EU-Klimapolitik und ihre Folgen Deshalb werden jetzt Heizöl, Erdgas und Kraftstoffe in Deutschland teurer

In Politik
Oktober 29, 2025

Berlin. Mit dem geplanten zweiten Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU ETS 2) rollt ab 2027 eine neue Kostenwelle auf deutsche Haushalte zu. Heizöl, Erdgas und Kraftstoffe werden deutlich teurer, wenn CO₂-Zertifikate künftig auch für den Gebäude- und Verkehrssektor verpflichtend werden. Expertinnen und Experten warnen, dass ohne gezielte Ausgleichsmaßnahmen Millionen Bürger finanziell überfordert sein könnten.

Hintergrund: Wie der EU-Emissionshandel funktioniert

Der Emissionshandel ist das Herzstück der europäischen Klimapolitik. Unternehmen müssen für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid (CO₂) ein Zertifikat erwerben. Diese Zertifikate sind begrenzt, und ihre Zahl sinkt jährlich – was die Preise in die Höhe treibt. Das System soll Anreize schaffen, weniger fossile Energie zu verbrauchen und in klimafreundliche Technologien zu investieren.

Seit 2005 gilt das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS 1) für die Energiebranche und die Industrie. 2027 wird es durch das EU ETS 2 erweitert – dann müssen auch Anbieter von Heiz- und Kraftstoffen Zertifikate kaufen. Diese geben die Mehrkosten an Verbraucher weiter. Damit wird erstmals der gesamte Gebäudesektor und private Verkehr in die CO₂-Bepreisung einbezogen.

Deutschland als Vorreiter im nationalen CO₂-Preis

Deutschland hat den Prozess bereits 2021 mit dem nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) eingeleitet. Schon heute zahlen Verbraucher beim Tanken und Heizen einen Aufschlag für den CO₂-Ausstoß. Aktuell liegt der nationale CO₂-Preis bei rund 45 Euro pro Tonne, ab 2026 soll er schrittweise auf bis zu 65 Euro steigen. Mit dem Übergang zum europäischen System könnten die Preise jedoch deutlich höher klettern – Prognosen reichen bis zu 160 Euro pro Tonne CO₂.

Was bedeutet das konkret für deutsche Haushalte?

Die Auswirkungen auf die Haushalte sind erheblich. Laut aktuellen Analysen können zusätzliche Heiz- und Kraftstoffkosten zwischen 500 und 1.000 Euro jährlich betragen – abhängig vom Energieverbrauch und Heizsystem. Besonders betroffen sind Haushalte, die mit Gas oder Heizöl heizen, und Familien mit hohem Pendelaufwand.

Beispielrechnung: Heizöl und Gas

EnergiequelleAktueller Preis (2025)Erwarteter Aufschlag durch CO₂-Preis (ab 2027)Mehrkosten pro Jahr (Ø-Haushalt)
Heizölca. 1,05 €/l+0,15 € bis +0,30 €+500 – 900 €
Erdgasca. 11 ct/kWh+2 – 4 ct+350 – 600 €
Benzinca. 1,80 €/l+0,10 – 0,25 €+200 – 400 €

Besonders vulnerable Gruppen

Laut einer Studie des Öko-Instituts gelten rund drei Millionen deutsche Haushalte als „energiearm“. Sie sind besonders anfällig für steigende Heizkosten, da sie oft in älteren, schlecht gedämmten Gebäuden wohnen oder keine Möglichkeit zum Wechsel auf klimafreundlichere Heizsysteme haben. Auch Mieterinnen und Mieter sind betroffen, wenn Vermieter die höheren Kosten über Nebenkosten weitergeben.

Die Bundesregierung versucht, über das sogenannte CO₂-Kostenaufteilungsgesetz eine gerechtere Verteilung zu schaffen: Vermieter sollen je nach energetischem Zustand ihrer Gebäude künftig einen Teil der CO₂-Kosten übernehmen. Das entlastet vor allem Mieter in unsanierten Altbauten.

Informationslücke bei Verbrauchern

Eine Umfrage aus dem Frühjahr 2025 zeigt, dass viele Menschen in Deutschland gar nicht wissen, welche Mehrkosten auf sie zukommen. Rund 25 Prozent der Befragten gaben an, noch nie vom EU ETS 2 gehört zu haben. Nur wenige konnten die finanziellen Folgen einschätzen. Ein Experte kommentierte: „Die meisten sind auf diese Preise nicht vorbereitet.“

Warum wissen viele Haushalte in Deutschland nicht, wie der CO₂-Preis ihre Kosten beeinflusst?

Die Informationspolitik zu CO₂-Bepreisung und Emissionshandel gilt als unzureichend. Viele Haushalte beschäftigen sich erst dann mit der Thematik, wenn sich Rechnungen spürbar erhöhen. Fachleute fordern deshalb eine stärkere Aufklärung, transparente Kommunikation und vor allem soziale Ausgleichsmechanismen, damit der Klimaschutz gesellschaftlich akzeptiert bleibt.

Soziale Gerechtigkeit als Knackpunkt

Ohne gezielte Entlastung könnte die CO₂-Bepreisung zu einer sozialen Schieflage führen. Studien warnen, dass einkommensschwache Haushalte überproportional belastet werden, da sie einen größeren Teil ihres Budgets für Energie ausgeben. Gleichzeitig haben sie weniger Spielraum, um auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen – etwa auf Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge.

Wie stark werden die Kosten für Haushalte im Gebäudebereich jährlich steigen?

Die Schätzungen variieren. Im ungünstigsten Fall – bei CO₂-Preisen über 150 Euro pro Tonne – könnten Gasheizungen um bis zu 40 Prozent teurer werden. Ölbasierte Heizsysteme sogar noch stärker. Selbst moderate Szenarien führen zu spürbaren Preissteigerungen, die sich direkt auf die Nebenkostenabrechnung auswirken werden.

Das „Klimageld“ – eine noch offene Entlastungsoption

Ein zentraler Baustein der geplanten sozialen Kompensation ist das sogenannte Klimageld. Die Idee: Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen pro Kopf an Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. Schätzungen zufolge könnten das zwischen 100 und 300 Euro jährlich sein. Bisher wurde das Konzept jedoch noch nicht umgesetzt – auch, weil die technische Infrastruktur für die Auszahlung fehlt.

Ökonomische und gesellschaftliche Nebenwirkungen

Die steigenden CO₂-Preise wirken sich nicht nur direkt auf Heiz- und Kraftstoffkosten aus. Sie führen auch zu einer allgemeinen Verteuerung vieler Güter und Dienstleistungen – ein Effekt, der in Fachkreisen als „Carbonflation“ bezeichnet wird. Höhere Transport- und Produktionskosten erhöhen langfristig die Inflation, was wiederum die Kaufkraft schwächt.

Carbonflation und ihre Folgen

  • Steigende Produktionskosten erhöhen Preise für Konsumgüter.
  • Transportunternehmen geben höhere Dieselpreise weiter.
  • Inflationsdruck trifft besonders Haushalte mit geringem Einkommen.

Wer trägt die höheren Kosten durch den CO₂-Preis – Vermieter oder Mieter?

Die CO₂-Kosten werden grundsätzlich auf den Endverbraucher umgelegt, also auf den Energieverbrauch. Bei Mietwohnungen müssen laut Gesetz künftig auch Vermieter einen Teil der Kosten tragen, wenn das Gebäude energetisch schlecht gedämmt ist. In energieeffizienten Häusern tragen Mieter die Kosten überwiegend selbst. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, in Sanierungen zu investieren.

Wie sich die Einnahmen aus dem Emissionshandel verteilen

Im Jahr 2024 erzielte Deutschland rund 18,5 Milliarden Euro aus Emissionszertifikaten – davon etwa 13 Milliarden Euro aus dem nationalen Handelssystem für Heiz- und Kraftstoffe. Diese Mittel fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Finanziert werden daraus unter anderem Programme für Gebäudesanierung, Elektromobilität und Industrieprojekte. Kritiker bemängeln allerdings, dass bisher zu wenig Mittel direkt bei den Bürgern ankommen.

Wo fließen die Einnahmen aus dem CO₂-Preis hin – und wie könnten Haushalte profitieren?

Haushalte profitieren indirekt, etwa durch Förderprogramme für Heizungstausch, Wärmedämmung oder den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Eine direkte Rückvergütung wäre jedoch effektiver, um soziale Akzeptanz zu sichern. Das Klimageld gilt daher als Schlüsselprojekt, um die Balance zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zu halten.

Die Debatte in sozialen Medien

In Foren und sozialen Netzwerken zeigt sich zunehmend Unmut über die erwarteten Preissteigerungen. Auf Reddit und X (ehemals Twitter) warnen Nutzer vor „CO₂-Preisen von 200 bis 300 Euro pro Tonne“ und rechnen vor, dass sich Heizöl um bis zu 80 Cent pro Liter verteuern könnte. Andere beklagen, dass die Politik zwar von Klimaschutz spricht, aber zu wenig über soziale Härten und Energiearmut.

„The EU’s detrimental Net Zero policies are expected to spiral ordinary people into poverty,“ schrieb eine Nutzerin auf Twitter – ein Statement, das die wachsende Skepsis vieler Bürger widerspiegelt.

Öffentliche Wahrnehmung: Zwischen Akzeptanz und Angst

Während Klimaschützer die Ausweitung des Emissionshandels als unverzichtbar für die Energiewende sehen, wächst in der Bevölkerung die Sorge vor unbezahlbarer Energie. Eine ausgewogene Kommunikation über Nutzen, Kosten und Ausgleichsmechanismen wird daher entscheidend sein, um das Vertrauen in die Klimapolitik zu erhalten.

Welche Haushaltsgruppen werden besonders belastet?

Am stärksten betroffen sind laut aktuellen Analysen:

  • Haushalte mit fossilen Heizsystemen (Öl, Gas)
  • Pendler mit hohem Kraftstoffverbrauch
  • Mieter in schlecht isolierten Gebäuden
  • Haushalte mit mittlerem Einkommen, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben

Was können Haushalte jetzt tun?

Wer die finanziellen Folgen abmildern will, kann frühzeitig handeln: durch Anbieterwechsel, energetische Sanierung oder Investition in sparsamere Heiztechnologien. Auch der Umstieg auf Wärmepumpen oder Solarthermie wird staatlich gefördert. Zudem lohnt es sich, Förderportale zu prüfen und den eigenen Energieverbrauch regelmäßig zu analysieren.

Langfristige Perspektive

Der Emissionshandel ist ein zentrales Instrument auf dem Weg zur Klimaneutralität. Doch er verlangt soziale Begleitpolitik. Ohne gerechte Lastenverteilung drohen Akzeptanzprobleme – und damit das Scheitern einer zentralen Säule der europäischen Klimastrategie. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Politik und Gesellschaft diesen Balanceakt meistern können.

Ein Ausblick auf die kommenden Jahre

Mit dem Start des EU ETS 2 ab 2027 steht Deutschland vor einer entscheidenden Phase. Der CO₂-Preis wird weiter steigen, die Belastung für Haushalte spürbar. Gleichzeitig eröffnen sich Chancen: Investitionen in Wärmepumpen, Gebäudesanierungen und grüne Technologien können langfristig Kosten senken und das Klima schützen. Der Erfolg hängt davon ab, ob die Bundesregierung die soziale Dimension des Klimaschutzes ernst nimmt – und ob Bürgerinnen und Bürger rechtzeitig informiert und unterstützt werden.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.