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Warum der Millionenraub mit Kryptowährung in Deutschland straflos blieb – Gerichtsurteil und Rechtslage

In Aktuelles
Juli 14, 2025

Göttingen. Ein Admin stiehlt Kryptowährungen im Millionenwert – und bleibt dennoch straffrei. Was wie ein Justizskandal klingt, ist tatsächlich eine juristische Lücke, die tief in der Systematik des deutschen Strafrechts verwurzelt ist. Die Auswirkungen des Falls gehen weit über das einzelne Urteil hinaus – und betreffen die Sicherheit digitaler Vermögenswerte in ganz Deutschland.

Ein Urteil mit Sprengkraft: Der Fall im Überblick

Im Zentrum des Falls steht ein IT-Administrator, der bei einem Unternehmen tätig war und im Rahmen seiner Tätigkeit Zugriff auf eine sogenannte Seed-Phrase hatte – also die private Zugangssequenz zu einem Wallet, in dem Kryptowährungen im Wert von rund 2,5 Millionen Euro gespeichert waren. Der Mann übertrug die Kryptowährungen auf eine eigene Wallet, ohne Erlaubnis. Doch statt einer Anklage wegen Diebstahls wurde das Verfahren eingestellt. Die Begründung: Es liege kein strafbarer Diebstahl im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches vor.

Warum Kryptowährungen nicht als „Sache“ gelten

Der rechtliche Kernpunkt des Urteils liegt in der Definition des § 242 Strafgesetzbuch (StGB), der sich auf „bewegliche Sachen“ bezieht. Digitale Werte wie Bitcoin oder Ethereum sind jedoch keine physischen Objekte. Es gibt kein Ding, das man „wegnehmen“ kann. Und genau das ist der Grund, warum die Entwendung rechtlich nicht als Diebstahl gilt. Damit stellt sich vielen die berechtigte Frage: „Warum gilt Kryptowährung rechtlich nicht als Diebstahl?“

Das Oberlandesgericht Braunschweig stellte klar: Da Kryptowährungen keine körperlichen Gegenstände sind, fehlt die Voraussetzung der Wegnahme. Auch andere Straftatbestände – etwa Computerbetrug oder Datenveränderung – greifen nicht, weil der Täter technisch korrekt mit dem privaten Schlüssel agierte und keine Schutzmechanismen überwand.

Auch andere Paragraphen helfen nicht weiter

In dem Fall wurden weitere Tatbestände geprüft, unter anderem:

  • § 263a StGB – Computerbetrug: Kein unbefugter Eingriff in Datenverarbeitung erkennbar.
  • § 202a StGB – Ausspähen von Daten: Der Zugriff auf die Seed-Phrase war nicht durch Sicherheitsvorkehrungen geschützt, etwa durch ein offenes Notizbuch.
  • § 303a StGB – Datenveränderung: Die Änderung erfolgt in der Blockchain nicht lokal durch den Täter, sondern dezentral durch das Netzwerk.

Zivilrecht statt Strafrecht: Was bleibt den Opfern?

Das Urteil lässt viele Betroffene ratlos zurück. Doch auch wenn strafrechtlich keine Sanktion droht, bleibt der zivilrechtliche Weg offen. „Kann man Kryptowährungsdiebstahl zivilrechtlich verfolgen?“ – Ja. Unternehmen oder Privatpersonen können über das Zivilrecht auf Herausgabe oder Schadensersatz klagen. Das setzt allerdings voraus, dass der Täter identifiziert und greifbar ist – was im Bereich von Kryptowährungen mitunter schwierig sein kann.

Reaktionen aus der Fachwelt und der Netzgemeinde

Juristen wie Jens Ferner halten das Urteil für juristisch konsequent, aber gesellschaftlich bedenklich. Ferner warnt davor, „falsche Sicherheit“ zu suggerieren. Gerade wenn private Schlüssel aus unsicheren Quellen stammen, könne der Gesetzgeber mit einer Neufassung der Strafvorschriften reagieren. Auch auf Plattformen wie Reddit oder LinkedIn überwiegt der Ruf nach Reformen.

„Ein technischer Zugriff allein genügt nicht, um strafrechtlich relevante Verfügungen über Kryptowerte zu konstruieren.“ – Jens Ferner

Ein Nutzer kommentierte auf Reddit: „Wenn das OLG damit durchkommt, müssen wir dringend unsere Gesetze anpassen – sonst kann bald jeder Admin sich bedienen.“

Was schützt den privaten Schlüssel überhaupt?

In diesem Zusammenhang taucht die Frage auf: „Was schützt private Schlüssel rechtlich?“ – Nach geltendem Recht sind private Schlüssel nur dann strafrechtlich geschützt, wenn sie gegen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind. Ein Passwort in einem offenen Dokument erfüllt diese Anforderung nicht. Wer also Seed-Phrasen oder Wallet-Daten offen herumliegen lässt, kann sich im Ernstfall nicht auf strafrechtlichen Schutz verlassen.

Prävention statt Strafe: Wie sich Nutzer schützen können

In den sozialen Medien wird daher verstärkt auf Präventionsmaßnahmen hingewiesen. Der Bundesverband für IT-Sicherheit sowie internationale Experten empfehlen:

  • Verwendung von Hardware-Wallets
  • Cold Storage (Offline-Speicherung von Schlüsseln)
  • PIN-Schutz und Zwei-Faktor-Authentifizierung
  • Physische Sicherheitsmaßnahmen im Wohnumfeld (z. B. Safes, Alarmanlagen)

Damit verbunden ist auch die Frage: „Wie kann man sich besser vor Crypto‑Diebstahl schützen?“ Die Antwort lautet: Durch technische Vorkehrungen, organisatorische Prozesse und gezielte Aufklärung – vor allem im privaten Bereich, aber auch auf Unternehmensseite.

Internationale Perspektiven und Gesetzeslage

Andere Länder handhaben digitale Vermögenswerte bereits deutlich differenzierter. „Welche Strafen drohen bei illegalem Crypto‑Transfer im Ausland?“ – In Ungarn beispielsweise drohen bis zu zwei Jahre Haft bei Transaktionen über 13.000 Euro ohne Berechtigung. In den USA gibt es eigene Paragrafen für digitale Wirtschaftsstraftaten, in der Schweiz gilt Krypto unter bestimmten Voraussetzungen als „verwertbares Gut“.

Deutschland im Rückstand

Während auf EU-Ebene Regulierung wie MiCAR (Markets in Crypto-Assets Regulation) diskutiert wird, fehlt es in Deutschland an einer klaren strafrechtlichen Definition. Juristen sprechen vom „Pacing Problem“ – das Recht hinkt der technischen Entwicklung hinterher. Deshalb fordern Fachleute eine Ergänzung des § 242 StGB um digitale Vermögenswerte oder einen eigenen Straftatbestand für virtuelle Eigentumsdelikte.

Cybercrime in Zahlen: So häufig sind Krypto-Diebstähle

„Wie häufig sind Crypto‑Heists weltweit?“ – Die Blockchain-Analysefirma Chainalysis beziffert die Verluste durch Hacks und Diebstahl im Jahr 2024 auf rund 1,6 Milliarden US-Dollar. Der durchschnittliche Schaden pro Vorfall lag bei 10,6 Millionen US-Dollar. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, da viele Verluste nicht öffentlich gemacht werden.

Eine aktuelle KPMG-Studie zeigt zudem, dass in der DACH-Region inzwischen fast 29 % der Investoren Teile ihres Vermögens in digitalen Assets halten. Gleichzeitig geben über 50 % der Befragten an, große Angst vor Betrug und mangelnder rechtlicher Absicherung zu haben.

Ermittlungen und technische Spuren

Ein weiterer Aspekt betrifft die Arbeit der Ermittlungsbehörden. „Welche Polizeistrategien gibt es gegen Crypto‑Diebstahl?“ Spezialisierte Einheiten arbeiten zunehmend mit Tools wie Chainalysis, um Transaktionen auf der Blockchain rückzuverfolgen. Trotz scheinbarer Anonymität lassen sich viele Wallets durch Kombination aus IP-Analyse, Exchange-Daten und Bewegungsmustern identifizieren. Straflosigkeit bedeutet daher nicht immer Straflosigkeit für die Täter – zumindest zivilrechtlich oder öffentlichkeitswirksam.

Was jetzt passieren muss

Der Fall des Admins aus Göttingen ist kein Einzelfall – sondern ein Warnsignal. Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte haben sich längst als Bestandteil der Finanzwelt etabliert, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Das Strafrecht allerdings stammt aus einer Zeit, in der Geld noch greifbar war und ein Schlüssel ein Stück Metall. Heute ist der Schlüssel digital – und wer ihn besitzt, besitzt das Geld.

Die Diskussionen in Foren, Juristenblogs und sozialen Netzwerken zeigen: Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert. Viele fordern vom Gesetzgeber klare Kante. Deutschland braucht eine präzise Definition digitaler Eigentumsdelikte – bevor weitere Täter straffrei davonkommen und das Vertrauen in digitale Vermögenswerte nachhaltig erschüttert wird.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.