
Väter erhalten monatlich deutlich mehr Elterngeld als Mütter – und dennoch nehmen sie es viel kürzer in Anspruch. Hinter dieser scheinbaren Ungleichverteilung stecken nicht nur finanzielle Fakten, sondern auch tief verankerte Rollenbilder, politische Rahmenbedingungen und kulturelle Hemmnisse.
Mehr Geld, weniger Zeit – das Elterngeld-Paradox
Die Zahlen sind eindeutig: Väter erhalten in Deutschland im Schnitt rund 500 Euro mehr Elterngeld pro Monat als Mütter. Doch während Männer vergleichsweise gut vergütet werden, nutzen sie die Leistung nur für wenige Monate. Mütter hingegen beziehen Elterngeld deutlich länger, jedoch zu einem erheblich geringeren monatlichen Satz. Dieses Missverhältnis wirft Fragen auf – über soziale Rollen, politische Prioritäten und strukturelle Barrieren.
Statistische Grundlage: So ungleich ist das Elterngeld verteilt
Monatliche Beträge im Vergleich
Im Jahr 2024 erhielten Väter durchschnittlich 1.337 Euro Elterngeld pro Monat – Mütter lediglich 830 Euro. Rund ein Drittel der Väter schöpft sogar den maximal möglichen Betrag von 1.800 Euro aus. Bei Müttern ist das deutlich seltener der Fall. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem vorherigen Nettoeinkommen – und dieses ist bei Männern im Schnitt höher.
Bezugsdauer – der große Unterschied
Während Mütter im Durchschnitt 14,8 Monate Elterngeld beziehen, liegt der Wert bei Vätern nur bei 3,8 Monaten. Die Gesamtsumme, die ein Elternteil im Jahr erhält, ist deshalb bei Frauen mit etwa 11.462 Euro deutlich höher als bei Männern mit rund 4.185 Euro. Die Bezugsdauer macht also den entscheidenden Unterschied – nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich.
Warum Männer mehr Elterngeld bekommen – und trotzdem weniger nehmen
Höheres Einkommen führt zu höherem Elterngeld
Da das Elterngeld an das vorherige Nettoeinkommen gekoppelt ist, ergibt sich eine strukturelle Bevorzugung von besserverdienenden Personen – meist Männern. Zwar wird der Elterngeldbetrag bei 1.800 Euro gedeckelt, doch vor allem Akademiker und Führungskräfte schöpfen diesen Betrag aus. Bei Frauen ist das seltener der Fall – insbesondere, wenn sie vor der Geburt in Teilzeit gearbeitet haben oder bereits früher aus dem Beruf ausgestiegen sind.
Kulturelle Rollenbilder und Karriereangst
Viele Väter nehmen nur die minimalen zwei Partnermonate in Anspruch – obwohl über 50 Prozent sich laut Studien eine gleichmäßige Aufteilung der Elternzeit wünschen. Was sie daran hindert, ist oft die Angst vor Karriereeinbußen, fehlende Akzeptanz am Arbeitsplatz und die Sorge um finanzielle Nachteile. Eine IAB-Studie zeigt, dass Väter, die mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen, auch langfristig ein geringeres Einkommenswachstum haben als ihre Kollegen ohne Auszeit.
Elterngeldsystem: Zwischen Anreiz und Einschränkung
Basiselterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus
Das Elterngeldsystem in Deutschland besteht aus mehreren Bausteinen:
- Basiselterngeld: für maximal 14 Monate, wenn beide Elternteile mindestens zwei Monate übernehmen.
- ElterngeldPlus: halbierter Betrag über den doppelten Zeitraum, ideal für Teilzeitbeschäftigte.
- Partnerschaftsbonus: vier zusätzliche Monate, wenn beide Eltern gleichzeitig 24–32 Stunden pro Woche arbeiten.
In der Theorie bietet das System viele Möglichkeiten. In der Praxis jedoch berichten Eltern, dass paralleler Bezug und flexible Aufteilung schwierig umzusetzen sind. Reddit-Foren dokumentieren zahlreiche Fälle, in denen Paare genau daran scheitern, eine gleichberechtigte Lösung zu finden.
Gesetzliche Einschränkungen und Reformbedarf
Seit April 2024 ist der parallele Bezug von Basiselterngeld nur noch für einen Monat erlaubt. Diese Einschränkung wurde politisch mit Haushaltskonsolidierung begründet – sie erschwert jedoch die gleichzeitige Betreuung durch beide Elternteile massiv. Darüber hinaus wurde die Einkommensgrenze für den Elterngeldanspruch auf 175.000 Euro gesenkt, was vor allem Doppelverdiener-Paare betrifft.
Väter in der Elternzeit: Zwischen Ideal und Realität
Geringe Beteiligung trotz wachsendem Wunsch
Im Jahr 2024 bezogen rund 432.000 Väter Elterngeld – ein Anstieg zum Vorjahr, aber immer noch deutlich weniger als die 1,24 Millionen Mütter. Die Beteiligungsquote der Väter liegt bei etwa 44 Prozent. Der Wunsch nach Gleichverteilung ist zwar vorhanden, doch gesellschaftliche und strukturelle Hemmnisse verhindern oft die Umsetzung.
„Ich hätte gern sechs Monate Elternzeit genommen – aber in meiner Firma wäre das das Karriere-Aus gewesen“, schreibt ein Vater auf Reddit.
Internationale Vorbilder
Island gilt als Vorreiter: Dort stehen jedem Elternteil sechs Monate bezahlte Elternzeit zu – nicht übertragbar. Die Beteiligungsquote der Väter liegt bei über 80 Prozent. Auch Schweden, Spanien und die Schweiz setzen verstärkt auf Vaterschaftsurlaube und familienfreundliche Arbeitsmodelle.
Care-Arbeit bleibt Frauensache
Die sogenannte Gender-Care-Gap liegt in Deutschland bei etwa 83 Prozent. Frauen übernehmen in Paarhaushalten mit Kindern täglich rund 2,5 Stunden mehr unbezahlte Sorgearbeit. Diese Mehrbelastung führt langfristig nicht nur zu finanziellen Nachteilen, sondern auch zu psychischen Belastungen und struktureller Benachteiligung im Arbeitsmarkt.
Forderungen aus Politik und Gesellschaft
Gleichstellungsverbände und die Bertelsmann Stiftung fordern seit Jahren eine Reform: mehr Partnermonate, verpflichtender Vaterschaftsurlaub und bessere Vereinbarkeit mit Teilzeitmodellen. Auch der Verband berufstätiger Mütter kritisiert die fehlende Gleichstellung im Elterngeldsystem. Ökonomen hingegen fordern teilweise sogar die Abschaffung des Elterngelds, da es überwiegend Besserverdienenden zugutekomme.
Fragen und Antworten aus der Praxis
Wie viele Stunden darf ich während des Elterngeldbezugs arbeiten?
Maximal 30 bis 32 Stunden pro Woche – abhängig vom Modell. Bei ElterngeldPlus ist Teilzeit ausdrücklich vorgesehen.
Kann ich Elterngeld rückwirkend beantragen?
Ja, aber nur bis zu drei Monate nach der Geburt. Danach verfällt der Anspruch für die vorherigen Lebensmonate.
Was sind die Voraussetzungen für den Partnerschaftsbonus?
Beide Eltern müssen gleichzeitig 24–32 Wochenstunden arbeiten – mindestens in zwei von vier Monaten.
Können auch unverheiratete Väter Elterngeld beantragen?
Ja. Voraussetzung ist, dass sie mit dem Kind im selben Haushalt leben und die Vaterschaft anerkannt ist.
Fazit: Die Schere bleibt – aber Reformen sind möglich
Das deutsche Elterngeldsystem zeigt eine deutliche finanzielle Schieflage zugunsten der Väter – und gleichzeitig eine zeitliche Last, die weiterhin mehrheitlich von Müttern getragen wird. Strukturelle Hürden, gesellschaftliche Erwartungen und gesetzliche Regelungen verhindern eine echte Gleichstellung. Doch die Diskussion ist im Gange – und mit politischen Reformen, klarer Kommunikation und Vorbildern aus anderen Ländern lässt sich diese Schere zumindest ein Stück weit schließen.