheit

Madagaskar steht an einem historischen Scheideweg. Die Unterstützung einer Militäreinheit für eine Jugendbewegung ist ein Novum in der politischen Geschichte des Landes. Ob daraus echter Wandel entsteht oder ein neuer Machtkampf – das bleibt offen. Fest steht: Die Generation Z hat den Mut, ein altes System herauszufordern, und das Land in Bewegung versetzt.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Madagaskar den Weg zu einem friedlichen Neuanfang findet oder in eine weitere Spirale der Instabilität gerät. Eines ist jedoch sicher: Die Stimmen der jungen Generation lassen sich nicht mehr überhören.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.