
Bruchsal
In Bruchsal steht eine richtungsweisende Entscheidung bevor: Am 13. Juli 2025 sind rund 47.400 Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ein neues Stadtoberhaupt zu wählen. Die amtierende Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (Grüne), seit 2009 im Amt, tritt nach zwei Amtszeiten nicht erneut an. Damit ist der Weg frei für neue Kandidatinnen und Kandidaten – und für frischen Wind im Bruchsaler Rathaus. Fünf Bewerberinnen und Bewerber wurden zur Wahl zugelassen. Doch wer hat tatsächlich das Potenzial, das Rathaus künftig zu führen?
Ein breites Bewerberfeld – fünf Kandidaten im Rennen
Der Gemeindewahlausschuss hat fünf Kandidaten offiziell zur Wahl zugelassen. Die Bewerber kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern und bringen höchst verschiedene Profile mit. Eines steht fest: Die OB-Wahl wird nicht nur ein Duell zwischen Parteien, sondern auch ein Wettstreit der Konzepte, Biografien und Strategien.
Helge Viehweg (SPD): Der juristisch versierte Verwaltungsprofi
Als aussichtsreichster Kandidat gilt derzeit Helge Viehweg, Bürgermeister von Straubenhardt und promovierter Jurist. Er wird von einem breiten Bündnis aus SPD, Grünen und FDP unterstützt. In seiner bisherigen Amtszeit profilierte sich Viehweg als fachlich versierter Verwalter mit einem klaren Fokus auf Bürgernähe, Digitalisierung und nachhaltiger Energiepolitik. Auch durch seine Arbeit im Gemeindetag Baden-Württemberg sowie seine Beteiligung an überregionalen Verkehrsverbünden bringt er weitreichende Verwaltungserfahrung mit.
Viehweg setzt auf einen faktenorientierten und professionellen Stil, ohne populistische Töne. Seine Unterstützer loben seine kommunikative Stärke und Erfahrung im Umgang mit komplexen Verwaltungsprozessen. Kritiker hingegen fragen, ob ein Bürgermeister aus einer kleineren Gemeinde wirklich auf die Herausforderungen einer größeren Stadt wie Bruchsal vorbereitet ist.
Sven Weigt (CDU): Der konservative Verwaltungsprofi mit Heimvorteil
CDU-Kandidat Sven Weigt, amtierender Bürgermeister von Karlsdorf-Neuthard, bringt ebenfalls Verwaltungserfahrung mit und kann auf eine solide Hausmacht in konservativen Wählerkreisen zählen. In lokalen Umfragen gilt er als ernstzunehmender Herausforderer. Weigt setzt auf bewährte Strukturen, Wirtschaftsförderung und eine konservative Stadtentwicklungspolitik, bei der solide Finanzen und öffentliche Sicherheit im Fokus stehen.
Als Kandidat der CDU vertritt Weigt die Position, dass Bruchsal klare politische Führung benötige, ohne parteiübergreifende Kompromisslösungen zu überbetonen. Auch in Wahlveranstaltungen zeigt er sich rhetorisch souverän und deutlich in der Abgrenzung zu SPD und Grünen.
Tobias Dammert (AfD): Außenseiter mit klarer Botschaft
Für die AfD tritt Tobias Dammert an, ein Handwerker und Mitglied des Ortschaftsrats Heidelsheim sowie des Kreistags. Er wirbt mit dem Versprechen, „die Stimme der kleinen Leute“ zu sein, und will Verwaltungsabläufe verschlanken sowie Investitionen in die Sicherheit stärken. Seine Erfolgschancen gelten trotz wachsender AfD-Ergebnisse auf kommunaler Ebene als gering – nicht zuletzt, weil er außerhalb seiner Anhängerschaft kaum auf breite Resonanz stößt.
Endercan Bolat (parteilos): Der Kandidat aus dem Volk
Endercan Bolat, ein parteiloser Bewerber und Reinigungskraft aus Bruchsal, hat es mit großem persönlichem Einsatz in das Bewerberfeld geschafft. Er positioniert sich als Vertreter der einfachen Menschen und fordert mehr soziale Gerechtigkeit, niedrigere Mieten und eine verbesserte kommunale Teilhabe. Trotz geringer Erfolgsaussichten genießt er Respekt für seinen Mut und seine Authentizität.
Vanessa Schulz (Die PARTEI): Satire mit Botschaft
Die Satirepartei „Die PARTEI“ hat mit Vanessa Schulz eine Bewerberin ins Rennen geschickt, die vor allem junge Wähler ansprechen will. Ihre Themen: mehr Ironie im Rathaus, mehr Transparenz durch „Transparente“ und der Bau eines „Spaßbades“ für politische Frischzellenkur. Auch wenn ihre Erfolgschancen gering sind, sorgt Schulz für frischen Wind im politischen Diskurs.
Wahlkampf: Themen, Formate und Stimmungen
Die Wahl wird nicht nur durch Parteiprogramme, sondern auch durch Persönlichkeiten, Veranstaltungen und Bürgerdialoge entschieden. Bruchsal hat sich in den vergangenen Wochen in ein Wahlkampffeld verwandelt, das von Sachdebatten, aber auch von strategischer Positionierung geprägt ist.
Großveranstaltungen und öffentliche Foren
Zu den wichtigsten Formaten zählte das „Triell“ von KraichgauTV mit Viehweg, Weigt und Dammert. Zudem fanden große öffentliche Diskussionen mit allen fünf Kandidierenden statt, unter anderem im Bürgerzentrum Bruchsal vor rund 600 Interessierten. Dabei kristallisierte sich heraus, dass Viehweg aktuell inhaltlich die breiteste Unterstützung erfährt – nicht zuletzt durch seine klare Positionierung bei Fragen der Haushaltsführung, erneuerbarer Energie und Mobilitätswende.
Schlüsselthemen der Wahl 2025
Die Bürger Bruchsals fordern von ihrem künftigen Stadtoberhaupt vor allem Kompetenz, Transparenz und Nähe. Die wichtigsten Themen im Wahlkampf sind:
- Städtischer Haushalt: Rückläufige Gewerbesteuereinnahmen zwingen zu Priorisierungen.
- Verkehr und Infrastruktur: Diskussionen über Parkraum, Straßenbaustellen und ÖPNV-Ausbau.
- Wohnraum: Forderung nach bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum für Familien.
- Klimaschutz: Ausbau der Windkraft und nachhaltiger Stadtumbau als Streitthema.
- Innenstadtentwicklung: Lebendige Innenstadt, Handel, Tourismus und Sicherheit.
Bruchsals Strukturwandel als Herausforderung
Bruchsal befindet sich in einem strukturellen Wandel. Als Mittelzentrum mit traditionsreicher Geschichte und wachsender Innovationskraft (z. B. durch den efeuCampus für autonome Logistik) muss die Stadt den Spagat zwischen Tradition und Zukunftsfähigkeit meistern. Dabei spielt auch der bedeutende Agrarsektor – insbesondere der Spargelanbau – eine Rolle, der Arbeitsplätze und Identität sichert, aber zunehmend unter Klima- und Exportdruck steht.
Lokale Initiativen und Einflussgruppen
Parallel zum formellen Wahlkampf engagieren sich auch zivilgesellschaftliche Gruppen wie „Parents for Future Bruchsal“. Sie appellieren an die OB-Kandidierenden, klimapolitisch entschiedener zu handeln, den Radverkehr auszubauen und neue Verkehrsformen zu fördern. Solche Initiativen sind längst kein Randphänomen mehr – sie beeinflussen Meinungsbildungsprozesse maßgeblich.
Wahlrecht und Wahlverfahren
Wahlberechtigt sind deutsche und EU-Staatsangehörige ab 16 Jahren mit mindestens dreimonatigem Hauptwohnsitz in Bruchsal. Sollte am 13. Juli kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichen, folgt eine Stichwahl am 27. Juli 2025 zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern.
Favoritenrolle und Stimmenverteilung
In der öffentlichen Wahrnehmung gelten aktuell Helge Viehweg und Sven Weigt als Favoriten. Während Viehweg durch sein überparteiliches Bündnis profitiert, punktet Weigt mit konservativer Stabilität. Dammert, Bolat und Schulz spielen eher Außenseiterrollen, könnten aber in einer Stichwahl entscheidend mitreden – etwa durch Wahlempfehlungen oder mobilisierte Protestwähler.
Zwischen Aufbruch und Erfahrung
Die OB-Wahl in Bruchsal 2025 ist mehr als nur ein Personalwechsel im Rathaus. Sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Erwartungen, parteipolitischer Neujustierungen und wachsender bürgerschaftlicher Mitgestaltung. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich Bruchsal für Stabilität, Aufbruch oder Experimente entscheidet. Sicher ist: Die Stadt steht an einem Scheideweg – mit einer Wahl, die langfristige Weichen stellt.
Der Wahltag am 13. Juli wird Antworten liefern – und vermutlich auch neue Fragen aufwerfen.