74 views 8 mins 0 comments

145 Frauen bei Fête de la Musique mit Spritzen attackiert – Was steckt hinter den Angriffen?

In Aktuelles
Juni 24, 2025
Spritze

Frankreich ist erschüttert: Am Abend der Fête de la Musique, einem der beliebtesten Musikfeste des Landes, wurden landesweit 145 Frauen Opfer rätselhafter Nadelstiche. Die mutmaßlichen Angriffe sorgten nicht nur für Panik in den Straßen, sondern warfen auch grundlegende Fragen zu öffentlicher Sicherheit, medialer Verantwortung und psychischer Gesundheit auf. Wer steckt hinter den Spritzenattacken? Gab es Substanzen? Und wie gefährlich ist das Phänomen wirklich?

Die Tatnacht: Koordiniert oder zufällig?

Am 21. Juni 2025, als Frankreich zur Feier des Sommerbeginns Musik in den Städten zelebrierte, wurden Polizei und Notdienste in zahlreichen Regionen alarmiert. Von Paris über Rouen bis Metz meldeten junge Frauen und Mädchen im Alter von 14 bis 20 Jahren, sie seien während der Menschenansammlungen von Unbekannten mit Nadeln gestochen worden.

Allein in Paris sprachen die Behörden von 21 Meldungen, in Metz von etwa 15–17. Insgesamt summierten sich die Anzeigen auf 145 – ein besorgniserregendes Ausmaß. Besonders alarmierend war die mutmaßliche Koordination der Vorfälle: Einige Hinweise deuteten auf gezielte Aufrufe in sozialen Netzwerken hin, in denen junge Männer aufgefordert wurden, Frauen bei öffentlichen Festen mit Spritzen zu attackieren.

Symptome und medizinische Befunde

Viele der Betroffenen klagten über akutes Unwohlsein, darunter Schwindel, Übelkeit, Atemprobleme und Angstzustände. Mehrere Personen wurden zur Untersuchung in Kliniken eingeliefert. Dennoch konnten toxikologische Analysen bislang keine Hinweise auf klassische K.-o.-Tropfen wie GHB oder Rohypnol feststellen.

Laut medizinischer Einschätzung wäre es ohnehin schwierig, in einem Gedränge wirksam Medikamente zu injizieren. Eine Injektion wirksamer Dosen würde mehrere Sekunden brauchen – Zeit, die den mutmaßlichen Tätern in der Menschenmenge fehlt. Auch fehlten fast durchweg die typischen Einstichspuren tieferer Injektionen. Erste Befunde legen nahe, dass viele Nadeln leer waren oder nur oberflächlich eindrangen.

Der Hintergrund: Ein europäisches Phänomen?

Die Attacken vom 21. Juni sind nicht die ersten dieser Art. Bereits 2021 und 2022 berichteten mehrere europäische Länder über ähnliche Vorfälle – sogenannte „Needle-Spiking“-Fälle. Besonders in Großbritannien, Spanien, Belgien und Deutschland wurden junge Menschen in Nachtclubs, auf Konzerten oder bei Großveranstaltungen über plötzliche Nadelstiche überrascht.

In Frankreich selbst sorgte bereits 2022 eine Welle von mehr als 2.000 gemeldeten Nadelattacken für Aufsehen – allerdings konnte auch damals in kaum einem Fall ein Wirkstoff nachgewiesen werden. Das Muster wiederholt sich: hohe mediale Aufmerksamkeit, große psychische Belastung – aber kaum forensische Belege.

Internationale Vergleiche zeigen Parallelen

| Land | Jahr(e) | Anzahl gemeldeter Fälle | Nachgewiesene Substanzen |
|————|————–|————————–|—————————|
| Frankreich | 2022, 2025 | > 2.000 / 145 | kaum bis keine |
| Großbritannien | 2021–2023 | > 1.000 | 1–2 bestätigte Fälle |
| Spanien | 2022 | > 100 | keine bestätigt |
| Deutschland| 2022 | Dutzende (u. a. Berlin) | keine bestätigt |

Ein besonders aufsehenerregender Fall ereignete sich 2022 im Berliner Berghain, wo eine Musikerin nach einem Nadelstich über psychedelische Effekte und Atemnot klagte. Auch dort konnte keine Substanz nachgewiesen werden.

Angst vor Infektionen statt K.-o.-Tropfen

Während die Angst vor Verabreichung von Betäubungsmitteln allgegenwärtig ist, verweisen Ärzte auf ein anderes reales Risiko: Infektionen durch unsaubere Nadeln. „Ein oberflächlicher Nadelstich mit einer gebrauchten Spritze kann ausreichen, um HIV oder Hepatitis zu übertragen“, warnt ein Sprecher der französischen Gesundheitsbehörde.

Bislang wurden keine Fälle von Infektionen bekannt – doch die Angst bleibt. Einige Veranstalter in Frankreich und Großbritannien denken nun über mobile Kontrollstellen für Besucher, Awareness-Teams und Nadelscanner nach.

Psychologische Dimension: Kollektive Panik oder reale Bedrohung?

Zahlreiche Experten betonen die psychologische Wirkung solcher Attacken. Die Angst, die Kontrolle zu verlieren oder vergiftet worden zu sein, kann eine Panikreaktion auslösen – mit psychosomatischen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot oder Schwindel.

„In vielen Fällen handelt es sich um eine Form von kollektiver Angstverarbeitung“, so ein Psychologe der Université de Lyon. Vor allem soziale Medien verstärken das Gefühl der Bedrohung: Videos von Opfern, Liveberichte von der Tatnacht und Hashtags wie #NeedleSpiking lassen das Phänomen noch größer erscheinen.

Zitat einer Betroffenen

„Ich fühlte einen Stich an meinem Bein. Sekunden später wurde mir übel, meine Hände zitterten. Ich dachte, ich würde ohnmächtig. Ich war sicher, dass ich Drogen im Körper hatte“, berichtet eine 17-Jährige aus Angoulême. Später ergaben die Bluttests: Keine Substanz, kein Fieber, kein Infekt. Doch die Angst blieb.

Polizeiliche Reaktionen: Erste Festnahmen

Die französische Polizei reagierte mit hohem Tempo. In Städten wie Metz, Angoulême und Paris wurden insgesamt zwölf Tatverdächtige festgenommen. Laut Ermittlern könnte es sich um Einzeltäter handeln, die durch Internetaufrufe inspiriert wurden. Konkrete Verbindungen unter den Verdächtigen bestehen bisher nicht.

Frankreich will nun die Ermittlungen auf digitale Spuren in sozialen Medien ausweiten. Man prüft, ob gezielte Falschmeldungen oder sogar Aufrufe zur Tat durch organisierte Gruppen erfolgten.

Gesetzeslücken und politische Reaktionen

In Großbritannien wurde bereits 2022 eine parlamentarische Kommission zum Needle-Spiking eingesetzt. Trotz über 1.000 Meldungen wurde dort letztlich nur eine Attacke forensisch bestätigt. Dennoch plädierte der Ausschuss für eigene Straftatbestände und eine nationale Strategie zur Bekämpfung solcher Übergriffe.

Auch in Irland liegt ein entsprechender Gesetzentwurf vor. Frankreich dagegen nutzt aktuell bestehende Paragrafen zu Körperverletzung und gefährlicher Sachbeschädigung – eine rechtliche Einordnung als gezielte chemische Attacke ist bisher nicht vorgesehen.

Maßnahmen gegen Angst und Verunsicherung

Clubs wie das Berghain in Berlin haben inzwischen Awareness-Programme eingeführt. Sie bieten Rückzugsräume, Schulungen für Türpersonal und eine direkte Ansprechbarkeit bei Vorfällen. Auch französische Veranstalter denken in diese Richtung – vor allem mit Blick auf die kommenden Festivals im Sommer.

Empfohlene Präventionsmaßnahmen:

  • Mobile Awareness-Teams auf Großveranstaltungen
  • Kostenlose medizinische Checks direkt vor Ort
  • Bessere Videoüberwachung in dunklen Bereichen
  • Sensibilisierung des Sicherheitspersonals
  • Einrichtung von Melde-Apps für Betroffene

Zwischen realer Gefahr und kollektiver Angst

Die 145 Fälle vom 21. Juni 2025 zeigen deutlich, wie tief verwundbar offene Gesellschaften in Momenten des Feierns sein können. Die Attacken werfen Fragen auf: über Vertrauen in medizinische Befunde, über Angst in Zeiten sozialer Medien – und über die Fähigkeit von Gesellschaft und Staat, zwischen echter Bedrohung und massenpsychologischen Effekten zu unterscheiden.

Fest steht: Die psychische Belastung der Betroffenen ist real. Ob sie mit leeren Spritzen oder chemischen Substanzen attackiert wurden – ihr Gefühl der Ohnmacht bleibt. Es ist Aufgabe von Politik, Medizin und Öffentlichkeit, diesen jungen Menschen nicht nur Schutz zu bieten, sondern auch Verständnis für eine neue Form der Bedrohung, die möglicherweise weniger stofflich – dafür aber umso tiefer wirkt.

Avatar
Redaktion / Published posts: 1412

Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.