Regierung führt neues Wehrdienstgesetz ein: Kabinett gibt grünes Licht

In Politik
August 27, 2025

Mit einem weitreichenden Beschluss hat das Bundeskabinett den Weg für ein neues Wehrdienstgesetz geebnet. Ziel ist es, die Bundeswehr personell zu stärken und gleichzeitig die Attraktivität des Dienstes für junge Menschen zu erhöhen. Während Freiwilligkeit im Mittelpunkt steht, bleibt die Debatte um Pflicht und Automatik im Hintergrund präsent.

Ein historischer Schritt zurück zur Wehrerfassung

Mit dem neuen Gesetz wird ein Kapitel aufgeschlagen, das viele Bürgerinnen und Bürger bereits abgeschrieben hatten: die Wiedereinführung der Wehrerfassung. Nachdem die allgemeine Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde, legt die Bundesregierung nun ein Modell vor, das die Bundeswehr auf moderne Herausforderungen vorbereiten soll. Kern des Entwurfs ist die Abfrage des Interesses am Wehrdienst. Alle jungen Männer sollen zu ihrem 18. Geburtstag einen verpflichtenden Fragebogen erhalten, Frauen können freiwillig teilnehmen. Wer geeignet erscheint, wird zur Musterung eingeladen – ab 2027 wird diese für alle jungen Männer eines Jahrgangs verpflichtend.

Ziele: Mehr Personal, mehr Attraktivität, mehr Sicherheit

Das zentrale Ziel des neuen Wehrdienstgesetzes ist die personelle Stärkung der Bundeswehr. Geplant ist, bis 2030 eine Truppenstärke von rund 260.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten zu erreichen. Zusätzlich sollen bis dahin 200.000 Reservistinnen und Reservisten verfügbar sein. Damit will man nicht nur die Verteidigungsfähigkeit im Ernstfall sichern, sondern auch langfristig die Einsatzbereitschaft stabilisieren.

Zu Beginn sollen rund 15.000 neue Wehrdienstleistende pro Jahr gewonnen werden. Diese Zahl soll schrittweise ansteigen – bis 2026 auf 20.000 und bis 2030 auf 38.000 jährlich. Besonders attraktiv gemacht wird der Dienst durch Anreize: ein monatlicher Sold von etwa 2.200 Euro, die Möglichkeit, den Führerschein mit bis zu 3.500 Euro zu fördern, und ein einheitlicher Status als Soldat auf Zeit mit mindestens sechs Monaten Dienstzeit. Damit soll die Bundeswehr als Arbeitgeber konkurrenzfähig werden.

Wie lange dauert der neue Wehrdienst?

Viele junge Menschen fragen sich: „Wie lange dauert der Dienst beim neuen Wehrmodell?“ Die Antwort ist klar geregelt. Vorgesehen ist ein Grunddienst von sechs Monaten. Wer möchte und die entsprechenden Qualifikationen mitbringt, kann den Dienst auf bis zu 23 Monate verlängern. Damit bleibt das Modell flexibel – eine Kombination aus Einstiegsmöglichkeit für viele und beruflicher Perspektive für wenige.

Freiwilligkeit im Zentrum – Pflicht als Option

Die Bundesregierung betont, dass die Freiwilligkeit im Vordergrund steht. Dennoch enthält das Gesetz eine Option für den Fall, dass die Rekrutierungsziele nicht erreicht werden. Dann könnte die Wehrpflicht wieder aktiviert werden, jedoch nur mit Zustimmung des Bundestages. Damit bleibt die Rückkehr zur klassischen Pflichtlösung ein politischer Balanceakt. Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte dazu: „Wir wollen die jungen Menschen nicht zwingen, sondern sie gewinnen.“

Die Opposition sieht das anders. Vertreter der Union fordern, dass ein Automatismus greifen müsse, wenn die Ziele verfehlt werden. Ohne diesen Schritt sei die Planung nicht belastbar. Auch Stimmen aus der FDP verlangen zusätzliche Anreize, um die Attraktivität zu erhöhen – etwa durch eine vollständige Übernahme der Führerscheinkosten.

Öffentliche Meinung: Gespaltene Wahrnehmung

Die Gesellschaft zeigt sich in dieser Frage gespalten. Laut einer Umfrage befürworten 54 Prozent der Deutschen grundsätzlich eine Rückkehr zur Wehrpflicht, während 40 Prozent einen rein freiwilligen Dienst bevorzugen. Auffällig ist der Altersunterschied: Während nur eine Minderheit der 18- bis 29-Jährigen den Pflichtdienst unterstützt, sprechen sich 66 Prozent der über 70-Jährigen dafür aus. Diese Diskrepanz zeigt die unterschiedliche Wahrnehmung von Sicherheit und Pflicht in den Generationen.

Aktuelle Zahlen und Entwicklungen

Schon vor Inkrafttreten des neuen Modells zeichnet sich ein wachsendes Interesse ab. Bis Juli 2025 konnte die Bundeswehr 13.750 neue Soldaten gewinnen – ein Anstieg von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Zahlen sind für die Regierung Rückenwind, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung: Das Interesse gilt es zu halten und durch das neue Gesetz zu verstetigen.

Fragen rund um den neuen Wehrdienst

Die öffentliche Debatte wird von zahlreichen konkreten Fragen begleitet. Eine häufige lautet: „Wann startet der neue Wehrdienst in Deutschland?“ Der offizielle Start ist für 2026 vorgesehen, ab 2027 kommt die verpflichtende Musterung. Ebenso relevant ist die Frage: „Müssen Frauen den Fragebogen zum Wehrdienst ausfüllen?“ Hier ist die Antwort eindeutig: Frauen können freiwillig teilnehmen, für Männer gilt die Pflicht.

Eine weitere häufige Unsicherheit betrifft den Mechanismus hinter dem Gesetz: „Sind im neuen Gesetz automatische Wehrpflicht-Mechanismen vorgesehen?“ Nein, eine automatische Aktivierung der Wehrpflicht ist nicht direkt verankert. Allerdings behält sich die Regierung das Recht vor, bei Nichterreichen der Ziele die Wehrpflicht mit parlamentarischer Zustimmung wieder einzuführen.

Politische Debatten und Kritik

Das Gesetz ist auch ein Politikum. Während die Regierung die Balance zwischen Freiwilligkeit und Option sucht, fordert die Opposition klare Vorgaben. Norbert Röttgen von der CDU kritisierte, dass es an verbindlichen Zielvorgaben fehle. Sein Parteikollege Thomas Erndl sprach von einer „Bedarfsplanung mit vielen Unklarheiten“. Die Debatte macht deutlich, dass der neue Wehrdienst nicht nur ein militärisches, sondern auch ein gesellschaftliches und politisches Projekt ist.

Soziale Medien: Zwischen Ironie und Ablehnung

Auf Plattformen wie X zeigt sich, dass der Wehrdienst besonders bei jungen Menschen nicht nur auf Zustimmung stößt. Unter dem Hashtag #Wehrpflicht dominieren kritische oder ironische Beiträge. Kommentare wie „Junge Menschen haben mit ihrem Leben offenbar etwas Schöneres vor“ spiegeln eine verbreitete Skepsis wider. Diese Diskurse machen klar: Die Regierung muss die Vorteile des Dienstes besser kommunizieren, um Akzeptanz zu schaffen.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Schutzmechanismen

Wichtig ist, dass das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung weiterhin gilt. Entsprechende Gesetze wie das Kriegsdienstverweigerungsgesetz und das Zivildienstgesetz bleiben bestehen und werden präventiv angepasst. Damit bleibt die Wahlmöglichkeit bestehen – ein Punkt, den gerade zivilgesellschaftliche Gruppen als wesentlich ansehen.

Attraktive Bedingungen im Detail

Ein zentraler Baustein des neuen Modells sind die attraktiven Rahmenbedingungen. Neben dem monatlichen Sold und dem Führerscheinzuschuss sollen auch klare Karrierewege in der Bundeswehr geschaffen werden. Viele junge Menschen werden so erstmals einen Einblick in militärische Strukturen erhalten, ohne sich langfristig verpflichten zu müssen.

LeistungBeschreibung
Soldca. 2.200 Euro monatlich
Dauer6 Monate Grunddienst, Verlängerung bis 23 Monate möglich
FührerscheinZuschuss bis 3.500 Euro
StatusSoldat auf Zeit (SaZ)

Langfristige Bedeutung für die Gesellschaft

Das neue Wehrdienstgesetz ist mehr als eine Reform der Bundeswehr. Es ist ein Signal, wie Deutschland seine Verteidigungsbereitschaft im 21. Jahrhundert definiert. Es geht nicht nur um militärische Schlagkraft, sondern auch um gesellschaftliche Teilhabe. Junge Menschen sollen die Möglichkeit haben, sich einzubringen, Erfahrungen zu sammeln und Verantwortung zu übernehmen – ohne dass sie zwangsläufig auf Lebenszeit gebunden sind.

Mit der Einführung des neuen Wehrdienstgesetzes schlägt Deutschland ein neues Kapitel auf. Die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit, Attraktivität und Anreize – wohlwissend, dass die gesellschaftliche Akzeptanz entscheidend sein wird. Ob die Rekrutierungsziele erreicht werden, hängt von vielen Faktoren ab: dem Vertrauen in die Institutionen, der Attraktivität der Rahmenbedingungen und der gesellschaftlichen Stimmung. Klar ist: Der neue Wehrdienst ist nicht nur eine Reform für die Bundeswehr, sondern eine Weichenstellung für die Rolle der Jugend in der Sicherheitsarchitektur des Landes. Er eröffnet Chancen, birgt aber auch Herausforderungen, die erst in den kommenden Jahren sichtbar werden.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.