
Asse, Niedersachsen – In der Schachtanlage Asse II wurden erstmals seit Jahrzehnten eingelagerte Atommüll-Fässer sichtbar gemacht. Die Bilder aus einer Bohrung in 750 Metern Tiefe geben Einblicke in den Zustand der radioaktiven Abfälle, die seit den 1960er-Jahren im ehemaligen Salzbergwerk lagern. Die Entwicklung ist ein wichtiger Schritt bei der geplanten Rückholung, doch Experten warnen weiterhin vor den enormen Risiken, die das marode Bergwerk birgt.
Ein erster Blick in die Kammer 12
Im August 2025 gelang es der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), durch eine Erkundungsbohrung in die Einlagerungskammer 12 vorzudringen. Dabei wurden mehrere Atommüll-Fässer sichtbar. Nach Angaben von BGE-Chefin Iris Graffunder wirken die erkennbaren Behälter auf den ersten Blick „in gutem Zustand“. Dennoch betont sie, dass die Sichtung nur ein Teil der notwendigen Untersuchung sei und keine Entwarnung bedeute. Dieser Einblick markiert einen Meilenstein, da er erstmals seit der Einlagerung in den 1970er-Jahren konkrete Informationen über die Verfassung der Fässer liefert.
Das gefährliche Erbe der Asse
Zwischen 1967 und 1978 wurden rund 125.000 Fässer mit schwach- bis mittelradioaktivem Abfall in das Bergwerk eingebracht. Ursprünglich als Forschungsprojekt zur Endlagerung geplant, entwickelte sich die Asse II über die Jahrzehnte zu einem der größten Umweltskandale in Deutschland. Dokumentation und Sicherheitseinschätzungen aus der damaligen Zeit sind lückenhaft. Schon früh gab es Hinweise auf beschädigte Fässer, und Experten warnten vor einem möglichen Wassereinbruch, der das Bergwerk „ersaufen“ lassen könnte. Die instabile geologische Situation macht die Rückholung der Abfälle zwingend notwendig.
Gesetzliche Pflicht zur Rückholung
Seit 2013 ist die Rückholung des Atommülls gesetzlich vorgeschrieben. Hintergrund sind die wachsenden Risiken durch den instabilen Zustand des Salzbergwerks. Laut aktuellen Planungen soll die Rückholung ab 2033 beginnen – ein Projekt, das sich über Jahrzehnte erstrecken könnte. Ziel ist es, die rund 125.787 Fässer kontrolliert zu bergen und in sichere Endlagerstrukturen zu überführen. Die Arbeiten sind technisch extrem anspruchsvoll und erfordern höchste Sicherheitsmaßnahmen, nicht zuletzt wegen erhöhter Radonwerte, die bei Bohrungen gemessen wurden.
Wasserzufluss als ungelöste Gefahr
Eine der größten Herausforderungen bleibt der tägliche Zufluss von rund 12 Kubikmetern salzhaltigem Wasser in die Grube. Besonders kritisch ist, dass sich die Verteilung der Wassermengen verändert hat: Teile des Wassers entweichen mittlerweile unkontrolliert durch eine beschädigte Schutzfolie. Für Fachleute ist dies ein alarmierendes Signal, da der unkontrollierte Wasserfluss langfristig nicht kalkulierbare Risiken mit sich bringt. Bereits heute gilt die Stabilität des Grubengebäudes als stark gefährdet.
Zeitplan und Dimensionen der Rückholung
Die Rückholung der Fässer aus der Asse ist ein Jahrhundertprojekt. Nach heutigem Stand sollen erste Arbeiten im Jahr 2033 beginnen. Experten rechnen damit, dass die gesamte Maßnahme mehrere Jahrzehnte dauern wird. Die Dimensionen werden deutlich, wenn man die Zahlen betrachtet:
Faktor | Details |
---|---|
Anzahl eingelagerter Fässer | ca. 125.787 |
Lagerzeitraum | 1967–1978 |
Täglicher Wassereintritt | rund 12 m³ |
Geplanter Start der Rückholung | ab 2033 |
Geschätzte Dauer | mehrere Jahrzehnte |
Die Sicht auf die Fässer – Hoffnung und Skepsis
Dass die Fässer in Kammer 12 auf den ersten Blick vergleichsweise intakt wirken, weckt zwar Hoffnung, doch Experten mahnen zur Vorsicht. Die gezeigten Bilder beziehen sich nur auf eine kleine Auswahl. Frühere Bohrungen in anderen Bereichen hatten bereits beschädigte und korrodierte Fässer offenbart. „Wir haben einen ersten Eindruck gewonnen, mehr nicht“, so eine vorsichtige Einschätzung der BGE. Der Zustand in anderen Kammern könnte deutlich schlechter sein.
Ein langer Weg in die Zukunft
Der Atomskandal Asse bleibt ein Sinnbild für die ungelösten Altlasten der deutschen Atompolitik. Der erste Blick in die Fässer liefert wertvolle Informationen, doch er ist nur ein kleiner Schritt auf einem langen, unsicheren Weg. Die Kombination aus instabiler Geologie, stetigem Wasserzufluss und radioaktiver Belastung macht das Projekt zur Rückholung zu einer Herkulesaufgabe. Klar ist: Die Region Asse wird noch für Generationen ein Symbol für den Umgang mit radioaktiven Altlasten bleiben. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es gelingt, das gefährliche Erbe der Fässer tatsächlich zu bändigen und die Asse dauerhaft zu sichern.