
Berlin, 16. Juni 2025, 09:30 Uhr
Die Faszination rund um Künstliche Intelligenz (KI) ist ungebrochen. Systeme wie ChatGPT, DALL·E oder Gemini gelten als Meilensteine technologischer Entwicklung. Doch mit der wachsenden Verbreitung von KI-Anwendungen geht ein Problem einher, das bislang viel zu wenig Beachtung findet: der immense Energieverbrauch und die damit verbundenen CO₂-Emissionen. Eine zunehmende Zahl an Studien und Berichten weist darauf hin, dass der ökologische Fußabdruck von KI rasant wächst – mit weitreichenden Folgen für Klima und Umwelt.
Der Stromhunger von ChatGPT & Co.
Eine einfache Anfrage an ein KI-Modell wie ChatGPT mag harmlos wirken. Doch tatsächlich verbraucht eine einzelne Textabfrage durchschnittlich rund 0,34 Wattstunden (Wh) Strom – das entspricht dem Betrieb einer LED-Lampe für mehrere Minuten. In CO₂-Äquivalenten bedeutet dies 2 bis 5 Gramm pro Anfrage. Rechnet man dies auf Milliarden täglicher Anfragen weltweit hoch, entsteht ein erheblicher CO₂-Ausstoß, der sich nicht mehr ignorieren lässt.
Besonders energieintensiv ist jedoch nicht nur die Nutzung, sondern auch das Training der Modelle. Die Entwicklung von GPT-3, einem der bislang größten Sprachmodelle, verschlang schätzungsweise 1.287 Megawattstunden (MWh) Strom – genug, um rund 120 deutsche Haushalte ein ganzes Jahr mit Energie zu versorgen. Dabei entstanden rund 500 Tonnen CO₂, ohne dass eine einzige Nutzungsanfrage gestellt wurde.
Das System hinter der Maschine: Rechenzentren und ihre Rolle
KI-Modelle existieren nicht im luftleeren Raum – sie benötigen eine riesige Infrastruktur, um funktionieren zu können. Im Zentrum stehen die sogenannten Rechenzentren. Weltweit verbrauchten diese allein im Jahr 2022 rund 460 Terawattstunden (TWh) Strom – das entspricht in etwa dem Jahresverbrauch eines ganzen Landes wie Saudi-Arabien. Und dieser Verbrauch steigt rapide: Bis 2026 könnte sich der Bedarf auf über 1.050 TWh pro Jahr mehr als verdoppeln.
Ein weiterer oft übersehener Aspekt ist der Wasserverbrauch dieser Einrichtungen. Für die Kühlung eines Rechenzentrums werden durchschnittlich zwei Liter Wasser pro Kilowattstunde benötigt. Prognosen zufolge könnte der weltweite Wasserverbrauch von KI-Infrastrukturen bis 2027 auf über 6,6 Milliarden Kubikmeter steigen. Angesichts zunehmender globaler Wasserknappheit stellt dies ein nicht zu unterschätzendes Problem dar.
Vergleich: Verbrauch im Überblick
Prozess | Stromverbrauch | CO₂-Ausstoß | Wasserbedarf |
---|---|---|---|
Einzelne ChatGPT-Abfrage | 0,34 Wh | 2–5 g | ~0,001 L |
Training GPT-3 | 1.287 MWh | 500 t | ~2,6 Mio. L |
Jährlicher Bedarf Rechenzentren (2022) | 460 TWh | ca. 200 Mio. t | ~920 Mio. m³ |
Prognose Bedarf Rechenzentren (2026) | 1.050 TWh | entsprechend steigend | ~2,1 Mrd. m³ |
Ein globales Problem: Die Emissionen der Tech-Konzerne
Große Technologiekonzerne wie Google, Microsoft oder OpenAI gelten als Vorreiter im KI-Bereich – und sind gleichzeitig große Energieverbraucher. So stiegen beispielsweise die CO₂-Emissionen von Google allein zwischen 2019 und 2023 um 48 %. Grund dafür: der kontinuierliche Ausbau von KI-Systemen und der Betrieb leistungsstarker Rechenzentren.
Die Tech-Industrie verursacht inzwischen zwischen zwei und vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen – und nähert sich damit dem Niveau des gesamten Flugverkehrs. Das Problem dabei: Die Emissionen wachsen schneller als die Gegenmaßnahmen wirken.
Die Debatte: Ist KI nachhaltig skalierbar?
Ein häufig genanntes Gegenargument lautet: „Aber eine Google-Suche verbraucht doch auch Energie!“ Richtig – doch die Dimensionen unterscheiden sich erheblich. Eine klassische Internetsuche verursacht etwa 0,3 g CO₂, eine einfache ChatGPT-Abfrage jedoch das bis zu 15-Fache.
Ein weiteres Problem ist das exponentielle Wachstum: Während der Trainingsaufwand einmalig hoch ist, steigt der Energiebedarf durch die laufende Nutzung („Inference“) mit jeder Abfrage weiter an. Mit jedem Einsatzbereich – sei es in Unternehmen, im Bildungsbereich oder im Alltag – vergrößert sich der ökologische Fußabdruck.
„KI hat das Potenzial, viele Probleme der Menschheit zu lösen – doch sie droht, dabei ein neues zu schaffen: den Klimakollaps.“
Technologische Lösungen und politische Maßnahmen
Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Viele Anbieter setzen zunehmend auf Rechenzentren, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden – etwa durch Windkraft, Geothermie oder sogar Kernenergie. Microsoft investiert in geothermische Tiefenbohrungen zur Kühlung seiner Anlagen, während Google auf KI-optimiertes Energiemanagement in Rechenzentren setzt.
Weitere Maßnahmen, die zur Reduktion beitragen können:
- Effizientere Modelle mit geringerer Rechenleistung
- Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren für Fernwärme
- Verbesserte Kühltechnologien zur Senkung des Wasserverbrauchs
- Verlagerung von Berechnungen in Zeiten mit hoher Verfügbarkeit von Ökostrom
Auf politischer Ebene fordern Umweltverbände und Wissenschaftler mehr Transparenz und Regulierungen. Denkbar wären etwa CO₂-Zertifikate für Rechenzentren, Berichtspflichten zur Energieeffizienz oder Anreize für klimafreundliche Hardware.
Was Nutzer tun können
Auch der individuelle Umgang mit KI kann einen Beitrag leisten. Wer KI nutzt, sollte sich der ökologischen Kosten bewusst sein – und sie gezielt und sparsam einsetzen. Folgende Tipps helfen beim bewussten Umgang:
- Unnötige KI-Abfragen vermeiden
- Leistungsintensive Bild- oder Videogenerierung nur bei echtem Bedarf nutzen
- KI-Anbieter bevorzugen, die transparent über ihren Energieeinsatz berichten
- Auf Browser-Erweiterungen verzichten, die KI dauerhaft im Hintergrund nutzen
Fazit: Fortschritt mit Verantwortung
Der Vormarsch Künstlicher Intelligenz ist unaufhaltsam – doch er darf nicht auf Kosten des Klimas erfolgen. Die rasante Zunahme des Energieverbrauchs und der CO₂-Emissionen durch KI-Systeme ist ein Weckruf für Politik, Industrie und Gesellschaft. Nur durch gemeinsame Anstrengungen, technologische Innovation und verantwortungsvolle Nutzung kann es gelingen, die Vorteile von KI zu nutzen, ohne dabei den Planeten zu gefährden.
Der Klimafußabdruck digitaler Technologien wird künftig ein entscheidender Faktor für deren gesellschaftliche Akzeptanz sein. Wer auf künstliche Intelligenz setzt, muss auch künstlich intelligente Lösungen für Nachhaltigkeit finden – und zwar jetzt.