
Makarska, Kroatien
Ein verheerender Waldbrand an der südlichen Adriaküste Kroatiens sorgt derzeit für Aufsehen, Entsetzen und dringenden Handlungsbedarf. Seit dem Wochenende kämpfen Feuerwehrkräfte in der Region um Makarska, Pisak und Marušići gegen Flammen, die ganze Landstriche verwüstet haben. Während die Löscharbeiten weitergehen, richten sich die Blicke der Ermittler auf einen möglichen kriminellen Hintergrund: Brandstiftung gilt inzwischen als wahrscheinlich. Der Schaden ist immens – sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich.
Die aktuelle Lage: Feuer außer Kontrolle
Seit Samstag brennt es südlich von Split. Besonders betroffen sind die touristisch geprägten Orte Pisak, Marušići und Makarska. Dichte Kiefernwälder, starke Winde und extreme Trockenheit verschärfen die Situation. Laut örtlichen Behörden stehen mindestens zwölf Häuser in Flammen oder wurden bereits komplett zerstört. Auch eine Ölmühle fiel dem Feuer zum Opfer. Mehrere Fahrzeuge brannten aus.
Die Feuerwehr sprach am Montag von einer „außer Kontrolle geratenen Lage“. Rund 145 Einsatzkräfte mit 43 Fahrzeugen sind im Einsatz, unterstützt von bis zu fünf Löschflugzeugen. Die Wasserpolizei war gezwungen, rund 200 Menschen – darunter viele Touristen – per Boot zu evakuieren. Die Autobahnverbindung zwischen Omis und Dubce wurde aus Sicherheitsgründen gesperrt. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich von gefährdeten Gebieten fernzuhalten und Anweisungen strikt zu befolgen.
Der Verdacht: Brandstiftung an mehreren Stellen
Besonders brisant: Das Feuer brach offenbar an mehreren, voneinander entfernten Stellen zur gleichen Zeit aus – ein typisches Muster bei vorsätzlicher Brandlegung. Die Polizei bestätigte entsprechende Ermittlungen. Es wurden bereits Personen aus der Umgebung vernommen, darunter auch bekannte frühere Brandstifter.
Ein Sprecher der Ermittlungsbehörden erklärte: „Es gibt Hinweise, dass der Brand nicht natürlichen Ursprungs ist. Die Ausbruchspunkte lassen auf eine gezielte Aktion schließen.“ Auch die Staatsanwaltschaft ist involviert und hat eine forensische Untersuchung angeordnet. Die Bevölkerung wird aufgefordert, Hinweise zu verdächtigen Personen oder Beobachtungen zu melden.
Waldbrände in Europa: Eine Statistik mit Signalwirkung
Laut EU-weit erhobenen Daten sind rund 90 Prozent aller Waldbrände in Europa auf menschliches Handeln zurückzuführen. Nur etwa vier Prozent entstehen durch natürliche Ursachen wie Blitzschlag. Kroatien liegt damit im europäischen Durchschnitt. Die Ursachen reichen von achtlos weggeworfenen Zigaretten über illegale Lagerfeuer bis hin zu gezielten Brandstiftungen aus kriminellen oder spekulativen Motiven.
Brandursachen im Überblick
Ursache | Wahrscheinlichkeit |
---|---|
Fahrlässigkeit (Zigaretten, Lagerfeuer etc.) | Sehr hoch |
Vorsätzliche Brandstiftung | Hoch |
Landwirtschaftliche Maßnahmen (Brandrodung) | Mittel |
Natürliche Ursachen (z. B. Blitzschlag) | Niedrig |
Wetter, Vegetation und Klimawandel als Brandverstärker
Die klimatischen Bedingungen der letzten Wochen in Kroatien haben die Feuergefahr dramatisch erhöht. Starke Trockenheit, überdurchschnittliche Temperaturen und stetiger Küstenwind sorgten für ein hochentzündliches Umfeld – insbesondere in den dichten, oft ungepflegten Kiefernwäldern. Der Klimawandel verstärkt diese Entwicklung: Längere Dürreperioden und vermehrte Hitzewellen sind zur neuen Normalität geworden. Wissenschaftler warnen, dass die Häufigkeit und Intensität von Waldbränden in Südeuropa weiter zunehmen wird.
Verwilderte Kulturlandschaften: Brennstoff für das Feuer
Ein oft unterschätzter Faktor: die strukturelle Veränderung der kroatischen Kulturlandschaft. Nach dem Rückgang des traditionellen Oliven- und Weinanbaus sind viele landwirtschaftliche Flächen verwildert. Diese „grünen Brachflächen“ entwickeln sich zu idealen Brandherden – dicht bewachsen, ungepflegt und mit extrem hoher Brennlast. Auch die starke Parzellierung von Land, bei der viele kleine Eigentümer keine gemeinsame Pflege betreiben, macht eine koordinierte Prävention schwierig.
Technologie gegen das Feuer: Drohnen, Sensoren und Simulationen
Im Kampf gegen Brände setzt Kroatien zunehmend auf moderne Technologien. Projekte wie SILVANUS oder HOLISTIC arbeiten mit Robotik, Drohnen und Sensoren zur frühzeitigen Erkennung von Bränden. Diese Systeme können Brandherde automatisch lokalisieren, analysieren und das Löschpersonal präzise informieren. Auch Augmented-Reality-Trainings werden zunehmend in der Feuerwehrausbildung eingesetzt. Erste Tests mit ferngesteuerten Löschrobotern fanden in der Nähe von Rijeka statt.
Ein weiteres Projekt nutzt georeferenzierte Social-Media-Daten, um die Lage in Echtzeit zu erfassen. Bürger können über spezielle Apps ihre Beobachtungen melden, die dann in digitale Einsatzkarten einfließen. Das verbessert die Koordination und verkürzt Reaktionszeiten.
Europäische Hilfe und internationale Zusammenarbeit
Die aktuelle Brandlage zeigt einmal mehr, wie wichtig grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Katastrophenfällen ist. Über das EU-weite „rescEU“-System stehen Kroatien und anderen Mitgliedsstaaten zusätzliche Flugzeuge, Helikopter und Satellitendaten zur Verfügung. Schon 2022 hatte Kroatien selbst Nachbarländer unterstützt. Mittlerweile profitieren auch kroatische Kräfte von diesen Ressourcen. Die EU plant, das gemeinsame Katastrophenschutzsystem weiter auszubauen.
Bürger in der Verantwortung – Crowdsourcing in der Krise
Nicht nur Behörden, auch die Bevölkerung spielt eine zentrale Rolle im Krisenmanagement. In früheren Bränden – etwa bei Split im Jahr 2017 – hatten Bürger über Facebook und Twitter Echtzeitdaten zu Feuerfronten geliefert. Diese flossen in Lagekarten ein, die auch Einsatzkräfte nutzten. Inzwischen gibt es professionelle Plattformen, die diese Form der „zivilen Lageerfassung“ systematisch einbinden. Modelle wie RESCUER oder Crowdmap zeigen, welches Potenzial in digitaler Bürgerhilfe steckt.
„Feuerwehren können nicht überall gleichzeitig sein. Die Menschen vor Ort sind unsere Augen und Ohren“, sagt ein Feuerwehrsprecher aus Split.
Feuerwehrstrukturen in Kroatien – Stärken und Schwächen
In Kroatien leisten über 34.000 Menschen Feuerwehrdienst – der Großteil davon ehrenamtlich. Das System ist historisch gewachsen und in nationalen, regionalen und lokalen Ebenen gegliedert. Es funktioniert im Alltag gut, stößt aber in Großlagen wie dieser schnell an seine Grenzen. Besonders in abgelegenen Gebieten fehlt es oft an modernem Gerät, Ausrüstung und Koordination. Reformen seit 2010 haben einige Verbesserungen gebracht, doch der Investitionsbedarf bleibt hoch.
Klimagerechtigkeit: Wer trägt die Last der Katastrophen?
Ein Aspekt, der zunehmend Beachtung findet, ist die soziale Dimension von Waldbränden. Gerade in Küstenregionen, in denen viele Menschen ohne Versicherung leben oder sich Wiederaufbau nicht leisten können, wirken Brände besonders zerstörerisch. EU-Studien fordern eine klimagerechte Anpassungsstrategie: Maßnahmen zur Prävention und Hilfe müssten stärker auf soziale Gerechtigkeit achten. Auch psychologische Belastungen nach Evakuierungen oder Wohnungsverlust sollten berücksichtigt werden.
Aufklärung, Prävention und internationale Solidarität sind gefragt
Der aktuelle Waldbrand an Kroatiens Adriaküste offenbart einmal mehr die Vielschichtigkeit moderner Naturkatastrophen. Es reicht nicht aus, nur auf akute Brandbekämpfung zu setzen. Aufklärung, forensische Ermittlungen, technologische Aufrüstung und europäische Zusammenarbeit sind ebenso entscheidend wie soziale Resilienz und langfristige Klimaanpassung.
Ob die Feuer von Makarska vorsätzlich gelegt wurden, werden die laufenden Ermittlungen zeigen. Doch eines ist klar: Die Gefahr von Waldbränden nimmt nicht ab – und damit die Verantwortung, besser vorbereitet zu sein.