
Das Pentagon soll die Nutzung von US-ATACMS-Raketen durch die Ukraine gegen Ziele tief in Russland blockiert haben. Berichte zufolge wurde ein neues Genehmigungsverfahren eingeführt, das Angriffe faktisch unterbindet. Die Entscheidung wirft Fragen nach der politischen Strategie, der militärischen Wirkung und den Auswirkungen auf Friedensgespräche auf.
Einordnung der Entscheidung
Seit dem Frühjahr 2025 gibt es Hinweise, dass die USA den Einsatz von ATACMS durch die Ukraine erheblich eingeschränkt haben. Ein internes Prüfverfahren sorgt dafür, dass die ukrainischen Streitkräfte zwar Zugriff auf diese Waffensysteme haben, deren Einsatz gegen Ziele im russischen Kernland jedoch von höchster Stelle im Pentagon genehmigt werden muss. Praktisch bedeutet dies: Die Raketen stehen zwar im Arsenal, können aber nicht ohne ausdrückliche Zustimmung genutzt werden. Damit hat sich die Politik der USA erneut gewandelt – nachdem die Regierung unter Joe Biden im November 2024 noch grünes Licht für ATACMS-Schläge auf russisches Territorium gegeben hatte.
Hintergrund zu ATACMS
Die ATACMS („Army Tactical Missile System“) sind taktische ballistische Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Sie können mit unterschiedlichen Gefechtsköpfen ausgestattet werden und haben eine präzise Steuerung, die sowohl auf GPS als auch auf spezielle Navigationssoftware wie TERCOM zurückgreifen kann. Seit 1991 wurden sie in verschiedenen Konflikten eingesetzt. In der Ukraine kamen ATACMS erstmals im Jahr 2023 zum Einsatz, wobei sie sowohl gegen militärische Infrastruktur als auch gegen logistische Knotenpunkte genutzt wurden.
Das neue Genehmigungsverfahren
Auslöser der aktuellen Restriktionen war ein Mechanismus, der von Pentagon-Unterstaatssekretär Elbridge Colby entwickelt wurde. Demnach müssen sämtliche Angriffe, die über die ukrainischen Landesgrenzen hinausgehen, durch Verteidigungsminister Pete Hegseth persönlich bestätigt werden. Insider sprechen davon, dass in den vergangenen Monaten kein einziger Antrag genehmigt wurde. Damit ist die Blockade zwar nicht offiziell, wirkt aber faktisch wie ein Verbot.
Warum blockiert das Pentagon den Einsatz von ATACMS durch die Ukraine gegen Russland?
Offiziell heißt es, dass man eine weitere Eskalation des Konflikts vermeiden wolle. Außerdem wird argumentiert, dass eine Begrenzung der Angriffe Russland eher zu Friedensgesprächen bewegen könnte. Auch die Belastung der eigenen Munitionslagerbestände spielt eine Rolle. Kritiker sehen darin jedoch vor allem ein strategisches Zurückrudern, das die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine schwächt.
Politische und strategische Dimension
Die Entscheidung fällt in eine Zeit, in der die Ukraine weiterhin stark von westlichen Waffenlieferungen abhängig ist. Zahlreiche Experten warnen davor, dass die Blockade von ATACMS die militärische Balance zugunsten Russlands verschieben könnte. Der Atlantic Council etwa kritisiert, dass solche Zurückhaltung das Gegenteil dessen bewirken könnte, was offiziell beabsichtigt ist: Sie schwäche die Ukraine, während Russland weniger Anreiz habe, ernsthafte Friedensgespräche aufzunehmen.
Hat sich die US-Politik gegenüber ATACMS-Einsätzen verändert, verglichen mit der Biden-Regierung?
Ja, die US-Politik hat sich klar verändert. Während die Biden-Regierung Ende 2024 noch für begrenzte Einsätze grünes Licht gab, zeigt die neue Administration eine restriktivere Haltung. Präsident Donald Trump äußerte zwar mehrfach, dass die Ukraine „offensiv agieren können“ müsse, doch gleichzeitig wurde die tatsächliche Praxis durch das Pentagon verschärft.
Reaktionen aus der Ukraine
In Kiew sorgt die Entwicklung für erhebliche Irritation. Dort hatte man nach der Freigabe im Herbst 2024 damit gerechnet, die russischen Truppen durch gezielte Angriffe auf Nachschublinien im Hinterland unter Druck setzen zu können. Dass diese Option nun wieder eingeschränkt ist, wird als Rückschritt empfunden. In sozialen Medien machen Nutzer ihrem Ärger Luft. Auf Foren wie Reddit heißt es spöttisch, die USA würden die Ukraine „absichtlich mit Handicap spielen lassen“.
Gelten die Einschränkungen nur für ATACMS oder auch für andere Systeme wie Storm Shadow?
Die Regelungen betreffen nicht nur ATACMS, sondern auch andere Systeme, die auf US-Zieldaten angewiesen sind – darunter auch der britische Marschflugkörper Storm Shadow. Damit hat die Entscheidung des Pentagons eine deutlich größere Tragweite, als zunächst vermutet.
Technische Aspekte und offene Fragen
Einige Diskussionen in Fachforen drehen sich um die Frage, welche Art von Genehmigung technisch erforderlich ist. So wird spekuliert, dass die Ukraine nicht allein mit GPS-Daten operieren könne, sondern für den präzisen Einsatz von ATACMS Zugriff auf proprietäre US-Software wie TERCOM benötige. Das würde erklären, warum das Pentagon faktisch jeden Einsatz kontrollieren kann.
Wer ist verantwortlich für das Genehmigungsverfahren zur Freigabe von ATACMS?
Das Verfahren geht auf Elbridge Colby zurück, der es im Pentagon entwarf. Die letztendliche Entscheidung trifft Verteidigungsminister Pete Hegseth. Damit liegt die Verantwortung nicht bei taktischen Kommandeuren vor Ort, sondern in Washington auf höchster Ebene.
Kritik an den Restriktionen
Neben militärischen Erwägungen gibt es auch innenpolitische Dimensionen. Kritiker in den USA werfen der Regierung vor, mit der Blockade den Druck auf Russland künstlich zu verringern und damit die Ukraine in eine schwächere Verhandlungsposition zu bringen. NBC berichtete zudem, dass Hegseth Waffenlieferungen auch dann stoppte, wenn das Pentagon selbst bestätigt hatte, dass die US-Reserven dadurch nicht gefährdet würden.
Beeinflusst die Blockade von ATACMS-Angriffen die Lagerbestände der USA?
Ja, indirekt. Offiziell soll die Blockade helfen, die Bestände zu schonen. Gleichzeitig gab es aber Einschätzungen, dass selbst eine kontinuierliche Lieferung an die Ukraine keine Gefahr für die Einsatzbereitschaft der US-Armee darstellen würde. Insofern scheint die Sorge um die Lagerbestände eher ein politisches Argument zu sein.
Reaktionen in sozialen Medien
Während offizielle Stellen sich weitgehend bedeckt halten, ist die Diskussion in sozialen Medien lebhaft. Nutzer machen sich über die „Bürokratie der Kriegsführung“ lustig oder spekulieren, ob es sich nicht um einen Versuch handelt, den Krieg auf Sparflamme zu halten. Besonders häufig wird der Widerspruch zwischen den öffentlichen Aussagen des Präsidenten und der praktischen Umsetzung durch das Pentagon hervorgehoben.
Könnte US-Präsident Trump die Restriktionen jemals aufheben?
Darüber gibt es derzeit nur Spekulationen. Zwar hat Trump in Interviews betont, die Ukraine müsse in die Lage versetzt werden, „offensiv zu spielen“, doch gleichzeitig wird die restriktive Praxis von seiner Administration gestützt. Ein Kurswechsel ist daher unsicher.
Militärische Bedeutung von ATACMS
Um die Tragweite der Restriktionen zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Einsatzmöglichkeiten. ATACMS sind in der Lage, weit hinter die Front zu wirken und damit Nachschubwege, Munitionslager und Kommandoposten zu zerstören. Gerade für die Ukraine wäre dies ein entscheidender Vorteil, da Russland auf weiträumige Logistik angewiesen ist. Wird diese Option blockiert, ist die Ukraine gezwungen, mit kürzerreichenden Systemen zu operieren.
Seit wann darf die Ukraine keine ATACMS-Schläge auf russisches Territorium mehr durchführen?
Nach den Recherchen wurde die Einschränkung im späten Frühjahr 2025 eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt gibt es keine Berichte über genehmigte Angriffe tief im russischen Hinterland.
Die Frage möglicher Umgehungen
Trotz der Restriktionen gab es immer wieder Hinweise, dass in Grenzregionen wie Belgorod dennoch Angriffe mit ATACMS stattgefunden haben könnten. Ob es sich hierbei um Ausnahmegenehmigungen, eigenmächtige Einsätze oder schlicht Fehlinterpretationen handelt, bleibt unklar. Offiziell wird dies weder von Washington noch von Kiew bestätigt.
Tabellarischer Überblick: Entwicklung der US-Politik
Zeitraum | US-Politik gegenüber ATACMS |
---|---|
Frühjahr 2023 | Erste Lieferungen von ATACMS an die Ukraine, Einsatz gegen russische Ziele nahe der Front |
November 2024 | Biden erlaubt begrenzte Schläge auf russisches Territorium |
Frühjahr 2025 | Neues Genehmigungsverfahren blockiert faktisch alle Angriffe |
Sommer 2025 | Diskussionen über Eskalationsrisiken und Kritik an der Blockade werden lauter |
Ausblick
Die Restriktionen der USA gegenüber ATACMS-Einsätzen markieren einen deutlichen Kurswechsel in der westlichen Unterstützung für die Ukraine. Ob dieser Schritt tatsächlich dazu führt, dass Russland zu Friedensgesprächen bereit ist, bleibt zweifelhaft. Vielmehr verstärken sich die Stimmen, die darin eine Schwächung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit sehen. Auch die Glaubwürdigkeit der USA als verlässlicher Partner wird dadurch in Frage gestellt.
Am Ende bleibt offen, ob die Blockade nur eine temporäre Maßnahme darstellt oder zu einer dauerhaften Einschränkung wird. Klar ist jedoch, dass die Entscheidung unmittelbare Auswirkungen auf die militärische Lage in der Ukraine hat und gleichzeitig das geopolitische Kräfteverhältnis beeinflusst. Für die Ukraine bedeutet dies, dass sie sich noch stärker auf europäische Partner stützen muss – und für die USA, dass sie den Spagat zwischen Eskalationskontrolle und Bündnistreue bewältigen müssen.