
Seit dem 4. Juli sorgt eine Entscheidung der Gemeinde Pruntrut für landesweite wie internationale Diskussionen: Ausländer ohne Schweizer Aufenthaltsstatus dürfen das städtische Freibad bis Ende August nicht mehr betreten. Die Maßnahme, die als Sicherheitsmaßnahme deklariert wurde, entfacht eine hitzige Debatte über Diskriminierung, Grenzpolitik und öffentlichen Raum.
Ein umstrittener Schritt im Hochsommer
Die Freibadsaison in Pruntrut, einem beschaulichen Ort im Kanton Jura nahe der französischen Grenze, hätte wie gewohnt beginnen sollen: mit fröhlichem Planschen, sonnenbadenden Familien und sommerlicher Gelassenheit. Doch nach mehreren gravierenden Vorfällen in den ersten Wochen der Saison zog die Gemeinde die Notbremse. Am 4. Juli trat eine neue Regelung in Kraft: Der Zugang zum Freibad ist seither auf folgende Gruppen beschränkt:
- Schweizer Bürgerinnen und Bürger
- Personen mit Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung in der Schweiz
- Touristen mit gültiger Buchungsbestätigung in Pruntrut
Damit wurde faktisch ein pauschaler Ausschluss für zahlreiche junge Besucher aus dem benachbarten Frankreich eingeführt – eine Maßnahme, die lokal als notwendig, international jedoch als diskriminierend wahrgenommen wird.
Was dem Verbot vorausging
Die Gemeinde verweist auf eine Reihe von Zwischenfällen, die sich seit Saisonbeginn gehäuft hätten: Belästigungen von Badegästen, Drohungen gegenüber Personal, das Baden in Unterwäsche sowie das Missachten von Regeln. Über 20 Hausverweise seien bereits ausgesprochen worden. Auch die Bademeisterinnen berichteten von „übersprungenen Zäunen“, „Respektlosigkeit“ und sogar Fällen, in denen Gäste des Freibads körperlich angegangen worden seien.
„Leute sind über Zäune gestiegen. Sie haben uns nicht respektiert.“ – Bademeisterin, Freibad Pruntrut
Die Gemeinde entschied daraufhin, den Zugang drastisch zu beschränken. Der Bürgermeister argumentiert, dass es sich nicht um eine rassistische Maßnahme handle, sondern um eine gezielte Sicherheitsmaßnahme, die sich vor allem gegen unkooperatives Verhalten richte. Dennoch bleibt die Maßnahme in ihrer pauschalen Form umstritten.
Zwischen Grenzregion und öffentlichem Raum
Pruntrut liegt nur wenige Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Gerade an heißen Sommertagen zieht das Freibad nicht nur Einheimische, sondern auch zahlreiche junge Menschen aus dem benachbarten Doubs oder Belfort an. Die Gemeinde berichtet von überfüllten Badetagen, bei denen es wiederholt zu Reibereien kam. Doch die Frage bleibt: Darf der Zugang zu einem öffentlichen Raum wie einem Freibad durch Nationalität oder Aufenthaltsstatus geregelt werden?
Während die lokale Bevölkerung die Maßnahme vielfach begrüßt – es sei wieder „ruhiger geworden“, so ein vielfach geäußerter Tenor – regt sich an anderen Stellen Widerstand. Vor allem auf Social Media wird das Thema heiß diskutiert.
Reddit & TikTok: Die Debatte im Netz
Auf Plattformen wie Reddit melden sich Nutzer mit gemischten Gefühlen. Einige weisen darauf hin, dass das Verbot nicht pauschal alle Ausländer betrifft – Touristen mit gültiger Buchung seien weiterhin zugelassen. Andere kritisieren, dass es sich dennoch um eine Form von Kollektivstrafe handle, die auch jene treffe, die sich korrekt verhalten hätten.
„Ich verstehe, wo es herkommt, bin aber trotzdem kein Fan von Kollektivstrafen.“ – Nutzerkommentar auf Reddit
Auf TikTok kursieren unter Hashtags wie #badi #jura #verbot Kurzvideos, die die Emotionen zusätzlich befeuern. Dabei wird selten zwischen Fakten und Interpretation unterschieden – was die öffentliche Meinung zusätzlich polarisiert.
Politische und rechtliche Bewertung
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus erklärte, dass die Maßnahme zwar nicht gegen die Antirassismus-Strafnorm verstoße – da Nationalität nicht als geschütztes Merkmal definiert sei –, aber durchaus verfassungsrechtlich bedenklich sei. Der Zugang zu einem öffentlichen Raum dürfe nicht auf diskriminierende Weise beschränkt werden, so die Kommission.
Wie andere Gemeinden reagieren
Eine Umfrage unter mehreren Schweizer Kantonen zeigt: Der Fall Pruntrut ist bislang ein Einzelfall. In Städten wie Basel, Zürich oder Luzern setzt man auf gezielte Prävention, klare Hausordnungen und temporäre Hausverbote – jedoch ohne Nationalitätsbezug. Die meisten Gemeinden sehen in pauschalen Zutrittsverboten kein geeignetes Mittel zur Konfliktlösung.
Statistiken im Vergleich: Sicherheit in Freibädern
Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt, dass Probleme mit Verhaltensverstößen in Freibädern kein rein schweizerisches Phänomen sind. In Bayern beispielsweise meldete das Landeskriminalamt einen Anstieg der sexuellen Übergriffe in Freibädern von 171 Fällen (2022) auf 227 Fälle (2024). Dabei seien zwei Drittel der Tatverdächtigen nichtdeutscher Herkunft gewesen.
Doch Vorsicht bei der Interpretation: Solche Statistiken sind stark kontextabhängig, und eine pauschale Übertragung auf Schweizer Verhältnisse kann irreführend sein. Zudem stellt sich die Frage, ob ein selektiver Ausschluss auf Grundlage solcher Daten rechtlich und moralisch haltbar ist.
Wirkung und Folgen der Maßnahme
Die Gemeinde Pruntrut zieht nach knapp zwei Wochen ein positives Zwischenfazit. Es sei „deutlich ruhiger geworden“, die Zahl der Abonnement-Verkäufe habe sich erhöht und es sei kein Polizeiaufgebot mehr notwendig. Aus Sicht der Stadtverwaltung hat die Maßnahme Wirkung gezeigt. Doch der Preis dafür ist hoch: Die internationale Aufmerksamkeit, die empörten Reaktionen und der Schaden für das Image der Gemeinde sind nicht zu unterschätzen.
Empörung in Kulturkreisen
Besonders in der queeren Kulturszene in Stuttgart, wo internationale Offenheit als Grundwert gilt, sorgt das Vorgehen in Pruntrut für Kopfschütteln. Es wird diskutiert, ob solche Maßnahmen in Europa Schule machen könnten – oder ob dies ein Weckruf für einen differenzierteren Umgang mit öffentlichen Konflikten ist.
Eine Frage der Verhältnismäßigkeit
Ob die Maßnahme in Pruntrut ein legitimer Akt zur Gefahrenabwehr ist oder ein Beispiel für überzogene Sicherheitslogik, bleibt umstritten. Klar ist jedoch: Öffentliche Räume sind nicht nur Orte der Erholung, sondern auch Brennpunkte gesellschaftlicher Aushandlung. Zwischen Ordnung, Sicherheit und Teilhabe muss ständig neu verhandelt werden, was als gerecht empfunden wird.
Die Entscheidung in Pruntrut mag kurzfristig für Ruhe gesorgt haben. Langfristig aber wirft sie Fragen auf, die weit über ein Freibad hinausreichen: Wer gehört dazu? Wer darf mitmachen? Und wie gehen wir mit jenen um, die gegen Regeln verstoßen – ohne alle anderen gleich mit auszuschließen?
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Pruntrut ein Einzelfall bleibt oder zum Vorbild für andere Kommunen wird. Sicher ist: Die Debatte ist eröffnet – und sie wird nicht im Wasser versickern.