
Die rechtliche Grundlage für den vom Jobcenter Dortmund gestarteten Zuschuss zum Autokauf beruht auf den Ermessensleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Genauer gesagt, auf § 16f SGB II in Verbindung mit § 44 SGB III. Demnach können Jobcenter Leistungen gewähren, die zur Eingliederung in Arbeit dienen – etwa Mobilitätshilfen. Es besteht jedoch kein genereller Anspruch. Vielmehr muss jeder Fall individuell geprüft und dokumentiert werden.
Gerichtliche Entscheidungen belegen, dass Zuschüsse oder Darlehen zum Fahrzeugkauf bereits in der Vergangenheit gewährt wurden, wenn ein nachweislicher Bedarf bestand. So urteilte das Sozialgericht Mainz, dass auch Reparaturkosten getragen werden müssen, wenn sie arbeitsplatzbezogen unvermeidlich sind. Ein weiteres Urteil des Landessozialgerichts verpflichtete ein Jobcenter sogar zur Zahlung eines 2.000-Euro-Darlehens, weil der individuelle Ermessensspielraum fehlerhaft angewendet worden war.
Die Bürgergeld-Verordnung bestätigt zudem, dass Fahrzeuge mit einem Marktwert bis etwa 15.000 Euro nicht als Vermögen angerechnet werden. Das bedeutet, dass Bürgergeld-Empfänger auch bisher schon im Besitz eines Autos sein durften – vorausgesetzt, dieses galt als „angemessen“.
Für die neue Maßnahme in Dortmund gilt: Der Antrag muss vor Anschaffung gestellt werden. Außerdem müssen ein unbefristeter Arbeitsvertrag sowie die Notwendigkeit der individuellen Mobilität glaubhaft belegt werden – etwa durch schlechte Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Zahlung erfolgt ausschließlich an Kfz-Händler oder Werkstätten als Sachleistung, nicht an die Antragsteller selbst.
Allerdings warnen Verwaltungsjuristen vor rechtlichen Gefahren. Denn: Fehlerhafte Ermessensentscheidungen können nicht nur Widersprüche und Klagen nach sich ziehen, sondern bergen auch Missbrauchspotenzial – etwa durch Scheinanstellungen oder falsche Mobilitätsangaben. Deshalb fordern Fachleute eine lückenlose Dokumentation, klar strukturierte Antragsverfahren und eine transparente Entscheidungsfindung.
Jobcenter-Modellprojekt: Bis zu 5000 Euro Bürgergeld-Zuschuss für Autokauf
Ein Pilotprojekt des Jobcenters Dortmund sorgt bundesweit für Aufsehen: Bürgergeldempfänger können unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 5.000 Euro Zuschuss für den Kauf eines Autos erhalten. Zusätzlich sind bis zu 3.000 Euro für einen Führerschein sowie 2.000 Euro für E-Bikes oder Motorroller möglich. Während die einen von einem längst überfälligen Schritt zur Arbeitsintegration sprechen, werfen Kritiker der Maßnahme Realitätsferne, Missbrauchsgefahr und soziale Ungerechtigkeit vor.
Einzelfallförderung für bessere Arbeitsmarktintegration
Das Modellprojekt in Dortmund ist seit dem 27. Mai 2025 aktiv. Es zielt darauf ab, Menschen im Bürgergeldbezug die Mobilität zu ermöglichen, die sie für eine berufliche Eingliederung benötigen. Das Jobcenter begründet die Maßnahme mit der eingeschränkten Verfügbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs, insbesondere für Schichtdienste, Jobs in der Pflege oder Lieferdienste in Randlagen und auf dem Land.
Der Zuschuss ist eine sogenannte Ermessensleistung. Das heißt: Es besteht kein Anspruch. Jeder Antrag wird individuell geprüft. Nur wer ein konkretes Arbeitsangebot vorweisen kann, dessen Arbeitsstelle mit dem ÖPNV nicht erreichbar ist, hat eine Chance. Der Zuschuss wird ausschließlich an den Fahrzeughändler gezahlt, nicht direkt an den Antragsteller. Laut Jobcenter erwartet man nur rund zehn bewilligte Fälle pro Jahr, also ein Fördervolumen von etwa 50.000 Euro jährlich.
Förderumfang: Was wird konkret finanziert?
- Bis zu 5.000 € für den Kauf eines Gebrauchtwagens, sofern dieser nachweislich zur Arbeitsaufnahme notwendig ist.
- Bis zu 3.000 € für die Erlangung des Führerscheins, wenn dieser Voraussetzung für ein konkretes Arbeitsangebot ist.
- Bis zu 2.000 € für E-Bikes oder Roller, sofern diese den Arbeitsweg erleichtern und der Pkw nicht erforderlich ist.
Die Fahrzeuge dürfen einen angemessenen Wert nicht überschreiten. Bereits bisher galt: Autos bis zu einem Marktwert von 15.000 Euro gelten als geschütztes Vermögen beim Bürgergeld – das ändert sich durch das Projekt nicht. Neu ist lediglich die Möglichkeit, den Erwerb mit Mitteln des Jobcenters zu unterstützen, wenn ein beruflicher Integrationsgrund vorliegt.
Kritik aus der Praxis: Missbrauchsgefahr und Systembelastung?
Die Reaktionen auf das Projekt fallen gespalten aus. In einem anonymen Interview äußerte ein Mitarbeiter des Jobcenters große Skepsis:
„Wir erleben tagtäglich Anträge, in denen Autos oder Reparaturen vorgeschoben werden. Wenn wir jetzt 5.000 Euro für Gebrauchtwagen ausloben, öffnen wir Betrügern Tür und Tor.“
Auch in sozialen Medien und Leserkommentaren ist der Ton kritisch. Viele Menschen äußern Unverständnis darüber, dass Empfänger von Bürgergeld eine finanzielle Unterstützung für den Autokauf erhalten könnten, während andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf eigene Kosten pendeln müssten. Besonders empört zeigt sich ein Teil der Bevölkerung über die Möglichkeit, dass Bürgergeldbezieher ein Fahrzeug erhalten könnten, das besser ist als das eigene.
Gegenpositionen: Förderung statt Abhängigkeit
Andere Stimmen betonen, dass der Zuschuss kein Geschenk sei, sondern eine Investition in Selbstständigkeit und Eigenverantwortung. SPD-Politiker Jens Peick erklärte, dass es sich nicht um eine Regelmaßnahme handle, sondern um eine gezielte und kontrollierte Einzelfallförderung. Ziel sei es, Menschen aus der Transferabhängigkeit herauszuführen. Der Zuschuss wird zudem direkt an den Autohändler ausgezahlt – ein Schritt, der Missbrauch verhindern soll.
Ein häufig genanntes Argument für die Maßnahme ist die eingeschränkte Verfügbarkeit von öffentlichem Nahverkehr. In vielen Regionen sei es schlicht nicht möglich, frühmorgens oder spätabends mit Bus oder Bahn zur Arbeit zu gelangen. Gerade Jobs mit atypischen Arbeitszeiten, etwa in der Pflege oder im Handwerk, seien auf individuelle Mobilität angewiesen.
Mobilität im ländlichen Raum: eine strukturelle Herausforderung
Statistiken zeigen, dass rund 48 % der Bürgergeld-Empfänger vergünstigte oder kostenlose ÖPNV-Angebote nutzen können. Doch diese beziehen sich meist auf städtische Gebiete mit ausgebauter Infrastruktur. Im ländlichen Raum – wo viele günstige Wohnlagen liegen – sind Verbindungen oft spärlich, unregelmäßig oder in Randzeiten gar nicht vorhanden. Der Ruf nach flexibleren Lösungen wächst daher schon länger.
Bereits die 9-Euro-Ticket-Aktion 2022 hatte gezeigt, dass günstige ÖPNV-Angebote nicht zwangsläufig zur umfassenden Mobilitätswende führen. Studien zeigen, dass nur ein Teil der Bevölkerung den öffentlichen Verkehr überhaupt nutzen kann. Besonders Menschen in Randlagen oder mit Mobilitätseinschränkungen bleiben häufig außen vor.
Internationale Perspektiven und alternative Modelle
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass andere Länder Mobilität ebenfalls aktiv fördern – aber mit teils anderen Mitteln. In Frankreich und den Niederlanden gibt es Sozialleasing-Modelle, bei denen Elektrofahrzeuge für kleines Geld bereitgestellt werden. Diese Modelle setzen auf Langzeitmiete statt Eigentum und kombinieren Umweltziele mit sozialer Teilhabe.
Eine Studie der Universität Hamburg zeigt, dass staatliche Prämien einen starken Einfluss auf die Elektromobilität haben. Eine 1.000-Euro-Prämie erhöht die Wahrscheinlichkeit eines E-Auto-Kaufs um 1,2 %, bei 9.000 € Zuschuss sind bis zu 20 % mehr E-Auto-Anteile möglich. Dennoch profitieren davon häufig Besserverdienende, da der Eigenanteil hoch bleibt. Das Dortmunder Modell setzt genau hier an – indem der Zuschuss einkommensschwachen Haushalten gezielt hilft.
Zusätzliche Impulse durch städtische Infrastrukturpolitik
Forschungsprojekte aus Berlin zeigen, dass finanzielle Zuschüsse zwar wirken, aber noch effektiver sind, wenn sie mit nicht-finanziellen Anreizen kombiniert werden. Beispiele dafür sind emissionsfreie Zonen, bevorzugte Parkflächen für E-Autos oder Mobilitätszentren mit Ladeinfrastruktur. Diese urbanen Ansätze könnten die Wirkung solcher Förderprogramme verstärken.
Verwaltungsrealität: Aufwand und Kontrolle
Die Verwaltung des Dortmunder Programms erfolgt auf Einzelfallbasis. Die Sachbearbeitung prüft sowohl die Notwendigkeit als auch die Wirtschaftlichkeit des beantragten Fahrzeugs. Zudem müssen Anträge mit einem konkreten Beschäftigungsangebot verbunden sein. Das bedeutet: Wer keinen nachweisbaren Job in Aussicht hat, erhält keine Förderung.
Die Zahlung erfolgt direkt an Kfz-Händler, was Korruption und Mittelverwendung außerhalb des vorgesehenen Zwecks verhindern soll. Dennoch bleibt die Frage, wie aufwendig die Kontrolle in der Praxis ist – insbesondere bei einem möglichen Ausbau auf andere Städte.
Fazit: Modell mit Potenzial – aber auch Risiken
Das Dortmunder Modellprojekt zeigt eindrucksvoll, wie sozialpolitische Maßnahmen konkret ausgestaltet werden können, um Bürgergeldempfängern eine faire Chance auf berufliche Teilhabe zu geben. Es erkennt Mobilität als Schlüsselfaktor der Integration an – besonders in Regionen, in denen Bus und Bahn keine Alternative bieten.
Gleichzeitig wirft das Projekt Fragen auf: nach der Gerechtigkeit im Sozialsystem, nach der Effizienz öffentlicher Ausgaben und nach der Übertragbarkeit solcher Maßnahmen auf andere Städte. Die öffentliche Debatte wird nicht nur emotional, sondern auch ideologisch geführt. Zwischen Eigenverantwortung und Fürsorgepflicht bleibt die Balance eine Herausforderung.
Ob sich der Modellversuch langfristig bewährt, hängt nicht nur von Einzelfällen ab, sondern auch von einer transparenten Evaluation, klaren Regeln zur Mittelvergabe und einer flächendeckenden Diskussion über Mobilität in einem sozial gerechten Staat.