
Die Australian Competition and Consumer Commission (ACCC) hat Microsoft vor Gericht gebracht. Der Vorwurf: Millionen australische Nutzerinnen und Nutzer seien durch intransparente Preissteigerungen in die Irre geführt worden, nachdem der KI-Assistent „Copilot“ in Microsoft-365-Abos integriert wurde. Die Klage könnte weitreichende Folgen für den globalen Umgang mit KI-basierten Preismodellen haben.
Hintergrund: Warum Australien gegen Microsoft klagt
Am 27. Oktober 2025 reichte die australische Wettbewerbsbehörde ACCC beim Bundesgericht eine Klage gegen Microsoft Australia und dessen US-Mutterkonzern ein. Es geht um den Verdacht, dass das Unternehmen rund 2,7 Millionen Kundinnen und Kunden seiner Microsoft 365 Personal- und Familienpläne in die Irre geführt haben soll. Konkret soll Microsoft bei der Integration des KI-Assistenten Copilot im Oktober 2024 deutliche Preissteigerungen eingeführt haben – ohne den Verbraucherinnen und Verbrauchern klar mitzuteilen, dass weiterhin eine günstigere Version ohne Copilot erhältlich blieb.
Die Behörde spricht von einem klaren Verstoß gegen das australische Verbraucherrecht. Die neuen Preise fielen drastisch aus: Der Personalplan stieg laut ACCC um 45 Prozent (von A$ 109 auf A$ 159 pro Jahr), der Familienplan um 29 Prozent (von A$ 139 auf A$ 179 pro Jahr). Diese Änderung betraf alle Nutzer, deren Abos sich automatisch verlängerten – selbst diejenigen, die das neue KI-Feature gar nicht wollten.
Die verborgene „Classic“-Option
Nach Darstellung der ACCC wurde eine günstigere Alternative, der sogenannte „Microsoft 365 Classic“-Plan ohne Copilot, zwar beibehalten, aber absichtlich schlecht sichtbar platziert. Nutzer bekamen bei der Verlängerung nur zwei Optionen angezeigt: den neuen Copilot-Plan zu akzeptieren oder das Abonnement zu kündigen. Erst wer den Kündigungsprozess aktiv einleitete, sah den Hinweis auf die Classic-Version – ein Muster, das Verbraucherschützer als „Dark Pattern“ bezeichnen.
Die Vorsitzende der ACCC, Gina Cass-Gottlieb, erklärte dazu: „Unternehmen müssen sicherstellen, dass Verbraucher klare, verständliche und vollständige Informationen über ihre Optionen erhalten. Microsoft hat das in diesem Fall nicht getan.“ Viele Kundinnen und Kunden hätten ihre Abos beibehalten, weil sie Office-Programme wie Word und Excel täglich benötigten – ein Kündigungsschritt sei für viele keine echte Option gewesen.
Was ist Microsoft Copilot – und warum sorgt es für Streit?
Copilot ist ein auf künstlicher Intelligenz basierender Assistent, der in Anwendungen wie Word, Excel, PowerPoint und Outlook integriert wurde. Das System kann Texte generieren, Tabellen analysieren oder Präsentationen automatisch erstellen. Microsoft bewirbt Copilot als „Co-Creator für produktiveres Arbeiten“. Mit der Einführung des Tools wurden jedoch auch die Abo-Preise weltweit angepasst – nicht nur in Australien, sondern auch in Neuseeland, Singapur und Teilen Europas.
Microsoft verteidigte die Entscheidung mit der Begründung, man habe „den Wert der Produktivitäts-Suite durch KI deutlich erhöht“. Kritiker argumentieren hingegen, dass die Preissteigerung eher eine Marktstrategie sei, um KI-Entwicklungen zu refinanzieren, während Verbraucher keine Wahlmöglichkeit erhielten.
Warum Nutzerpreise in Australien besonders sensibel sind
Australische Konsumenten gelten laut aktuellen Umfragen als besonders skeptisch gegenüber KI. Eine landesweite Studie unter 2.000 Teilnehmern ergab, dass 83 Prozent KI als potenzielles Risiko für Datenschutz und Sicherheit betrachten – deutlich mehr als in den USA (72 Prozent) oder im Vereinigten Königreich (64 Prozent). Zudem gaben 90 Prozent der Befragten an, dass sie einen Anbieterwechsel in Erwägung ziehen würden, sollte ihr Vertrauen durch unklare Praktiken erschüttert werden.
In diesem Klima traf die Preiserhöhung Microsofts auf eine ohnehin misstrauische Verbraucherschaft – ein Risiko, das sich nun in Form einer Klage materialisiert hat.
KI, Preise und Vertrauen: Ein wachsendes Problem
Die Universität New South Wales veröffentlichte im September 2025 eine Analyse zu KI-gestützten Preismodellen. Laut Professorin Nitika Garg nutzen viele Unternehmen maschinelles Lernen, um dynamische Preise festzulegen – oft mit dem Ziel, kurzfristig höhere Gewinne zu erzielen. Garg warnt jedoch: „You might make a profit now, but you will lose your customers in the long-term.“ Mit anderen Worten: Fehlende Transparenz kann das Vertrauen der Verbraucher dauerhaft zerstören.
Dieser Gedanke findet sich auch in der Kritik an Microsoft wieder. Durch die Kopplung von Copilot an bestehende Abos und die intransparente Präsentation der Alternativen scheint der Konzern laut ACCC nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch angreifbar.
„Dark Patterns“ und ihre Wirkung
Forschungen zu sogenannten „Dark Patterns“ – also manipulativen Nutzerführungen – zeigen, dass Anbieter häufig Mechanismen einsetzen, um Abbrüche zu verhindern oder höherpreisige Optionen zu fördern. Eine Studie mit dem Titel „Staying at the Roach Motel“ beschreibt, wie solche Muster in Kündigungsprozessen versteckte Alternativen erst im letzten Schritt sichtbar machen. Genau dieses Verhalten wirft die ACCC Microsoft vor.
Diese Designstrategien können Nutzer überfordern oder in die Irre führen. Im Fall Microsoft habe die Gestaltung dazu geführt, dass viele Kunden glaubten, der Copilot-Plan sei alternativlos.
Die wichtigsten Nutzerfragen rund um die Klage
Warum werden Microsoft-365-Preise erhöht, wenn man Copilot gar nicht nutzen möchte?
Microsoft führte Copilot als Standardbestandteil der neuen Abos ein. Laut ACCC wurde dies als Verbesserung kommuniziert – tatsächlich stiegen jedoch die Preise, ohne dass klar ersichtlich war, dass ein Verbleib im bisherigen Plan möglich gewesen wäre. Der günstigere „Classic“-Plan blieb aktiv, wurde aber erst im Kündigungsprozess sichtbar.
Kann man in Australien weiterhin Microsoft 365 ohne Copilot nutzen?
Ja, die Classic-Version existiert weiterhin. Viele Nutzer wissen das jedoch nicht, weil Microsoft sie in den offiziellen Upgrade-Mails und im Dashboard kaum sichtbar machte. Wer aktiv kündigt, stößt auf die Option, beim alten Preis zu bleiben.
Wie hoch sind die Preissteigerungen konkret?
| Plan | Bisheriger Preis | Neuer Preis | Steigerung |
|---|---|---|---|
| Microsoft 365 Personal | A$ 109 / Jahr | A$ 159 / Jahr | + 45 % |
| Microsoft 365 Family | A$ 139 / Jahr | A$ 179 / Jahr | + 29 % |
Gibt es rechtliche Folgen für Microsoft?
Ja, die ACCC fordert empfindliche Strafen. Nach australischem Recht kann pro Verstoß eine Geldbuße bis zu A$ 50 Millionen, das Dreifache des erzielten Vorteils oder 30 Prozent des relevanten Umsatzes verhängt werden. Außerdem verlangt die Behörde Unterlassung, Rückerstattung und Verbraucherentschädigung.
Stimmen aus sozialen Medien und Nutzerforen
In sozialen Netzwerken wie Reddit und Hacker News äußern Nutzer seit Bekanntwerden der Klage deutliche Kritik. In einem Reddit-Thread mit Tausenden Kommentaren wird Microsofts Verhalten als „ultimatives Dark-UI-Pattern“ bezeichnet. Nutzer berichten, dass sie erst beim Kündigen zufällig den Classic-Plan entdeckten. Ein Kommentar bringt die Stimmung auf den Punkt: „It’s like they wanted us to quit so they could say we agreed to the price.“
Auf Hacker News schilderte ein Nutzer, dass Copilot nach einem Downgrade noch bis zum Ende des Abrechnungszeitraums aktiv blieb – ein Detail, das viele als künstliche Hürde empfanden. Auch im Subreddit r/Office365 tauchten Berichte auf, in denen Nutzer die Preiserhöhung als „Upgrade-Betrug“ bezeichneten und empfahlen, aktiv nach der versteckten Downgrade-Option zu suchen.
Warum der Fall international Beachtung findet
Der Streit betrifft nicht nur australische Verbraucher. Die Microsoft-Strategie, KI-Funktionen direkt in bestehende Abos zu integrieren, gilt als Blaupause für andere Märkte. Sollten Gerichte der ACCC folgen, könnte das Urteil weltweit Konsequenzen haben – etwa strengere Informationspflichten für Anbieter, die KI-Dienste mit Abomodellen verknüpfen.
Experten sehen den Fall als Symbol für die wachsende regulatorische Spannung zwischen Innovation und Verbraucherschutz. Einerseits fördern Regierungen die Nutzung von KI; andererseits wächst die Sorge, dass Unternehmen unter dem Deckmantel von Innovation Preiserhöhungen und Datenzugriffe verschleiern.
KI-Strategien im Fokus künftiger Regulierungen
Mehrere Länder prüfen derzeit Richtlinien, um Verbraucher besser vor intransparenten Preismodellen zu schützen. In der EU könnten die geplanten KI-Verordnungen ähnliche Fragen aufwerfen, insbesondere im Hinblick auf Preisfairness, algorithmische Transparenz und Zustimmungspflichten. Der australische Fall wird deshalb genau beobachtet – nicht zuletzt von Wettbewerbsbehörden in Europa und Nordamerika.
Marktdynamik und mögliche Folgen für Microsoft
Für Microsoft steht nicht nur eine potenzielle Millionenstrafe im Raum, sondern auch ein Reputationsrisiko. Während das Unternehmen betont, die Vorwürfe sorgfältig zu prüfen, sehen Analysten Parallelen zu früheren Fällen. Bereits in der Vergangenheit wurden Tech-Konzerne in Australien wegen irreführender Preisgestaltung sanktioniert – unter anderem Google und Apple.
Darüber hinaus könnte die Klage Auswirkungen auf Microsofts globale KI-Strategie haben. Sollte das Gericht entscheiden, dass Copilot nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Kunden Bestandteil bestehender Verträge werden darf, müsste der Konzern seine Vertriebs- und Kommunikationsstrategie überarbeiten.
Wie sich Verbraucher jetzt schützen können
- Kunden sollten prüfen, welche Version ihres Microsoft-365-Abos aktiv ist (Copilot oder Classic).
- Im Kündigungsprozess kann überprüft werden, ob die Classic-Option noch angeboten wird.
- Es empfiehlt sich, Preiserhöhungen in E-Mail-Benachrichtigungen genau zu lesen – viele Änderungen erfolgen automatisch bei Verlängerung.
- Bei Zweifeln kann eine Beschwerde direkt bei der ACCC eingereicht werden.
Was dieser Fall für die Zukunft bedeutet
Der Fall „Australia vs. Microsoft“ ist mehr als nur ein Streit über Abo-Preise. Er berührt zentrale Fragen der digitalen Wirtschaft: Wie transparent müssen KI-basierte Funktionen kommuniziert werden? Wo verläuft die Grenze zwischen Innovation und Verbrauchertäuschung? Und wie viel Verantwortung tragen globale Konzerne, wenn nationale Rechtsräume betroffen sind?
Unabhängig vom Urteil steht fest: Der Fall hat eine Debatte angestoßen, die weit über Australien hinausreicht. In Zeiten, in denen KI-Tools in immer mehr Software integriert werden, könnte diese Klage ein entscheidendes Signal setzen – für mehr Transparenz, Fairness und Verbraucherrechte in einer zunehmend algorithmischen Wirtschaft.
































