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Warum Eddy Merckx’ Rekord noch für Generationen unerreichbar bleibt

In Aktuelles
Juli 06, 2025
Rennrad

Es war ein Tag für die Ewigkeit: Am 25. Oktober 1972 schrieb der Belgier Eddy Merckx im Aztekenstadion Geschichte. 49,431 Kilometer in einer Stunde auf der Bahn – ein Rekord, der nicht nur sportlich, sondern auch symbolisch neue Maßstäbe setzte. Bis heute bleibt seine Leistung ein Bezugspunkt, obwohl längst neue Weiten erzielt wurden.

Ein Monument des Radsports

Der Stundenweltrekord gehört zu den ehrwürdigsten Disziplinen im Radsport. Kein Windschatten, keine Gegner – nur der Fahrer, das Rad und die Uhr. Wer sich dieser Herausforderung stellt, kämpft nicht nur gegen den physischen Schmerz, sondern auch gegen die Grenzen der eigenen Psyche. Eddy Merckx, ohnehin als “Der Kannibale” bekannt, bewies 1972 eindrucksvoll, warum er als einer der größten Sportler aller Zeiten gilt.

Merckx fuhr unter extremen Bedingungen in der Höhenlage von Mexiko-Stadt. Die dünne Luft reduzierte den Luftwiderstand – ein Vorteil – bedeutete aber gleichzeitig eine geringere Sauerstoffversorgung für die Muskulatur. Trotz dieser Belastung lieferte er eine beeindruckende Performance ab und fuhr mit einem Stahlrad, das gerade einmal 5,75 Kilogramm wog – ausgestattet mit Teilen aus Magnesium und Titan, damals revolutionär.

Der Weg zum Rekord

Eine strategische Entscheidung: Höhenluft und Materialwahl

Merckx hatte sich gezielt für die Höhenlage entschieden, obwohl er nur wenige Tage zur Akklimatisierung blieb. Fachleute diskutieren noch heute, ob ein längerer Aufenthalt womöglich sogar eine bessere Leistung ermöglicht hätte. Doch Merckx setzte auf einen kurzen, intensiven Einsatz – mit vollem Risiko.

Das Rad, das Merckx benutzte, war ein technisches Meisterstück seiner Zeit. Es war nicht nur extrem leicht, sondern auch aerodynamisch optimiert. Dennoch fehlten ihm sämtliche Vorteile moderner Materialien wie Carbon, windkanalgetestete Positionen oder moderne Skinsuits. Merckx’ Rekord ist daher ein Resultat menschlicher Leistung, perfekter Vorbereitung und eiserner Disziplin.

Ein Rennen gegen sich selbst

Die Herausforderung beim Stundenweltrekord liegt darin, eine konstante Geschwindigkeit über 60 Minuten zu halten – ohne Hilfe, ohne Pause. Selbst ein kleiner Einbruch im Tempo kann das Ziel zunichtemachen. Merckx fuhr 98 Runden mit einem durchschnittlichen Tempo von knapp über 49 km/h – eine Leistung, die noch Jahrzehnte später ehrfürchtiges Staunen hervorruft.

Rekordentwicklung seit 1972: Fortschritt mit Einschränkungen

Nach Merckx wurden die Rekorde zwar verbessert, doch dies war in erster Linie auf technologische Innovationen zurückzuführen. Francesco Moser durchbrach 1984 erstmals die 51-Kilometer-Marke, unterstützt durch Scheibenräder und Aerohelm. In den 1990ern trieben Fahrer wie Graeme Obree und Chris Boardman die Distanz weiter – teils auf futuristisch anmutenden Konstruktionen.

Die Rolle der UCI: Regeln für Fairness

1997 zog die UCI die Reißleine: Die Rekorde wurden in zwei Kategorien geteilt – „Best Human Effort“ (freie Technik) und „UCI Hour Record“ (eingeschränkte Technik, an Merckx orientiert). 2014 erfolgte eine Vereinheitlichung, mit der moderne Technik wieder erlaubt wurde, jedoch unter strengen Rahmenbedingungen. Ziel: Vergleichbarkeit mit historischen Leistungen.

Ganna, Bigham & Co: Moderne Herausforderer im Fokus

Mit dem technischen Fortschritt der letzten Jahre kamen neue Rekordfahrer: Jens Voigt, Bradley Wiggins, Victor Campenaerts, Dan Bigham – und schließlich Filippo Ganna, der 2022 mit 56,792 Kilometern die neue Bestmarke setzte. Doch trotz der gesteigerten Distanz bleibt Merckx’ Leistung ein besonderer Maßstab.

Der technische Quantensprung

  • Ganna fuhr mit einem 3D-gedruckten Pinarello-Rahmen
  • Optimierte Aeroposition mit CFD-analysierten Anzügen
  • Trainingsdaten aus Hochleistungssimulationen und KI-gestützten Modellen

Daniel Bigham, der selbst einen Rekord fuhr und Gannas Rekordversuch als Ingenieur begleitete, betonte: „Es sind nicht nur die Beine, die zählen. Der Luftwiderstand entscheidet über Sekunden – oder Meter.“

Ein Rekord mit Schatten? Kritik aus sozialen Medien

In Foren wie Reddit oder Diskussionen auf Twitter wird Merckx’ Rekord auch kritisch gesehen. Nicht wegen der Leistung – sondern wegen seiner Dopingvergangenheit. Der Belgier war mehrfach positiv getestet worden, was bei heutigen Fans, die strengere Standards gewohnt sind, auf gemischte Gefühle stößt.

Gleichzeitig wird seine Leistung auf einem Stahlrad unter Höhenbedingungen auch in sozialen Medien oft als „unfassbar“ oder „unmenschlich stark“ bezeichnet. Der Respekt überwiegt, trotz der Diskussionen.

Merckx fordert: Neue Helden braucht der Sport

2025 forderte Eddy Merckx öffentlich Fahrer wie Tadej Pogačar, Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel heraus, sich am Stundenweltrekord zu versuchen. Für Merckx ist klar: Wer den Rekord heute unter vergleichbaren Bedingungen bricht, sei „der Beste der Geschichte“.

„Sie sollten es zumindest versuchen. Wer es schafft, verdient diesen Titel.“ – Eddy Merckx

Bislang hat jedoch keiner der Genannten offiziell einen Versuch angekündigt. Es bleibt abzuwarten, ob sich ein neuer „Kannibale“ findet, der sich der einstündigen Qual stellt.

Ein Rekord mit Geschichte – und Zukunft?

Die Faszination des Stundenweltrekords liegt in seiner Schlichtheit – und seiner Härte. Im Vergleich zu Bergetappen, Sprints oder Zeitfahren ist diese Disziplin ein reines Kräftemessen mit sich selbst. Merckx hat sie geprägt, wie kaum ein anderer. Und obwohl seine Distanz längst übertroffen wurde, bleibt seine Fahrt eine Art moralischer Goldstandard.

Tabelle: Entwicklung des Stundenweltrekords (Auswahl)

JahrFahrerDistanz (km)Besonderheit
1972Eddy Merckx49,431Stahlrad, Höhenlage
1984Francesco Moser51,151Scheibenräder, Aerodynamik
1996Chris Boardman56,375Superman-Position
2022Filippo Ganna56,7923D-Bike, CFD-Anzug

Häufige Fragen rund um Eddy Merckx und den Stundenweltrekord

Wie weit fuhr Eddy Merckx beim Stundenweltrekord?

Er legte 1972 exakt 49,431 Kilometer in 60 Minuten zurück – ein Rekord, der jahrzehntelang als Referenz galt.

Warum gilt Merckx’ Leistung als besonders?

Weil sie unter extremen Bedingungen, mit vergleichsweise „primitiver“ Technik und ohne moderne Hilfsmittel erbracht wurde. Zudem war die psychische Belastung enorm.

Welche Rolle spielt die UCI heute beim Stundenrekord?

Die UCI reguliert Ausrüstung, Bahnstandard und Fahrbedingungen, um die Vergleichbarkeit zwischen historischen und modernen Versuchen zu ermöglichen.

Hat Eddy Merckx aktuelle Fahrer zum Rekordversuch herausgefordert?

Ja – insbesondere 2025 wandte er sich öffentlich an Fahrer wie Pogacar und Evenepoel mit der Aufforderung, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Die Stunde der Wahrheit bleibt unvergessen

Eddy Merckx’ Rekordfahrt ist mehr als eine sportliche Zahl – sie ist ein Symbol für Entschlossenheit, Mut und Präzision. Während neue Rekordhalter weiter hinausfahren, bleibt die Fahrt von 1972 ein Fixpunkt in der Geschichte des Radsports. Wer ihn schlagen will, muss nicht nur schneller – sondern besser sein. Und genau das macht diesen Rekord so außergewöhnlich.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.