
Berlin, 03. Juni 2025, 14:00 Uhr
Mit einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 3. Juni 2025 die Rechte von Bankkunden erneut gestärkt. Das Urteil betrifft Millionen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland, die in den vergangenen Jahren möglicherweise zu Unrecht Gebühren an ihre Banken gezahlt haben. Die Richter legten fest, dass diese Rückforderungen grundsätzlich innerhalb einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden können. Doch der Teufel steckt im Detail – und in der praktischen Umsetzung ergeben sich zahlreiche Fragen.
Unzulässige Gebührenerhöhungen: Die Vorgeschichte
Bereits im April 2021 hatte der BGH für Aufsehen gesorgt, als er sogenannte Zustimmungsfiktionsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken und Sparkassen für unwirksam erklärte. Diese Klauseln besagten, dass Änderungen von Kontoführungsgebühren automatisch als genehmigt gelten, sofern der Kunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht.
Das Gericht urteilte, dass diese Praxis Verbraucher unangemessen benachteilige und nicht mit den gesetzlichen Vorschriften vereinbar sei. In der Folge öffnete sich für viele Kunden die Möglichkeit, zu viel gezahlte Gebühren rückwirkend zurückzufordern. Was bis dahin als scheinbar legitime Geschäftspraxis galt, erwies sich plötzlich als rechtswidrig.
Neues Urteil regelt Verjährung
Mit dem aktuellen Urteil vom 3. Juni 2025 (Az. XI ZR 45/24) konkretisierte der BGH nun, ab wann die Verjährungsfrist für Rückforderungen beginnt – und entschied sich für einen strikten Maßstab: Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Rückforderungsanspruch entstanden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wann der Kunde von der Unwirksamkeit der Gebührenerhebung erfahren hat.
Der Hintergrund: Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen im Rahmen einer Musterfeststellungsklage gegen die Berliner Sparkasse. Der Verband vertrat die Auffassung, dass die Frist zur Rückforderung erst mit dem bahnbrechenden Urteil aus dem Jahr 2021 beginnen dürfe. Der BGH wies diese Auffassung zurück.
„Die Rechtslage war auch vor dem Urteil aus 2021 nicht unklar – Verbraucher hätten ihre Ansprüche bereits vorher durchsetzen können“, so die Richter in ihrer Begründung.
Wichtige Details zum Fristbeginn
Ein zentrales Element des Urteils ist der genaue Fristbeginn. Die Verjährungsfrist startet nicht etwa mit dem Tag der Gebührenerhebung oder dem BGH-Urteil aus 2021. Stattdessen ist ein anderer Faktor entscheidend: die sogenannte Saldobestätigung.
Nach gängiger Bankpraxis gilt ein Kontoauszug als vom Kunden genehmigt, wenn er nicht innerhalb von sechs Wochen widersprochen wird. Mit dieser stillschweigenden Bestätigung beginnt die dreijährige Frist – gerechnet ab dem Ende des entsprechenden Kalenderjahres. So ergibt sich beispielsweise für eine Gebühr aus März 2021, deren Kontoauszug im April genehmigt wurde, eine Verjährung zum 31. Dezember 2024.
Beispielrechnung zur Verjährung
Gebührenerhebung | Genehmigung (Saldobestätigung) | Beginn Verjährung | Verjährungseintritt |
---|---|---|---|
März 2021 | April 2021 | 01.01.2022 | 31.12.2024 |
Oktober 2020 | November 2020 | 01.01.2021 | 31.12.2023 |
Mai 2022 | Juni 2022 | 01.01.2023 | 31.12.2025 |
Verbraucherinteressen und Kritik am Urteil
Verbraucherschützer zeigten sich enttäuscht über die Entscheidung. Aus ihrer Sicht wird ignoriert, dass Millionen Verbraucher erst durch das BGH-Urteil aus dem Jahr 2021 überhaupt Kenntnis von den unzulässigen Gebührenerhöhungen erhielten. Viele Institute hatten die Zustimmungsfiktion zuvor jahrelang in ihren AGB verankert – und kaum ein Kunde dürfte deren rechtliche Bedeutung vollständig erfasst haben.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband argumentierte daher, dass die Frist zur Rückforderung ab dem 1. Januar 2022 beginnen müsste. Diese Sichtweise konnte sich jedoch nicht durchsetzen.
Banken zeigen sich wenig kooperativ
Ein weiteres Problem in der Praxis: Die Banken selbst begegnen Rückforderungsansprüchen ihrer Kunden häufig mit Zurückhaltung oder gar Drohungen. In mehreren bekannten Fällen, etwa bei der Volksbank Welzheim, wurde Kunden offen mit der Kündigung des Girokontos gedroht, sollten sie auf Rückerstattung bestehen. Andere Institute versuchen, Kulanzregelungen anzubieten, die einer Rückzahlung gleichkommen – jedoch nur, wenn Kunden auf weitere Ansprüche verzichten.
Solche Maßnahmen stehen in der Kritik. Sie schaffen ein Klima der Verunsicherung, das viele Kunden davon abhält, ihre Rechte wahrzunehmen. Dies zeigt sich auch in Zahlen.
Statistik: Nur wenige Kunden fordern Rückzahlung
Nach einer Erhebung des Vergleichsportals Verivox haben bislang lediglich rund 11 Prozent der betroffenen Bankkunden aktiv Rückforderungsansprüche geltend gemacht. Hauptgründe für die Zurückhaltung sind:
- Unkenntnis über die rechtliche Lage
- Aufwand und bürokratische Hürden
- Sorge vor Konsequenzen wie Kontokündigung
Das führt dazu, dass trotz hoher Summen potenzieller Rückforderungen nur ein kleiner Teil tatsächlich eingefordert wird – zur Freude der Banken.
Was sind eigentlich unzulässige Gebühren?
Grundsätzlich dürfen Banken keine Entgelte für Leistungen erheben, zu denen sie gesetzlich oder vertraglich ohnehin verpflichtet sind. Dazu zählen unter anderem:
- Bereitstellung von Kontoauszügen
- Ausführung von Überweisungen
- Bearbeitung von Lastschriften oder Daueraufträgen
Wird für solche Leistungen dennoch ein Entgelt erhoben, ist dies in der Regel unzulässig. Die Rechtsprechung hierzu ist mittlerweile eindeutig – trotzdem kommt es immer wieder zu Verstößen.
Empfehlungen für betroffene Verbraucher
Wer prüfen möchte, ob ihm eine Rückerstattung zusteht, sollte wie folgt vorgehen:
- Kontoauszüge der letzten Jahre sichten und Gebührenerhöhungen identifizieren
- Mit Hilfe von Musterbriefen eine schriftliche Rückforderung bei der Bank einreichen
- Fristgerechtes Handeln sicherstellen: Drei Jahre ab dem Jahresende der Genehmigung
Die Verbraucherzentralen bieten auf ihren Websites kostenlos Formulare und Hilfestellungen an. Wer sich unsicher fühlt oder auf Widerstand bei der Bank stößt, kann zudem rechtliche Beratung einholen.
Internationale Relevanz: Blick in die Schweiz
Das Urteil aus Karlsruhe wird auch im Ausland aufmerksam beobachtet. In der Schweiz etwa prüfen Experten, ob ähnliche Klauseln ebenfalls gegen geltendes Recht verstoßen könnten. Zwar gilt das Urteil des BGH formal nur für Deutschland, doch die Argumentation der Richter könnte Signalwirkung für vergleichbare Fälle im europäischen Ausland haben.
Dies zeigt: Die Frage nach rechtmäßigen Bankgebühren ist längst kein rein deutsches Thema mehr. Sie berührt grundlegende Fragen des Verbraucherschutzes im digitalen Bankwesen.
Fazit: Rechte nutzen, aber nicht zu lange warten
Das Urteil des Bundesgerichtshofs bringt Rechtssicherheit, aber auch neue Pflichten für Verbraucher. Wer zu Unrecht gezahlte Bankgebühren zurückfordern möchte, muss aktiv werden – und das innerhalb von drei Jahren. Dabei zählt nicht das Datum der Kenntnis, sondern die Genehmigung des Kontoauszugs.
Die gute Nachricht: Die Chancen auf Rückerstattung stehen grundsätzlich gut. Die schlechte: Banken versuchen teils aktiv, Rückforderungen zu verhindern. Verbraucher brauchen daher nicht nur juristische Klarheit, sondern auch Rückgrat und Unterstützung.
Für Millionen von Bankkunden gilt jetzt: Kontoauszüge prüfen, Fristen einhalten, Ansprüche geltend machen. Denn wer zu lange wartet, verliert womöglich bares Geld.