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TVöD-Erhöhung: Warum viele Kommunen trotz Tarifabschluss noch nicht zahlen

In Aktuelles
Juli 29, 2025
Während Bundesbehörden die jüngste Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst bereits umgesetzt haben, warten viele Beschäftigte in den Kommunen weiter auf das versprochene Plus im Portemonnaie. Der Tarifvertrag ist längst in Kraft – doch zwischen Theorie und Auszahlung klafft vielerorts eine Lücke. Die Verzögerung sorgt für Verärgerung und Verunsicherung bei den Betroffenen.

Einheitlicher Tarif, unterschiedliche Geschwindigkeit

Am 6. April 2025 wurde zwischen den Tarifparteien der neue TVöD-Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen unterzeichnet. Die Einigung betrifft rund 2,6 Millionen Beschäftigte im kommunalen Bereich sowie über 130.000 Angestellte des Bundes. Inhaltlich sieht der Vertrag eine Erhöhung der Tabellenentgelte in zwei Stufen vor: ab dem 1. April 2025 um 3,0 Prozent, mindestens jedoch 110 Euro monatlich, sowie eine weitere Erhöhung um 2,8 Prozent zum 1. Mai 2026.

Zusätzlich steigen die Ausbildungsvergütungen um je 75 Euro in beiden Stufen. Auch Schicht- und Wechselschichtzulagen wurden deutlich angehoben. Die Entlastung und Anerkennung von Arbeit soll damit nicht nur finanziell, sondern auch strukturell spürbar werden.

Der Bund zahlt – Kommunen hinken hinterher

Während die Auszahlung bei Bundesbehörden weitgehend abgeschlossen ist oder unmittelbar bevorsteht, bleibt sie bei vielen kommunalen Arbeitgebern weiter offen. Grund dafür sind laut Verwaltungsquellen vor allem technische und administrative Verzögerungen in den kommunalen Gehaltsabrechnungssystemen. Jede Kommune ist eigenständig für die Umsetzung des Tarifvertrags verantwortlich – das führt zu einem Flickenteppich bei der Auszahlung.

Warum zahlt der Bund schneller als die Kommunen?

Der Bund konnte die erforderlichen Durchführungshinweise früher an seine Behörden übermitteln und die Anpassungen zentral gesteuert umsetzen. Kommunen hingegen müssen auf das Rundschreiben der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) warten, technische Umstellungen vornehmen und interne Freigaben durchlaufen. Dieser Prozess verläuft je nach Bundesland, Kommune und Systemlandschaft unterschiedlich schnell.

Die Folgen der Verzögerung: Unmut, Misstrauen, offene Fragen

Die verzögerte Auszahlung sorgt bei vielen Beschäftigten für Unverständnis. In Online-Foren diskutieren Angestellte über ihre Rechte, mögliche finanzielle Nachteile und rechtliche Konsequenzen. Die Unsicherheit wächst, zumal vielfach keine konkreten Auszahlungstermine kommuniziert werden.

Verliere ich Geld, wenn meine Kommune spät zahlt?

Diese Sorge ist unter Angestellten weit verbreitet – doch sie ist unbegründet. Die Tarifvereinbarung gilt rückwirkend ab dem 1. April 2025. Wer seine Gehaltserhöhung noch nicht erhalten hat, kann auf eine rückwirkende Nachzahlung vertrauen. Der Anspruch bleibt vollumfänglich bestehen.

Darf der Arbeitgeber die Erhöhung aufschieben?

Rechtlich ist eine grundlose Verzögerung problematisch. Zwar müssen technische Voraussetzungen geschaffen werden, doch sobald der Tarifvertrag wirksam ist, besteht auch ein Anspruch auf die darin vereinbarten Leistungen. In Foren berichten Nutzer von Unsicherheiten und Unverständnis darüber, ob Arbeitgeber mit dem Geld „arbeiten“ dürfen, bevor es an die Beschäftigten ausgezahlt wird.

Stimmen aus der Praxis: „Ein Schlag ins Gesicht“

Gewerkschaften wie der Thüringer Beamtenbund (tbb) und die GEW zeigen sich besorgt. „Dass es so lange gedauert hat, ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“, äußerte ein Sprecher des tbb. Auch Annett Lindner, Tarifexpertin bei der GEW, kritisierte die Verzögerung der Redaktionsverhandlungen, die ihrer Ansicht nach von Arbeitgeberverbänden genutzt wurden, um Einfluss auf Inhalte zu nehmen.

Auf der anderen Seite verweist die VKA auf die Dauer der Redaktionsgespräche, die notwendig seien, um die Details rechtssicher festzulegen. Erst danach könnten die Kommunen tätig werden. Fakt bleibt: Die Beschäftigten müssen warten – oft ohne zu wissen, wie lange noch.

Städte im Vergleich: Wie unterschiedlich der Umsetzungsstand ist

Eine Umfrage unter verschiedenen Städten zeigt die Vielfalt an Planungsständen:

StadtGeplanter AuszahlungsterminStatus
MünchenFrühestens Juni 2025Rundschreiben liegt vor, Umsetzung vorbereitet
RostockJuli 2025Softwareumstellung abgeschlossen
FlensburgAugust 2025Umsetzung in Vorbereitung

Es zeigt sich: Kommunale Eigenverantwortung bedeutet auch, dass Beschäftigte regional unterschiedlich behandelt werden – trotz identischer Tarifgrundlage.

Wie viel mehr Gehalt bekomme ich konkret nach TVöD-Erhöhung?

Die Gehaltssteigerungen variieren je nach Entgeltgruppe. Grundsätzlich beträgt die Erhöhung ab April 2025 drei Prozent, mindestens jedoch 110 Euro. Beschäftigte in sozialen Berufen (z. B. im Sozial- und Erziehungsdienst) profitieren besonders: Je nach Erfahrungsstufe und Eingruppierung kann der Monatszuwachs zwischen 220 und 273 Euro betragen. Auch Auszubildende und Praktikanten erhalten je 75 Euro mehr – ebenfalls rückwirkend ab April und nochmals ab Mai 2026.

Die rechtliche Seite: Anspruch, aber keine Frist

Ein rechtlich problematischer Aspekt ist, dass der Tarifvertrag keine konkrete Frist zur Auszahlung festlegt. Zwar ist der Anspruch rückwirkend geltend, doch eine verbindliche Frist zur Auszahlung fehlt. Das sorgt für Grauzonen – nicht juristisch im Sinne des Anspruchs, wohl aber in Bezug auf Planungssicherheit und Arbeitnehmervertrauen.

In Foren fragen sich Nutzer deshalb: „Kann der Arbeitgeber die Auszahlung absichtlich hinauszögern?“ Die klare Antwort aus Gewerkschaftssicht: Nein – zumindest nicht ohne sachlichen Grund. Aber eine Sanktionierung für verspätete Umsetzung ist ebenfalls nicht vorgesehen. Ein strukturelles Problem bleibt damit bestehen.

Vertrauensverlust droht: Die Stimmung kippt

Was bleibt, ist ein wachsendes Misstrauen. Viele Beschäftigte empfinden die Intransparenz und Verzögerung als mangelnde Wertschätzung. Der tbb bringt es auf den Punkt: „Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der öffentlichen Arbeitgeber hat gelitten.“ Eine Einschätzung, die sich auch in zahlreichen Nutzerkommentaren, Blogbeiträgen und Erfahrungsberichten widerspiegelt.

Die Situation spitzt sich zu, da im Herbst 2025 bereits die nächste Tarifrunde (TV-L) für Länderbeschäftigte ansteht. Gewerkschaften befürchten, dass sich das aktuelle Muster wiederholen könnte – erneut ohne verbindliche Auszahlungstermine, erneut mit technischer Überforderung bei der Umsetzung.

Was sagen Gewerkschaften und Beschäftigte zur Verzögerung?

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die strukturellen Rahmenbedingungen. Die Gewerkschaften fordern mehr Verbindlichkeit, klare Umsetzungsfristen und bessere technische Unterstützung für Kommunen. Beschäftigte wünschen sich nicht nur eine gerechte Entlohnung, sondern auch eine zügige und transparente Umsetzung.

Schlussbetrachtung: Ein Tarifvertrag – viele Realitäten

Die TVöD-Erhöhung 2025 ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit im öffentlichen Dienst. Doch was als Erfolg gefeiert wurde, entpuppt sich für viele Betroffene als Geduldsspiel. Die Unterschiede zwischen Bundes- und Kommunalebene, zwischen Stadt und Land, zwischen schneller Umsetzung und zäher Realität machen deutlich, wie stark föderale Verantwortung auch zu Ungleichheit führen kann.

Das Vertrauen in die öffentliche Hand wird nicht nur durch große Reformen gestärkt, sondern durch Zuverlässigkeit im Alltag. Wer Verantwortung für Millionen Beschäftigte übernimmt, muss auch dafür sorgen, dass Versprechen nicht zur Geduldsprobe werden. Die Tarifbindung darf kein leeres Versprechen sein – sie muss sich spürbar und verlässlich im Alltag der Beschäftigten widerspiegeln.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.