37 views 8 mins 0 comments

Woran man erkennt, ob jemand „alt“ mit dem Smartphone umgeht

In Lifestyle
Juni 26, 2025
Wie alt bist du

Die Frage, ob bestimmte Smartphone-Gewohnheiten Rückschlüsse auf das Alter zulassen, sorgt in sozialen Netzwerken regelmäßig für hitzige Diskussionen. Während jüngere NutzerInnen sich über Klapphüllen, laute Klingeltöne oder das Scrollen mit dem Zeigefinger amüsieren, halten ältere Generationen dagegen, dass viele jüngere Menschen sich ständig von Push-Nachrichten und sozialen Medien dominieren lassen. Doch was sagt die Forschung? Welche Verhaltensweisen sind tatsächlich altersbedingt – und welche über Generationen hinweg verbreitet?

Smartphone-Nutzung im Generationenvergleich

Zahlreiche Studien belegen, dass die Art und Weise, wie Menschen Smartphones nutzen, tatsächlich je nach Altersgruppe stark variiert. Jugendliche und junge Erwachsene der sogenannten Gen Z (ca. 16–29 Jahre) verbringen durchschnittlich über 180 Minuten täglich am Handy. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es rund 158 Minuten, bei den 50- bis 64-Jährigen 148 Minuten. Menschen über 65 nutzen ihr Gerät im Durchschnitt nur 96 Minuten pro Tag. Doch der Unterschied liegt nicht nur in der Nutzungsdauer.

Während junge Nutzer:innen viele kurze, fragmentierte Nutzungssitzungen haben – oft unterbrochen von Push-Nachrichten – tendieren ältere Personen zu längeren, dafür gezielteren Sessions. Dabei wird das Smartphone häufiger für konkrete Zwecke genutzt, etwa zur Informationsbeschaffung oder Kommunikation mit Familie und Freunden.

Merkmale “alten” Verhaltens: Mehr als Klapphüllen

In sozialen Medien kursieren stereotype Aussagen wie: „Wer sein Handy mit zwei Händen hält, ist alt“, oder: „Wenn du dein Smartphone laut klingeln lässt, bist du alt.“ Solche Beobachtungen mögen humorvoll gemeint sein, treffen aber häufig ins Schwarze. In der Praxis zeigen sich einige typische Verhaltensmuster:

  • Nutzung von Klapphüllen mit Kartenfächern
  • Laut eingestellte Klingeltöne, oft klassische Melodien
  • Scrollen mit dem Zeigefinger statt mit dem Daumen
  • Verwendung von WhatsApp-Statusmeldungen
  • Vorzugsweise Kommunikation per Anruf statt Textnachricht

Diese Verhaltensweisen gelten in der Netzkultur oft als altmodisch. Dabei übersehen viele: Nicht nur Ältere zeigen stereotype Nutzungsmuster. Auch jüngere Generationen nutzen das Smartphone exzessiv – nur eben anders.

Phubbing: Generationenübergreifendes Phänomen

Ein besonders spannender Aspekt ist das sogenannte „Phubbing“ – die Angewohnheit, das Gegenüber zu ignorieren, weil man auf das Handy schaut. Ursprünglich bei jungen Nutzern beobachtet, zeigt sich mittlerweile: Auch Ältere phubben. Studien belegen, dass Menschen aller Altersgruppen in persönlichen Gesprächen regelmäßig zum Smartphone greifen, um Benachrichtigungen zu checken, Nachrichten zu lesen oder Social Media zu durchsuchen.

Interessant ist hierbei: Während junge Menschen eher dazu neigen, Phubbing als „normal“ oder sogar „sozial verträglich“ zu betrachten, empfinden Ältere es häufig als respektlos. In Interviews gaben Senior:innen an, sich durch das Verhalten ausgeschlossen oder missachtet zu fühlen. Dies erschwert intergenerationelle Kommunikation und verstärkt die Kluft zwischen den Altersgruppen.

Technologische Altersdiskriminierung

Ein oft übersehener Aspekt ist das sogenannte „sociotechnical ageism“. Damit wird beschrieben, dass digitale Technologien selten altersgerecht gestaltet sind. Ältere Menschen fühlen sich dadurch nicht selten wie „falsche“ Nutzer, obwohl sie funktionale Zugänge brauchen. Dies führt zu Unsicherheit, Frustration und im schlimmsten Fall zu einem Rückzug aus digitalen Räumen.

Designentscheidungen, etwa kleine Schriftgrößen, unübersichtliche Bedienmenüs oder übermäßige Personalisierung durch Algorithmen, erschweren es vielen älteren Menschen, ihre Geräte effizient zu nutzen. In der Folge bleibt der Zugang zu digitalen Netzwerken, Gesundheitsangeboten oder sozialer Teilhabe eingeschränkt.

Smartphone und Beziehung: Wenn Nähe verloren geht

Phubbing ist nicht nur eine Frage des Alters – es hat auch direkte Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Studien zeigen, dass ständiges Handy-Starren in Partnerschaften als respektlos und verletzend empfunden wird. Bis zu 42 % der befragten Paare berichteten von negativen Auswirkungen auf ihre Beziehung. Gefühle von Zurückweisung, Missachtung und verminderter Intimität sind häufig die Folge.

Auch am Arbeitsplatz kann „Boss Phubbing“ – also das Ignorieren von Mitarbeitern durch Vorgesetzte – zu vermindertem Vertrauen, geringerer Arbeitszufriedenheit und sogar sinkender Produktivität führen. In Familien führt sogenanntes „Parental Phubbing“ dazu, dass Kinder sich weniger beachtet fühlen, was langfristig zu emotionaler Entfremdung oder gesteigerter Smartphone-Abhängigkeit führen kann.

Kulturelle Perspektiven: Phubbing ist überall – aber anders

Internationale Studien zeigen, dass Phubbing weltweit verbreitet ist, aber kulturell unterschiedlich bewertet wird. In kollektivistisch geprägten Ländern wie Indien oder Venezuela wird das Verhalten eher als persönliche Kränkung empfunden („er achtet mich nicht“), während es in individualistischen Kulturen wie dem Vereinigten Königreich eher als unhöflich, aber normal betrachtet wird.

Die sogenannte „Apparatgeist“-Theorie beschreibt, dass Menschen auf der ganzen Welt ähnliche Nutzungsnormen entwickeln – etwa, das Handy auf dem Tisch liegen zu lassen, selbst wenn es nicht benutzt wird. Dennoch gibt es regionale Unterschiede: In China etwa ist es sozial akzeptiert, große Chatgruppen gleichzeitig zu bedienen; in westlichen Ländern gilt das häufig als unhöflich.

Psychologische Effekte: Von Sucht bis sozialer Isolation

Die psychologischen Effekte exzessiver Smartphone-Nutzung betreffen nicht nur junge Menschen. Auch ältere Generationen zeigen Tendenzen zu „Doomscrolling“, also dem endlosen Konsum negativer Inhalte. Dies kann zu Schlafstörungen, Stress und sogar depressiven Verstimmungen führen. Besonders gefährdet sind Nutzer, die durch Push-Nachrichten oder Benachrichtigungen ständig abgelenkt werden.

Ein zentrales Stichwort ist dabei „FoMO“ – die „Fear of Missing Out“. Wer ständig Angst hat, etwas zu verpassen, greift häufiger zum Handy, was wiederum zu kürzeren Aufmerksamkeitsspannen und Reizüberflutung führen kann. Dieser Effekt ist generationenübergreifend, betrifft aber insbesondere die Gruppe der Millennials und Gen Z.

Was bedeutet das für unsere digitale Zukunft?

Die Einteilung in „alt“ und „jung“ beim Smartphone-Verhalten ist oft oberflächlich und spiegelt eher kulturelle Erwartungen als tatsächliche Unterschiede. Zwar gibt es gewisse Nutzungsmuster, die mit dem Alter korrelieren – etwa die Bevorzugung von Anrufen bei Älteren oder der exzessive Gebrauch sozialer Netzwerke bei Jüngeren – doch viele Phänomene, wie etwa Phubbing oder Bildschirmzeit, ziehen sich durch alle Altersgruppen.

Was wir aus den Erkenntnissen lernen können:

  • Smartphone-Nutzung ist individuell, aber sozial geprägt.
  • Design muss alle Altersgruppen einbeziehen, um Exklusion zu vermeiden.
  • Bewusstsein für das eigene Verhalten ist wichtiger als Generationenzugehörigkeit.
  • Digitale Höflichkeit sollte generationsübergreifend thematisiert werden.

„Alt“ ist kein Nutzungsverhalten, sondern eine Sichtweise

Ob jemand mit dem Smartphone „alt“ wirkt, hängt weniger von der Techniknutzung ab als von der gesellschaftlichen Bewertung. Ein laut klingelndes Handy oder ein Gespräch mit Freisprecheinrichtung mag altmodisch erscheinen, doch exzessives Scrollen bei TikTok oder permanente Erreichbarkeit sind ebenso kritisch zu sehen. In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft liegt die Herausforderung darin, generationsübergreifende digitale Kompetenzen zu fördern – mit Achtsamkeit, gegenseitigem Respekt und einer bewusst gestalteten Smartphone-Kultur.

Avatar
Redaktion / Published posts: 1502

Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.