
Deutschland erlebt derzeit eine außergewöhnlich intensive Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 37,4 Grad Celsius. Besonders der Südwesten, Westen und die Mitte der Republik sind betroffen, während die Küstenregionen vergleichsweise milder bleiben. Meteorologen sprechen von einem sommerlichen Ausnahmezustand – doch wie lange bleibt es so heiß? Und welche Folgen hat diese Hitze für Gesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit?
Ein Hochdruckgebiet hält die Hitze fest
Ausgelöst wird die Hitzewelle durch ein stabiles Hochdruckgebiet über Mitteleuropa, das heiße Luftmassen aus dem Süden nach Deutschland lenkt. Diese sogenannte „Hitze-Kuppel“ verhindert, dass kühlere Luftmassen vordringen. Insbesondere am Wochenende wird der Höhepunkt mit Temperaturen zwischen 35 und 37 Grad erwartet. In Städten wie Mannheim, Karlsruhe oder Frankfurt am Main steigen die Thermometer auf Spitzenwerte, begleitet von sogenannten Tropennächten, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt.
Ab Montag rechnen Meteorologen mit einer leichten Abkühlung, jedoch bleibt es vielerorts sommerlich heiß mit Temperaturen um die 30 Grad. Eine nachhaltige Wetterumstellung ist nicht in Sicht.
Regionale Unterschiede: Der Südwesten schwitzt am meisten
Besonders stark betroffen ist der Südwesten Deutschlands. In Baden-Württemberg werden selbst im Hochschwarzwald Werte über 30 Grad gemessen. Auch in der Rhein-Neckar-Region wird es besonders heiß. Hier sind Städte wie Worms, Heidelberg oder Speyer derzeit unter einer nahezu tropischen Glutglocke gefangen.
Tabelle: Prognostizierte Höchstwerte (Samstag/Sonntag)
Region | Temperatur (°C) |
---|---|
Rheinland-Pfalz (z.B. Worms) | 36–37 |
Baden-Württemberg (z.B. Karlsruhe) | 35–36 |
NRW (z.B. Köln) | 33–35 |
Norden (z.B. Hamburg) | 28–30 |
Küstenregionen (z.B. Kiel) | 26–28 |
Folgen für die Gesundheit: Tausende Todesfälle jährlich
Hitze ist eine unterschätzte Gefahr für die Gesundheit. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass allein im Jahr 2024 bereits etwa 3.000 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben sind. Die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen, da viele hitzebedingte Todesfälle indirekt durch Herz-Kreislauf-Versagen oder Nierenversagen ausgelöst werden und nicht als „Hitze“ diagnostiziert werden.
Besonders gefährdet sind:
- Menschen über 65 Jahre
- Chronisch Kranke (z. B. Herz- oder Nierenerkrankungen)
- Psychisch Erkrankte
- Obdachlose und Menschen ohne Zugang zu kühlen Räumen
„Die Sterblichkeit ist bei Menschen mit psychischen Erkrankungen während Hitzeperioden bis zu dreimal so hoch“, warnen Gesundheitsexperten.
Auch auf Medikamente wirkt sich Hitze aus: Einige Wirkstoffe wie ACE-Hemmer oder Diuretika verändern bei Hitze ihre Wirkung oder verstärken die Dehydrierung.
Urbaner Hitzestress: Die Städte als Glutkessel
Besonders Städte leiden unter der Hitze, da versiegelte Flächen und fehlende Grünräume sogenannte „Wärmeinseln“ erzeugen. Messungen zeigen: In Großstädten kann es nachts bis zu 10 Grad wärmer bleiben als im Umland. Beton, Asphalt und Glas speichern die Wärme und geben sie langsam wieder ab – das führt zu zusätzlicher Belastung der Bevölkerung.
Gesundheitliche Folgen im Überblick
- Hitzschlag und -erschöpfung
- Vermehrte Krankenhausaufenthalte
- Hautausschläge, Kreislaufprobleme
- Psychische Belastungen bis hin zu Angstzuständen
Studien zeigen, dass es ab 25 Grad Celsius einen Anstieg psychischer Krisenanrufe um 3,4 % gibt – die Hitze ist also auch eine psychologische Herausforderung.
Wirtschaft unter Druck: Energie, Arbeit und Landwirtschaft
Die Hitzewelle hat auch wirtschaftliche Folgen. In der Industrie sorgt der erhöhte Kühlbedarf für Stromspitzen, was die Netze belastet und Strompreise ansteigen lässt. Kraftwerke müssen ihre Leistung drosseln, wenn Flüsse zu wenig Wasser führen oder zu warm für Kühlung sind.
Arbeitsschutz bei Hitze
In Deutschland gelten klare Vorgaben für Arbeit bei Hitze. Die „Arbeitsstättenregel ASR A3.5“ empfiehlt, dass Raumtemperaturen in Innenräumen 26 Grad nicht überschreiten sollten. Ab 30 Grad sind Schutzmaßnahmen wie Ventilatoren, Pausen oder freie Kleidung vorgeschrieben. Bei über 35 Grad sind Arbeiten nur mit Sondermaßnahmen erlaubt.
Produktivitätsverluste
Hitze führt zu nachweislich schlechterer Konzentration, mehr Fehlern und Unfällen – besonders in der Industrie, im Bau und im Verkehr. Dies hat nicht nur gesundheitliche, sondern auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Schätzungen zufolge könnte das Bruttoinlandsprodukt durch häufigere Hitzewellen langfristig um bis zu 0,5 % jährlich sinken.
Landwirtschaft leidet
Ernteausfälle durch Hitze und Trockenheit sind keine Ausnahme mehr. Schon 2018 sanken die Erträge bei Getreide und Raps um 20 bis 30 %. Die Böden verlieren an Qualität, Schädlingsbefall steigt, und das Risiko für Bodenerosion nimmt zu. Besonders gefährlich ist das sogenannte Mehrfach-Breadbasket-Risiko, bei dem gleich mehrere globale Anbaugebiete gleichzeitig ausfallen – mit massiven Folgen für die Welternährung.
Klimaanpassung dringend notwendig
Die bisherigen Sommer zeigen: Hitzewellen werden nicht nur häufiger, sondern auch intensiver. Seit 1881 ist die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland bereits um 2,5 Grad gestiegen. Prognosen gehen davon aus, dass bis Ende des Jahrhunderts jährlich bis zu 54 Hitzetage auftreten könnten.
Reaktionen der Politik
Das Bundesgesundheitsministerium hat 2023 einen Nationalen Hitzeschutzplan vorgestellt. Ziel sind konkrete Maßnahmen wie:
- Trinkwasserspender im öffentlichen Raum
- Hitzeschutzräume für vulnerable Gruppen
- Kommunikationskampagnen
- Frühwarnsysteme in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst
Auch Städte sollen eigene Hitzeaktionspläne erstellen, Begrünung fördern und versiegelte Flächen zurückbauen. Doch vielerorts fehlen bisher Umsetzungswillen, Personal oder finanzielle Mittel.
Internationaler Vergleich: Europa noch nicht vorbereitet
Auch auf europäischer Ebene werden Hitzeschutz und Prävention diskutiert. Die WHO und die Europäische Umweltagentur fordern europaweite Frühwarnsysteme und städtebauliche Anpassungen. Doch viele Länder – darunter auch Deutschland – haben bislang keine verbindlichen Vorgaben zum Hitzeschutz am Arbeitsplatz oder für Pflegeeinrichtungen.
Fazit: Hitzewellen sind gekommen, um zu bleiben
Die aktuelle Hitzewelle ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines langfristigen Klimatrends. Deutschland muss sich auf mehr Hitzetage, mehr Tropennächte und eine wachsende gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Belastung einstellen. Frühzeitige Prävention, klare Schutzregeln und massive Investitionen in klimarobuste Infrastruktur sind unumgänglich.
„Hitze ist das unterschätzte Extremwetter unserer Zeit – unsichtbar, lautlos, aber tödlich“, sagen Experten.
Obwohl die Temperaturen nach dem Wochenende etwas sinken, bleibt es zu warm für Entwarnung. Der Sommer hat gerade erst begonnen – und mit ihm eine neue Ära der Hitzewarnungen.