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BlackRock warnt vor Quantencomputern – Wird Bitcoin bald unsicher?

In Aktuelles
Juni 11, 2025
Bitcoin Sicherheit

Frankfurt – 11. Juni 2025, 20:26 Uhr

Die Debatte über die Sicherheit von Kryptowährungen ist nicht neu – doch mit dem Aufkommen der Quantencomputer erhält sie eine neue Dringlichkeit. Der weltweit größte Vermögensverwalter BlackRock hat jüngst eine eindringliche Warnung veröffentlicht: Quantencomputer könnten zukünftig die kryptografische Grundlage digitaler Assets wie Bitcoin untergraben. Was bedeutet das konkret für Nutzer, Investoren und die gesamte Finanzbranche?

Ein Weckruf aus der Finanzwelt

Im Mai 2025 sorgte BlackRock für Aufsehen: In einem aktualisierten Prospekt seines iShares Bitcoin Trusts (IBIT) führte der Konzern Quantencomputer erstmals explizit als Risiko auf. Die Aussage ist unmissverständlich: Sollte die Entwicklung dieser Technologie weiter voranschreiten, könnten Quantenrechner die kryptografischen Verfahren angreifen, auf denen Bitcoin & Co. basieren. Das würde nicht nur den Wert von Kryptowährungen infrage stellen, sondern ihre gesamte Existenzgrundlage bedrohen.

Warum Quantencomputer eine echte Bedrohung darstellen

Im Zentrum der Diskussion steht die sogenannte Public-Key-Kryptografie. Diese basiert auf mathematischen Problemen, die für klassische Computer kaum lösbar sind – etwa das Faktorisieren großer Primzahlen. Quantencomputer hingegen können durch den Shor-Algorithmus genau solche Probleme effizient lösen.

Bitcoin nutzt zur Signatur von Transaktionen den Algorithmus ECDSA (Elliptic Curve Digital Signature Algorithm). Ein leistungsfähiger Quantenrechner könnte damit theoretisch private Schlüssel rekonstruieren – und so über das digitale Guthaben verfügen. Besonders betroffen wären jene Adressen, deren öffentlicher Schlüssel bereits bekannt ist.

Wie viele Bitcoins sind verwundbar?

Untersuchungen zufolge sind etwa 25 % aller im Umlauf befindlichen Bitcoins potenziell angreifbar. Das entspricht rund 4 Millionen Coins – bei aktuellen Kursen ein Marktwert im hohen dreistelligen Milliardenbereich. Die Ursache: Viele dieser Adressen wurden mehrfach genutzt oder öffentlich gemacht, sodass ein zukünftiger Quantenangriff auf sie möglich wäre.

Wie realistisch ist ein solcher Angriff?

Derzeit sind Quantencomputer noch nicht leistungsfähig genug, um Bitcoin oder andere große Krypto-Projekte zu gefährden. Um ECDSA in akzeptabler Zeit zu brechen, wären mehrere Millionen fehlerkorrigierter Qubits notwendig. Doch aktuelle Systeme – selbst von Technologiegiganten wie IBM oder Google – verfügen nur über einige hundert dieser Einheiten.

Dennoch: Der Fortschritt ist rasant. Google prognostiziert, dass Quantenrechner mit etwa 1 Mio. Qubits bis 2030 Realität werden könnten. Forscher gehen von einem Zeithorizont zwischen 2030 und 2035 aus, in dem ein sogenannter „Q-Day“ möglich wird – der Tag, an dem Quantencomputer erstmals klassische Kryptografie effektiv angreifen können.

Was sagen Experten dazu?

Die Meinungen gehen auseinander. Während einige Entwickler wie Jameson Lopp vorschlagen, verwundbare Guthaben zu „verbrennen“, um Missbrauch zu verhindern, warnen Sicherheitsanalysten davor, zu schnell in Panik zu verfallen. Der Avalanche-Gründer Emin Gün Sirer mahnt zur Besonnenheit: Es sei genügend Zeit vorhanden, um geeignete Schutzmechanismen zu entwickeln.

Gleichzeitig sehen Institutionen wie das Hudson Institute im Quantenrisiko eine ernstzunehmende Bedrohung für die globale Wirtschaft. Ein erfolgreicher Angriff könnte demnach Schäden in Billionenhöhe verursachen und massive Marktverwerfungen auslösen.

Was unternimmt die Branche bereits?

Viele Kryptoprojekte und Unternehmen beschäftigen sich längst mit dem Thema. Wallet-Anbieter arbeiten an quantensicheren Signaturen, Entwickler erforschen alternative Blockchain-Architekturen. Die sogenannte Post-Quantum-Kryptografie (PQC) steht dabei im Fokus.

Neue Signaturen und hybride Modelle

Zu den vielversprechendsten Ansätzen zählen Algorithmen wie SPHINCS+ oder Dilithium, die gegen Quantenangriffe resistent sein sollen. Auch hybride Signaturen – eine Kombination aus klassischer und quantensicherer Kryptografie – werden getestet. Sie bieten eine Übergangslösung, solange PQC noch nicht flächendeckend implementiert ist.

Die Rolle von Crypto-Agility

Ein weiteres zentrales Konzept ist die sogenannte Crypto-Agility: Die Fähigkeit, kryptografische Verfahren modular und automatisiert auszutauschen. Unternehmen, die heute bereits agil aufgestellt sind, können schneller auf neue Bedrohungen reagieren – eine Schlüsselkompetenz in der Ära der Quanteninformatik.

Technische und regulatorische Herausforderungen

So vielversprechend die technischen Lösungen auch sind – ihre Umsetzung ist alles andere als trivial. Gerade im Bitcoin-Netzwerk wäre ein Wechsel zu quantensicheren Verfahren nur über einen sogenannten Hard Fork möglich. Das bedeutet: Das gesamte Protokoll müsste verändert und von der Community akzeptiert werden. Zudem müssten alle Nutzer ihre Coins auf neue, sichere Adressen übertragen.

Regierungen werden aktiv

Auch internationale Regulierungsbehörden reagieren. Der britische Geheimdienst NCSC fordert eine Migration zu quantensicherer Kryptografie bis spätestens 2028. In der EU ruft Europol Banken und Finanzdienstleister dazu auf, frühzeitig Umstellungsstrategien zu entwickeln. Studien aus Indien zeigen jedoch: Die tatsächliche Vorbereitungsquote in vielen Unternehmen liegt derzeit noch bei unter 50 %.

Quanten-Alternativen und Nebenkanalrisiken

Nicht alle Ideen im Post-Quantum-Bereich haben sich bewährt. So galt der Algorithmus SIKE einst als Hoffnungsträger – wurde jedoch 2022 vollständig gebrochen. Und auch die oft gepriesene Quantum Key Distribution (QKD) ist in der Praxis schwer skalierbar und extrem teuer.

Dazu kommen neue Sicherheitsrisiken: Post-Quantum-Algorithmen sind zum Teil anfällig für sogenannte Nebenkanalattacken – etwa durch Auslesen von Stromverbrauch oder Zeitmessung. Das zeigt: Auch neue Verschlüsselungsverfahren sind nicht per se sicherer.

Langfristige Bedrohung durch „Harvest now, decrypt later“

Ein Aspekt, der oft übersehen wird: Selbst wenn Quantenangriffe heute noch nicht möglich sind, könnten sensible Daten bereits jetzt abgegriffen und gespeichert werden – mit dem Ziel, sie in einigen Jahren zu entschlüsseln. Diese Strategie wird unter dem Begriff „Harvest now, decrypt later“ zusammengefasst. Besonders gefährlich ist dies für staatliche Kommunikation, Finanztransaktionen und medizinische Daten.

Tabellarische Übersicht – Angriffspotenzial auf Bitcoin

AspektAktueller StandQuantenbedrohung
Signaturalgorithmus (ECDSA)Weit verbreitet bei BitcoinHoch gefährdet durch Shor-Algorithmus
Mining (SHA-256)ASIC-dominantDerzeit wenig betroffen
Adressen mit offenem SchlüsselCa. 25 % der Coins betroffenAngreifbar durch Q-Computer
Qubit-AnforderungMillionen fehlerfreier Qubits nötigFrühestens ab 2030 erreichbar
GegenmaßnahmenIn Entwicklung (z. B. SPHINCS+)Implementierung noch nicht flächendeckend

Kein Grund zur Panik – aber zum Handeln

Die Warnung von BlackRock markiert einen Wendepunkt im Umgang mit Quantencomputern als Bedrohung für Kryptowährungen. Zwar ist ein Angriff aktuell noch nicht realistisch, doch die Zeitfenster bis zum potenziellen Q-Day werden kürzer. Der Aufbau quantensicherer Infrastrukturen ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern eine Notwendigkeit.

Nutzer, Unternehmen und Regierungen müssen jetzt gemeinsam handeln. Denn wer zu spät auf den Wandel reagiert, könnte am Ende nicht nur digitale Vermögen verlieren – sondern auch Vertrauen, Stabilität und Sicherheit in einer zunehmend digitalen Welt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.