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Migration unerwünscht: Studie belegt das Europas Jugend den Glauben an die Demokratie verloren hat?

In Aktuelles
Juli 03, 2025
EU

Brüssel – Eine neue europäische Jugendstudie schlägt hohe Wellen: Nur knapp über die Hälfte der jungen Europäer bevorzugt die Demokratie gegenüber anderen Regierungsformen. Was bedeutet das für die Zukunft politischer Teilhabe und wie tief sitzt das Misstrauen? Eine tiefgehende Analyse zeigt überraschende Facetten – und macht Hoffnung auf einen differenzierten Blick.

Eine Zahl, die aufrüttelt: 57 Prozent für Demokratie

Die aktuelle Jugendstudie der TUI-Stiftung hat mit einem einzigen Wert eine europäische Debatte entfacht: Nur 57 Prozent der Befragten im Alter zwischen 16 und 26 Jahren gaben an, die Demokratie klar gegenüber anderen Staatsformen zu bevorzugen. Der Rest war entweder unentschieden, offen für autoritäre Alternativen oder lehnte das demokratische System gänzlich ab.

Besonders auffällig sind die nationalen Unterschiede: Während in Deutschland rund 71 Prozent der jungen Menschen die Demokratie klar befürworten, liegt dieser Wert in Polen bei lediglich 48 Prozent, in Frankreich nur unwesentlich höher. Was diese Zahl bedeutet, wird erst bei genauerer Betrachtung klar: Die Demokratie wird zwar nicht direkt abgelehnt – aber ihre Funktionalität wird zunehmend hinterfragt.

Ursachenforschung: Warum bröckelt das Vertrauen?

Sozio-ökonomischer Druck als Katalysator

Viele junge Europäer stehen unter einem spürbaren wirtschaftlichen Druck. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, steigende Wohnkosten, unsichere Zukunftsperspektiven: All das hat Auswirkungen auf das politische Vertrauen. Eine britische Jugendumfrage aus dem Frühjahr 2025 ergab, dass 37 Prozent der jungen Menschen finanzielle Sorgen als ihre größte Belastung ansehen – noch vor Klimawandel oder sozialen Konflikten.

Diese Unsicherheit wirkt sich direkt auf das Verhältnis zur Demokratie aus. Viele junge Menschen verbinden das politische System nicht mehr mit Gerechtigkeit oder sozialer Sicherheit, sondern mit Stillstand und Unfähigkeit zur Problemlösung. Wie ein Nutzer im Reddit-Forum r/europe schreibt: „Wenn du als junger Mensch keinen Wohnraum findest und drei Jobs brauchst, um über die Runden zu kommen, dann verlierst du den Glauben an die Wirksamkeit der Demokratie.“

Zur Studie: https://www.tui-stiftung.de/wp-content/uploads/2025/07/2025_v10_TUIStiftung_JungesEuropa-Doppelseiten.pdf

Bildung, Geschlecht, soziale Herkunft – ein gespaltenes Bild

Politische Einstellungen junger Menschen variieren stark je nach Bildung, Geschlecht und Herkunft. Während höhergebildete junge Erwachsene häufiger linksliberal eingestellt sind und Demokratie stärker befürworten, neigen junge Männer mit technisch-ökonomischem Hintergrund laut mehreren Forenanalysen eher zu autoritären Denkmodellen. Diese Polarisierung ist besonders stark in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien ausgeprägt.

Eine neue Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigte, dass sich viele junge Männer durch Gleichstellungspolitiken benachteiligt fühlen. In einem bemerkenswert offenen Kommentar schreibt ein User: „Es fühlt sich an, als gäbe es keinen Platz mehr für uns im öffentlichen Diskurs – kein Wunder, dass sich viele nach starker Führung sehnen.“

Soziale Medien und algorithmische Verzerrung

Ein bisher wenig beachteter Aspekt ist die Rolle von Plattformen wie TikTok, Twitter oder Instagram. Rechtspopulistische Inhalte verbreiten sich dort laut mehreren Untersuchungen schneller und stärker als demokratische oder linke Botschaften. Besonders junge Männer sind für solche Inhalte empfänglich. Das führt zu einer verstärkten Filterblasenbildung, in der antidemokratische Narrative kaum noch infrage gestellt werden.

Diese Dynamik wird zusätzlich dadurch verschärft, dass klassische politische Bildung auf sozialen Plattformen kaum eine Rolle spielt. Viele junge Menschen informieren sich ausschließlich online – und stoßen dort auf kurze, emotional aufgeladene Inhalte statt auf fundierte Diskurse. Der Effekt: Meinungen radikalisieren sich, Vertrauen in klassische Institutionen sinkt.

Autoritäre Tendenzen: Ein europäisches Phänomen?

Die Offenheit gegenüber autoritären Regierungsformen ist kein rein europäisches Phänomen. Eine internationale Umfrage der Open Society Foundations aus dem Jahr 2025 zeigte, dass weltweit rund 42 Prozent der jungen Erwachsenen eine Militärherrschaft als potenziell geeignete Regierungsform empfinden – ein drastisches Signal.

Auch in Europa spiegelt sich dieser Trend. Eine Umfrage von Channel 4 im Vereinigten Königreich zeigte, dass über die Hälfte der unter 30-Jährigen der Aussage zustimmen, dass „eine starke Führung ohne Parlament“ manchmal besser sei als das derzeitige System. Gleichzeitig wünscht sich ein Drittel sogar eine zeitweise Militärregierung – insbesondere in Zeiten großer Krisen.

Beispiel Frankreich: Zwischen Frust und Revolte

In Frankreich zeigt sich besonders deutlich, wie brüchig das Vertrauen junger Menschen in die Demokratie ist. Viele haben keine persönliche Erinnerung an autoritäre Systeme – und sehen die bestehende Ordnung vor allem als bürokratisch, langsam und wirtschaftsnah. Der Wunsch nach radikalem Wandel führt teils zu Sympathien für das rechtspopulistische Rassemblement National – teils aber auch zu linken Bewegungen, die direkte Demokratie fordern.

Die französische Tageszeitung „Le Monde“ berichtet, dass viele junge Menschen Demokratie als „leere Hülle“ wahrnehmen, der es an Handlungskraft fehlt. Auch in Schulen und Universitäten wird zunehmend diskutiert, wie politische Bildung gestärkt werden kann – etwa durch Projekte wie die „Ambassador Schools“ der EU.

Zwischen Aktivismus und Apathie: Wie politisch ist Europas Jugend?

Wählen ist nicht gleichbedeutend mit Vertrauen

Die Wahlbeteiligung unter jungen Menschen bleibt in vielen Ländern niedrig. Gleichzeitig engagieren sich viele in Protestbewegungen, Klimademos oder Online-Kampagnen. Diese Diskrepanz zeigt: Junge Menschen sind nicht unpolitisch – aber sie suchen andere Formen der Mitbestimmung.

Eine europaweite Studie zur politischen Teilhabe junger Erwachsener bestätigt diesen Befund: 55 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gaben an, sich regelmäßig über politische Themen zu informieren. Doch nur 33 Prozent halten Wahlen für das wichtigste politische Instrument. Stattdessen wünschen sie sich direktere Beteiligungsformen – etwa Bürgerforen oder Online-Abstimmungen.

„Wir sind nicht gegen Demokratie – wir glauben nur nicht, dass sie uns hilft“

Ein Zitat aus einer Reddit-Diskussion bringt die Stimmung vieler junger Menschen auf den Punkt: „Wir sind nicht gegen Demokratie – wir glauben nur nicht, dass sie uns hilft.“ Dieses Gefühl zieht sich durch viele Foren, Umfragen und Diskurse. Die politische Teilhabe wird nicht abgelehnt, sondern neu verhandelt. Das kann gefährlich sein – oder eine Chance darstellen.

Initiativen und Gegenbewegungen

Projekte der Europäischen Union

Die EU reagiert bereits auf den Vertrauensverlust mit gezielten Jugendprogrammen. Veranstaltungen wie das „European Youth Event“ oder die Initiative „Youth for Democracy“ sollen junge Menschen direkt an europäische Entscheidungsprozesse heranführen. Auch lokale Schulprojekte, etwa Debattenformate oder Simulationsparlamente, werden verstärkt gefördert.

Solche Maßnahmen zeigen Wirkung: In Ländern mit intensiverer politischer Bildung liegt die Zustimmung zur Demokratie signifikant höher. Deutschland gilt hier als Vorreiter, was sich in der überdurchschnittlichen Demokratiepräferenz seiner Jugend niederschlägt.

Zivilgesellschaftliche Organisationen

Auch außerhalb staatlicher Programme gibt es zahlreiche Bewegungen, die Demokratie stärken wollen. NGOs, Aktivistennetzwerke und Jugendparlamente arbeiten daran, politische Bildung neu zu denken – digital, kreativ und jugendnah. Dabei geht es nicht nur um Information, sondern auch um echte Mitsprache.

Ambivalenz statt Abkehr

Der vermeintliche Demokratieverlust unter Europas Jugend ist bei genauer Betrachtung vor allem eines: ein Aufruf zur Reform. Die Zweifel sind real – aber sie bedeuten nicht zwingend eine Hinwendung zum Autoritarismus. Vielmehr fordern junge Menschen neue Antworten auf alte Fragen: mehr soziale Gerechtigkeit, transparente Prozesse, weniger Lobbyismus und echte Mitsprache.

Wer die Demokratie retten will, muss sie weiterentwickeln. Europas Jugend ist dafür kein Hindernis – sondern möglicherweise ihr wichtigster Impulsgeber.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.