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Indiens Krieg: Welche Folgen spürt Europas Wirtschaft?

In Aktuelles
Mai 15, 2025
Indien und Europa: Wirtschaftliche Verflechtungen im Spannungsfeld geopolitischer Konflikte

Die jüngsten geopolitischen Spannungen in Südasien, insbesondere die Eskalation des Kaschmir-Konflikts zwischen Indien und Pakistan, werfen Fragen über mögliche Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft auf. Obwohl die direkten Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Indien relativ begrenzt sind, könnten indirekte Effekte durch globale Lieferketten und geopolitische Verschiebungen spürbar werden.

Begrenzte direkte Handelsbeziehungen

Im Jahr 2021 entfielen weniger als 2,1 Prozent des gesamten Warenhandels der EU auf Indien. Indien ist der neuntgrößte Handelspartner der EU, während die EU für Indien den drittgrößten Handelspartner darstellt. Etwa 6.000 europäische Unternehmen sind in Indien tätig und stellen direkt 1,7 Millionen und indirekt etwa fünf Millionen Arbeitsplätze zur Verfügung.

Geopolitische Spannungen und ihre indirekten Auswirkungen

Die Eskalation des Kaschmir-Konflikts könnte das sicherheits- und geopolitische Gefüge in Asien erheblich stören. Obwohl weder Pakistan noch Indien wesentliche Handelspartner der EU sind, könnten länger andauernde Spannungen den Luftverkehr und die Seewege durch das Arabische Meer beeinträchtigen. Solche Störungen könnten zu Verzögerungen und erhöhten Kosten in den globalen Lieferketten führen, von denen auch europäische Unternehmen betroffen wären.

Indiens Rolle in der globalen Ordnung

Indien versteht sich als Stimme des sogenannten Globalen Südens und als kommende wirtschaftliche Großmacht. Das Land strebt eine zentrale Rolle in einer multipolaren Weltordnung an und beansprucht, in globalen Institutionen entsprechend repräsentiert zu sein. Diese Ambitionen könnten zu einer stärkeren Einbindung Indiens in internationale Wirtschafts- und Handelsstrukturen führen, was langfristig auch Auswirkungen auf die europäischen Märkte haben könnte.

Energieabhängigkeit und geopolitische Allianzen

Indien hat seine Energieimporte diversifiziert und bezieht mittlerweile einen erheblichen Teil seines Öls aus Russland. Vor dem Ukraine-Krieg kam Indiens Öl vor allem aus den OPEC-Ländern des Mittleren Ostens. Mit dem Ukraine-Krieg und dem Ölpreisdeckel war Russland bestrebt, möglichst große Mengen seines wichtigen Exportgutes zu Dumpingpreisen loszuwerden – und fand in Indien einen dankbaren Abnehmer. Heute importiert Indien auf dem Seeweg bis zu 1.000 Prozent mehr Öl aus Russland im Vergleich zum Jahr 2021. Diese Entwicklung könnte die globalen Energiemärkte beeinflussen und somit auch Auswirkungen auf die Energiepreise in Europa haben.

Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU

Die Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU haben in den letzten Monaten an Dynamik gewonnen. Beide Seiten haben sich verpflichtet, die Gespräche bis Ende 2025 abzuschließen. Ziel ist es, Handelshemmnisse abzubauen, Investitionen zu fördern und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu vertiefen. Ein solches Abkommen könnte die wirtschaftlichen Beziehungen stärken und neue Möglichkeiten für Unternehmen auf beiden Seiten eröffnen.

Herausforderungen bei den Verhandlungen

Trotz des gemeinsamen Interesses an einem Freihandelsabkommen gibt es zahlreiche Herausforderungen. Dazu gehören Differenzen bei Zöllen, insbesondere auf landwirtschaftliche Produkte und Industriegüter, sowie unterschiedliche Ansichten zu Umwelt- und Sozialstandards. Zudem bestehen Bedenken hinsichtlich des Schutzes geistigen Eigentums und der Datenregulierung. Diese Themen erfordern sorgfältige Verhandlungen, um eine für beide Seiten vorteilhafte Lösung zu finden.

Strategische Bedeutung der Zusammenarbeit

Die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indien und der EU hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch strategische Bedeutung. In einer Zeit zunehmender geopolitischer Unsicherheiten können starke Partnerschaften dazu beitragen, Stabilität zu fördern und gemeinsame Werte zu verteidigen. Eine enge Zusammenarbeit könnte auch dazu beitragen, globale Herausforderungen wie den Klimawandel und die Digitalisierung gemeinsam anzugehen.

Fazit

Während die direkten wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Indien und Europa derzeit begrenzt sind, könnten geopolitische Spannungen in Südasien und Indiens wachsende Rolle in der globalen Ordnung langfristige Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben. Insbesondere mögliche Störungen in den globalen Lieferketten und Veränderungen in den Energiemärkten sollten von europäischen Entscheidungsträgern aufmerksam beobachtet werden. Die laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen bieten die Chance, die wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken und gemeinsame Herausforderungen anzugehen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.