EU-Spannungen wachsen Orban plant neues Bündnis: Ungarn, Tschechien und Slowakei wollen gemeinsame Ukraine-Strategie

In Ausland
Oktober 31, 2025
Budapest – Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban arbeitet offenbar an einer neuen politischen Allianz innerhalb der Europäischen Union. Gemeinsam mit Tschechien und der Slowakei soll eine „ukraine-skeptische“ Achse entstehen, die sich gegen die bisherige EU-Politik der umfassenden Unterstützung Kiews positioniert. Ziel ist es, bei EU-Gipfeln künftig abgestimmt zu handeln und so den Einfluss der drei Länder zu stärken.

Ein neues Dreierbündnis formiert sich

Orban strebt engere Abstimmung mit Nachbarstaaten an

Der ungarische Premierminister Viktor Orban strebt eine strategische Partnerschaft mit der Tschechischen Republik und der Slowakei an. Laut Aussagen seines politischen Direktors Balázs Orban soll dieses Bündnis „vor wichtigen EU-Gipfeln gemeinsame Positionen erarbeiten“, insbesondere bei Fragen zur finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine. Diese Initiative erinnert stark an die frühere Visegrád-Gruppe (V4), bestehend aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei – allerdings ohne Polen, das mittlerweile eine deutlich pro-ukrainische Linie verfolgt.

Der Plan zielt darauf ab, dass die drei Länder geschlossen auftreten und Entscheidungen der Europäischen Union, die sie als nachteilig empfinden, gemeinschaftlich beeinflussen oder blockieren können. Balázs Orban erklärte in einem Interview: „Ich denke, es wird kommen – und immer sichtbarer werden.“ Damit deutet er an, dass es sich bislang noch nicht um ein formelles Bündnis handelt, sondern um eine politisch abgestimmte Annäherung.

Visegrád 2.0 – eine neue Achse in Mitteleuropa?

Die Idee eines neuen „Visegrád 2.0“-Formats ist nicht neu, bekommt aber durch die jüngsten politischen Entwicklungen neuen Auftrieb. In Tschechien gewann jüngst der populistische Politiker Andrej Babiš wieder an Einfluss, während in der Slowakei Premier Robert Fico mit seiner EU-kritischen Haltung Schlagzeilen macht. Beide gelten als potenzielle Verbündete Orbans, wenn es darum geht, den pro-ukrainischen Kurs Brüssels zu bremsen.

Hintergründe der Allianzbildung

Politische und wirtschaftliche Motive

Ungarn und die Slowakei sind stark von russischen Energielieferungen abhängig. Diese wirtschaftliche Verflechtung spielt eine zentrale Rolle bei ihrer Zurückhaltung gegenüber harten EU-Sanktionen gegen Russland. Eine der häufigsten Nutzerfragen lautet: Wie beeinflussen energie- und wirtschaftspolitische Interessen Ungarns und der Slowakei diese Allianzidee? Die Antwort liegt auf der Hand: Beide Länder befürchten, dass ein zu scharfer EU-Kurs gegen Russland ihre eigene Energieversorgung gefährden könnte. Diese Sorge nährt den Wunsch nach einer pragmatischeren Ukraine-Politik, die nationale Interessen stärker berücksichtigt.

In diesem Kontext erscheinen Orbans Pläne weniger als reine Provokation, sondern als Versuch, Handlungsspielräume zu sichern. Robert Fico bekräftigte zuletzt, dass die Slowakei sich „nicht an einem EU-Programm zur Finanzierung militärischer Hilfe für die Ukraine beteiligen“ werde. Auch Ungarn hatte in der Vergangenheit wiederholt EU-Sanktionspakete blockiert, wenn sie Auswirkungen auf seine Energieversorgung befürchtete.

Öffentliche Stimmung und innenpolitische Dynamik

Die Unterstützung der Bevölkerung für die Ukraine ist in der Slowakei und in Ungarn deutlich geringer als im EU-Durchschnitt. Studien zeigen, dass nur etwa 47 % der Slowaken EU-Sanktionen gegen Russland befürworten, während der EU-Durchschnitt bei rund 73 % liegt. Diese Diskrepanz deutet auf tief sitzende Skepsis gegenüber der europäischen Ukraine-Politik hin. Auch in Ungarn wird die Regierungspolitik von einem starken nationalistischen Diskurs getragen, der außenpolitische Zurückhaltung rechtfertigt.

Die Rolle Polens und das Ende der alten V4

Warum Polen außen vor bleibt

Ein weiteres zentrales Thema ist die Frage: Welche Rolle spielt Polen im geplanten Bündnis? Polen war traditionell Teil der Visegrád-Gruppe, ist aber seit dem Regierungswechsel zu Donald Tusk nicht länger ein Verbündeter Orbans in der EU-Politik. Tusk vertritt einen klar pro-ukrainischen Kurs und setzt sich für eine enge Zusammenarbeit mit Kiew ein. Damit ist eine Zusammenarbeit mit Budapest, das EU-Sanktionen gegen Russland immer wieder bremst, kaum noch denkbar.

Insofern deutet sich ein geopolitischer Wandel in Mitteleuropa an: Die einst vierstimmige Visegrád-Gruppe ist zu einem Trio geschrumpft, das inhaltlich eine völlig andere Richtung einschlägt.

Wie konkret sind die Pläne?

Kein offizielles Bündnis – aber abgestimmte Politik

Viele Beobachter fragen: Inwiefern handelt es sich bereits um ein formelles Bündnis? Derzeit gibt es keine offizielle Vereinbarung oder unterzeichnete Erklärung. Vielmehr handelt es sich um eine politische Initiative, die auf Abstimmung und gemeinsamen Einfluss setzt. Der entscheidende Unterschied: Während frühere Allianzen wie die V4 institutionell verankert waren, setzt Orban diesmal auf flexible, informelle Kooperation. Ziel ist es, Handlungsfähigkeit zu wahren, ohne sich rechtlich zu binden.

Koordinierte Strategien vor EU-Gipfeln

Der Plan sieht vor, dass sich die drei Regierungen regelmäßig vor EU-Gipfeln abstimmen. Dadurch könnten sie geschlossen auftreten, wenn es um Fragen wie neue Finanzhilfen oder Sanktionen geht. Kritiker warnen, dass ein solches Vorgehen die Handlungsfähigkeit der EU schwächen könnte – insbesondere in Zeiten, in denen Geschlossenheit gegenüber Russland entscheidend ist. Befürworter sehen darin hingegen ein notwendiges Gegengewicht zur Dominanz westeuropäischer Staaten im Entscheidungsprozess.

Reaktionen aus Brüssel und Europa

EU-Vertreter warnen vor Blockadepolitik

In Brüssel sorgen die Signale aus Budapest, Prag und Bratislava für Unruhe. EU-Diplomaten befürchten, dass die „Mini-Allianz“ Beschlüsse im Rat verzögern oder blockieren könnte. Schon jetzt nutzen Ungarn und die Slowakei regelmäßig ihr Vetorecht, um Sanktionen oder Hilfspakete zu verhindern. Diese Blockadepolitik ist juristisch legitim, aber politisch umstritten. Mehrere EU-Abgeordnete haben bereits angeregt, künftig finanzielle EU-Mittel an die Einhaltung gemeinschaftlicher Prinzipien zu knüpfen.

Rechtsstaatlichkeit als Nebenschauplatz

Interessant ist, dass die drei Länder, die nun enger kooperieren wollen, zugleich die größten Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit in der EU aufweisen. Sowohl Ungarn als auch die Slowakei wurden in Berichten des Europäischen Parlaments als problematische Fälle genannt. Dies deutet darauf hin, dass die Allianz auch als politischer Schulterschluss gegen die zunehmende EU-Kritik an ihren innenpolitischen Entwicklungen verstanden werden kann.

Stimmen aus der Region

Ficos klare Worte und Orbans Kalkül

Robert Fico betonte mehrfach, dass er „keine slowakischen Waffen oder Gelder für den Krieg in der Ukraine“ bereitstellen werde. Seine Regierung wolle sich auf „Frieden und Diplomatie“ konzentrieren. Viktor Orban wiederum sieht sich als Vermittler zwischen Ost und West und betont, Ungarn wolle „keine Kriegspartei“ sein. Beide Regierungschefs positionieren sich damit bewusst als pragmatische Kräfte – im Gegensatz zu den stark pro-ukrainischen Regierungen in Polen oder den baltischen Staaten.

Diskussionen in sozialen Medien

In sozialen Netzwerken wie X und Reddit wird der Plan Orbans kontrovers diskutiert. Viele User sehen darin eine gezielte Blockadepolitik, die den Zusammenhalt der EU gefährdet. Andere argumentieren, dass Orbans Kurs lediglich die politische Realität widerspiegele: Die Bevölkerung in Mittelosteuropa sei kriegsmüde und wolle keine weiteren finanziellen Belastungen tragen. Auf Facebook kursieren zudem Beiträge aus dem Umfeld des ehemaligen tschechischen Premiers Babiš, die Orbans Linie kommunikativ stützen und das Narrativ „Europa ist nicht Brüssel“ verstärken.

Langfristige Folgen für die EU-Politik

Eine neue Machtbalance im Osten Europas

Das geplante Bündnis könnte langfristig die Entscheidungsmechanismen in der EU verändern. Wenn sich mehrere Staaten zusammenschließen, um ihre Vetos zu koordinieren, entsteht faktisch eine neue Machtstruktur innerhalb des Rates. Diese Entwicklung erinnert an frühere Phasen der europäischen Integration, in denen kleinere Staaten versuchten, durch Blockbildung Gewicht zu gewinnen.

Fragen zur Zukunft der Ukraine-Hilfe

Eine häufige Nutzerfrage lautet: Was könnte eine der praktischen Auswirkungen dieses Bündnisses auf EU-Entscheidungen sein? Tatsächlich könnte die Unterstützung der Ukraine künftig schwerer durchzusetzen sein, da Einstimmigkeit in vielen Fragen Voraussetzung bleibt. Schon jetzt werden Hilfspakete von Milliardenhöhe regelmäßig durch Vetos verzögert. Sollte sich die Achse Orban-Babiš-Fico festigen, könnte das die europäische Ukraine-Strategie grundlegend verändern.

Risiko einer politischen Spaltung

Die EU steht damit vor einem Dilemma: Einerseits will sie Geschlossenheit demonstrieren, andererseits darf sie nationale Interessen nicht übergehen. Orbans Bündnis könnte daher zum Prüfstein für die innere Stabilität der Union werden. Je stärker der Druck auf Budapest und Bratislava wächst, desto mehr könnten sie ihre Haltung als Verteidigung nationaler Souveränität verkaufen – ein Narrativ, das in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang findet.

Der neue Realismus in Mitteleuropa

Die politische Landschaft Mitteleuropas verändert sich spürbar. Wo früher pro-europäische Konsenspolitik dominierte, setzen nun populistische Regierungen auf Eigenständigkeit und Machterhalt. Die Allianz-Idee Orbans ist Ausdruck dieses Trends – und zugleich ein Test für die Fähigkeit der EU, mit internen Gegensätzen umzugehen, ohne in Handlungsunfähigkeit zu verfallen.

Ein Europa zwischen Einheit und Eigeninteresse

Wie sich die geplante Kooperation zwischen Ungarn, Tschechien und der Slowakei entwickelt, bleibt abzuwarten. Noch ist nichts unterschrieben, doch die Signale sind eindeutig: Drei mitteleuropäische Staaten wollen sich neu positionieren – zwischen Brüssel und Moskau, zwischen Solidarität und Selbstschutz. Für die EU könnte das eine Phase wachsender Spannungen bedeuten, aber auch die Chance, ihre Entscheidungsmechanismen zu überdenken.

Schlussbetrachtung: Orbans Bündnisidee als Symptom europäischer Zeitenwende

Das, was derzeit in Mitteleuropa geschieht, ist mehr als nur eine taktische Abstimmung gegen Ukraine-Hilfen. Es ist Ausdruck einer politischen Verschiebung, die sich seit Jahren abzeichnet: nationale Souveränität gewinnt wieder an Gewicht, während supranationale Solidarität an Überzeugungskraft verliert. Viktor Orban, Robert Fico und Andrej Babiš stehen exemplarisch für diese Entwicklung. Ihr geplantes Bündnis ist zugleich Warnung und Weckruf – für ein Europa, das zwischen Krieg und Frieden, Einheit und Eigeninteresse seinen neuen Kurs finden muss.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.