
Ein Wechsel an der Spitze – und was er bewirken kann
Seit dem Rücktritt von Richard Lutz steht die Deutsche Bahn vor der Herausforderung, eine neue Führungspersönlichkeit zu finden, die nicht nur die internen Probleme des Konzerns kennt, sondern auch die Fähigkeit besitzt, notwendige Reformen auf den Weg zu bringen. Der Fahrgastverband Pro Bahn hat mit der Nominierung von Anna-Theresa Korbutt einen mutigen Vorschlag unterbreitet, der neue Impulse verspricht.
Doch wer ist Anna-Theresa Korbutt, und warum traut man ihr zu, die Deutsche Bahn aus der Krise zu führen?
Ein Blick auf die Kandidatin: Wer ist Anna-Theresa Korbutt?
Geboren 1979 in Danzig, absolvierte Anna-Theresa Korbutt ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre und International Economics in Paderborn. Bereits früh sammelte sie Erfahrungen im Verkehrssektor – unter anderem bei der Deutschen Bahn selbst sowie bei der Schweizer BLS AG und der ÖBB in Österreich. Seit 2021 ist sie Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) und gilt als treibende Kraft für Digitalisierung und Kundenorientierung im öffentlichen Nahverkehr.
Besonders durch Projekte wie „hvv switch“ – einer digitalen Plattform, die ÖPNV mit Sharing-Angeboten verbindet – sowie durch das Check-in/Check-out-System „hvv Any“ hat sie bundesweit Aufmerksamkeit erlangt. In Hamburg genießt sie einen guten Ruf für ihre offene Kommunikation und strategische Innovationskraft.
„Radikal neu denken“ – Korbutts Mobilitätsvision
Korbutt steht für ein modernes, vernetztes Verständnis von Mobilität. Sie selbst formulierte einmal: „Wir müssen den ÖPNV radikal neu denken – digital, effizient, für den Kunden.“ Unter ihrer Führung ist der HVV nicht nur technologisch vorangekommen, sondern auch strukturell als Plattformmodell aufgestellt worden. Mehr als zwei Dutzend Verkehrsunternehmen arbeiten inzwischen unter dem HVV-Dach zusammen – ein Modell, das auch auf die Bahn übertragbar wäre.
Warum wird Korbutt als geeignete Kandidatin für die Deutsche Bahn gesehen?
Der Fahrgastverband Pro Bahn begründete seinen Vorschlag mit Korbutts Fähigkeit, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. So sprach sie sich wiederholt für eine faire Finanzierung des Deutschlandtickets aus – unter Beteiligung von Bund, Ländern und Nutzern. Auch bei der Preiserhöhung zum Jahresbeginn 2025 zeigte sie klare Haltung: Die Preissteigerung sei notwendig, jedoch sozial abzufedern.
In einem Statement auf LinkedIn kommentierte Korbutt die Nominierung diplomatisch, aber mit Dank: „Danke für dieses hohe Maß an Wertschätzung, das ehrt mich sehr. Täglich bauen rund sieben Millionen Kund*innen auf dieses Unternehmen – unter schwierigen Rahmenbedingungen.“
Deutschlandticket im HVV: Ein Erfolgsmodell?
Trotz der Erhöhung von 49 auf 58 Euro konnte der HVV unter Korbutts Leitung Rekordzahlen verbuchen: Im März 2025 waren rund 1,27 Millionen Menschen im Abo registriert – ein klares Zeichen für die Wirksamkeit des Modells. Rund die Hälfte der Hamburger Bevölkerung nutzt das Deutschlandticket, zum Teil mit Unterstützung durch Sozialrabatte oder Jobticket-Modelle.
Diese Entwicklung wirft auch eine häufig gestellte Nutzerfrage auf:
Welche Herausforderungen müsste die künftige Bahnspitze bewältigen?
Die Deutsche Bahn kämpft mit massiven strukturellen Defiziten: marode Infrastruktur, Verspätungen, hohe Personalkosten und ein tiefes Finanzloch prägen die aktuelle Lage. Der neue Bahnchef – oder die neue Chefin – wird nicht nur operativ gefragt sein, sondern auch strategisch: Es braucht eine Modernisierung von Organisation, IT und Infrastruktur.
Bis wann soll die Nachfolge geregelt sein?
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder hat angekündigt, die Nachfolge bis spätestens 22. September 2025 zu klären. An diesem Tag soll auch eine neue Strategie für die Deutsche Bahn vorgestellt werden. Die Entscheidung, wer künftig den Konzern lenkt, könnte damit symbolisch für den Neustart stehen.
Alternative Vorschläge zur klassischen Konzernstruktur
Doch nicht alle Experten sind der Meinung, dass es überhaupt eine einzige Führungspersönlichkeit geben sollte. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) schlug vor, künftig zwei eigenständige Leitungsfunktionen einzuführen – eine für Infrastruktur, eine für den Betrieb. Damit ließen sich die sehr unterschiedlichen Anforderungen gezielter adressieren.
Welche weiteren Personen stehen als potenzielle Nachfolger des Bahnchefs zur Debatte?
Neben Anna-Theresa Korbutt gelten weitere Führungskräfte als potenzielle Kandidaten. An erster Stelle wird dabei oft Evelyn Palla genannt, derzeit Chefin des Regionalverkehrs der DB. Auch Philipp Nagl (InfraGO) und Sigrid Nikutta (DB Cargo) sind in der engeren Auswahl. Es bleibt also offen, ob sich der Vorschlag von Pro Bahn durchsetzt oder ob andere Kandidatinnen bevorzugt werden.
Stimmung im Netz: Zurückhaltend, aber aufmerksam
In den sozialen Medien wurde der Vorstoß von Pro Bahn sachlich aufgenommen. Die öffentliche Diskussion auf Plattformen wie Reddit, Twitter oder in Bahnforen zeigt ein zurückhaltendes Interesse. Dies könnte auch daran liegen, dass viele Nutzer mit personellen Wechseln allein keine grundlegende Verbesserung der Bahn erwarten.
Wie es ein Nutzer im Forum formulierte: „Ob Frau Korbutt oder jemand anders – entscheidend ist doch, dass sich an den Strukturen was ändert.“
Nur ein neuer Kopf – oder echte Reform?
Diese Einschätzung teilt auch Pro Bahn selbst. In einem Tweet stellte der Verband klar: „Nur Köpfe tauschen reicht nicht.“ Gemeint ist damit, dass es nicht genügt, eine neue Führungsspitze zu ernennen. Es brauche ein Team mit Vision, Mut und Durchsetzungsstärke – und die politische Rückendeckung, um auch unpopuläre Entscheidungen durchsetzen zu können.
Wer hat Anna-Theresa Korbutt als Nachfolgerin für Richard Lutz vorgeschlagen?
Der Vorschlag kam explizit vom Fahrgastverband Pro Bahn. Der Verband vertritt seit 1981 die Interessen der Nutzer des öffentlichen Verkehrs. Mit rund 4.000 Mitgliedern ist er bundesweit aktiv und bringt sich regelmäßig in politische Debatten ein. Die Empfehlung für Korbutt wurde öffentlich mit der Hoffnung verbunden, dass ihre Außenperspektive und Innovationsfreude neue Wege öffnet.
Ein möglicher Wendepunkt für die Deutsche Bahn
Die Deutsche Bahn befindet sich an einem kritischen Punkt. Die Kritik an jahrelanger Misswirtschaft und verpassten Reformen ist groß – ebenso wie die Erwartungen an eine Neuausrichtung. Die Personalie Korbutt steht symbolisch für diesen möglichen Wandel. Sie ist keine klassische Konzernkarrieristin, sondern bringt Erfahrungen aus verschiedenen Bahnsystemen und Ländern mit. Ihr Profil steht für Fortschritt, Vernetzung und Kundenzentrierung – Eigenschaften, die der Deutschen Bahn derzeit vielerorts fehlen.
Ob sich Korbutt am Ende tatsächlich gegen etablierte DB-Führungskräfte durchsetzen kann, bleibt offen. Klar ist aber: Ihre Nominierung hat die Debatte belebt und wichtige Fragen aufgeworfen – zu Struktur, Zukunft und Verantwortung eines Konzerns, der für die Mobilität von Millionen verantwortlich ist.
Die kommenden Wochen dürften entscheidend sein. Nicht nur für die Personalie – sondern für den gesamten Kurs der Bahn in den nächsten Jahren.