
Was wie ein düsteres Drehbuch klingt, ist für Tanja Makarić seit Jahren bittere Realität. Die Influencerin und ehemalige Spitzensportlerin spricht erstmals öffentlich über jahrelanges Cyberstalking, Erpressung mit intimen Aufnahmen und die tiefgreifenden Folgen auf ihr Leben. Ihre Geschichte steht exemplarisch für ein gesellschaftliches Problem, das noch immer unterschätzt wird – obwohl Tausende betroffen sind.
Vom Leistungssport zur Öffentlichkeit – Wer ist Tanja Makarić?
Tanja Makarić war in ihrer Jugend eine vielversprechende Leistungsschwimmerin. Zweifache Deutsche Jahrgangsmeisterin im Jahr 2012, ehrgeizig, diszipliniert – ein Vorbild. Später entschied sie sich für eine Laufbahn als Influencerin und Fitness-Coachin und gewann über 600.000 Follower auf Instagram. Viele kannten sie als sportlich, inspirierend und charismatisch – bis plötzlich ein Schatten über ihr digitales Leben fiel.
Makarić wurde über Jahre von einem Mann gestalkt, bedroht und schließlich mit einem intimen Video erpresst, das ohne ihr Wissen aufgenommen und veröffentlicht wurde. Die betroffene Frau schwieg lange – doch nun bricht sie ihr Schweigen. Nicht nur, um aufzuklären, sondern auch, um andere Betroffene zu ermutigen, sich zu wehren.
Cyberstalking – Was bedeutet das konkret?
Cyberstalking ist eine Form digitaler Gewalt. Täter überwachen, bedrohen oder verfolgen ihre Opfer über soziale Medien, Messenger oder andere digitale Kanäle. Dabei kommen oftmals gefälschte Accounts zum Einsatz. Was harmlos beginnt – etwa durch Likes oder Nachrichten – kann in gezielter Kontrolle, Drohungen oder psychischer Zersetzung münden.
Die Dynamik hinter Cyberstalking
In etwa 60 Prozent der Fälle besteht eine vorherige persönliche Beziehung zwischen Täter und Opfer. Auch bei Tanja Makarić war dies offenbar der Fall. Der Täter wusste, wo sie wohnte, stand vor ihrer Tür, warf Gegenstände und setzte sie massiv unter Druck. Das Schlafzimmer-Video, das er in Umlauf brachte, diente ihm als Mittel zur Kontrolle und Erpressung.
„Ich war über Jahre hinweg in ständiger Angst“, erklärte Makarić öffentlich. „Ich habe mich kaum getraut, meine Wohnung zu verlassen. Ich hatte das Gefühl, niemandem mehr trauen zu können.“
Psychische Folgen: Wenn Angst zum Dauerzustand wird
Die psychischen Auswirkungen von Cyberstalking sind tiefgreifend. Opfer berichten von Schlafstörungen, Panikattacken, depressiven Episoden und einem zunehmenden Rückzug aus dem sozialen Leben. Der Kontrollverlust, insbesondere durch die Veröffentlichung intimer Aufnahmen, ist traumatisch.
Welche psychischen Folgen haben Opfer von Cyberstalking typischerweise?
- Angstzustände und Paranoia
- Vertrauensverlust gegenüber Freunden und Familie
- Chronische Schlaflosigkeit
- Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
- Soziale Isolation
Besonders schlimm wird es, wenn der Täter über Jahre hinweg präsent bleibt – wie in Makarićs Fall. Die digitale Bedrohung ist unsichtbar, aber allgegenwärtig. Jeder neue Kommentar, jede neue Nachricht kann der nächste Angriff sein.
Das Recht hinkt hinterher – juristische Grauzonen in Deutschland
Auch wenn Cyberstalking strafbar ist, bleibt die Durchsetzung oft schwierig. Die Polizeiliche Kriminalstatistik zählt jährlich etwa 20.000 gemeldete Fälle. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Die Zahl der Verurteilungen ist jedoch erschreckend gering: Im Jahr 2019 wurden lediglich 576 Personen in Deutschland wegen Nachstellung verurteilt – ein Bruchteil im Verhältnis zur Fallzahl.
Was darf ich bei Veröffentlichung eines intimen Videos rechtlich tun?
Betroffene können zivilrechtlich Unterlassung, Löschung und Schadensersatz verlangen. Strafrechtlich ist das Verbreiten intimer Inhalte ohne Zustimmung ein klarer Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht, unter Umständen auch sexuelle Nötigung, Erpressung oder Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs.
Typische Rechtsverstöße im Zusammenhang mit Cyberstalking:
Verstoß | Rechtslage in Deutschland |
---|---|
Veröffentlichung intimer Inhalte | § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs) |
Erpressung mit Video | § 253 StGB (Erpressung) |
Stalking/Verfolgung | § 238 StGB (Nachstellung) |
Wie Tanja Makarić reagiert hat
Makarić hat den Täter angezeigt und vor Gericht gebracht. Dennoch dauerte es Jahre, bis sie an die Öffentlichkeit ging. Zu groß war ihre Angst, durch ihr Statement weitere Aufmerksamkeit auf das Video zu lenken. Ihre Strategie: Rückzug, Schweigen, Aushalten. Doch nun tritt sie hervor und sagt klar: „Ich will nicht mehr Opfer sein.“
Ihr offener Umgang soll anderen Mut machen – und auf die Missstände im Umgang mit digitaler Gewalt aufmerksam machen.
Digitale Selbstverteidigung: Was kann ich als Betroffene*r tun?
Wie verhindere ich, dass meine Social‑Media-Daten für Stalking genutzt werden?
Eine effektive Selbstverteidigung im Netz beginnt mit digitaler Hygiene:
- Profile auf privat stellen
- Standortdaten deaktivieren
- Keine Reisedaten oder Wohnorte öffentlich posten
- Zwei-Faktor-Authentifizierung aktivieren
- Regelmäßige Passwortänderungen
Welche Sofortmaßnahmen helfen bei akuter Stalking-Bedrohung?
- Beweise sichern (Screenshots, Nachrichten, IP-Adressen)
- Dem Täter einmalig klar mitteilen: „Kein Kontakt“
- Danach alle Kanäle blockieren
- Plattformen informieren
- Polizei einschalten
- Sich an eine Beratungsstelle wenden
Gesellschaftlicher Umgang mit Opfern – Zwischen Sensation und Schweigen
Als Makarićs Geschichte öffentlich wurde, folgte ein Shitstorm. In sozialen Netzwerken wurde über das Video spekuliert, sie wurde sexualisiert und teils diffamiert. Viele User wollten wissen, ob ein bekannter Fußballspieler im Video zu sehen sei. Die Reaktionen zeigen, wie sehr Betroffene nicht nur unter der Tat, sondern auch unter gesellschaftlicher Vorverurteilung leiden.
„Manche Menschen haben mir unterstellt, ich hätte das Video selbst veröffentlicht“, sagt Makarić. „Das hat mich fast genauso fertiggemacht wie die Tat selbst.“
Cyberstalking als unterschätztes Massenphänomen
Die Forschung zeigt: Influencerinnen wie Makarić sind besonders gefährdet. Ihre Sichtbarkeit macht sie angreifbar – besonders für Menschen mit narzisstischen oder obsessiven Persönlichkeitsstrukturen. Die Täter versuchen durch Kontrolle, Macht über die Person zu gewinnen.
Eine aktuelle Studie unter Jugendlichen und Erwachsenen weist auf hohe Betroffenenzahlen und unzureichende Schutzmaßnahmen hin. Gleichzeitig wünschen sich Betroffene mehr gesellschaftliche Unterstützung, einfühlsame Berichterstattung und konkrete Hilfsangebote.
Abschließende Gedanken
Tanja Makarićs Geschichte ist schockierend – aber leider kein Einzelfall. Sie steht für Tausende von Betroffenen, deren Leben durch digitale Gewalt aus den Fugen geraten ist. Ihre Entscheidung, sich nicht mehr zu verstecken, verdient Respekt – und sie macht deutlich: Die Zeit des Schweigens muss vorbei sein.
Was es jetzt braucht, ist ein gesellschaftliches und rechtliches Umdenken. Opfer müssen ernst genommen, Täter konsequent verfolgt, Plattformen in die Pflicht genommen werden. Denn Stalking beginnt nicht erst im echten Leben – sondern oft mit einem Klick.