
Erneut hat eine Großdemonstration in der britischen Hauptstadt für Schlagzeilen gesorgt. Über 425 Menschen wurden bei einer Pro-Palästina-Demo im Zentrum Londons festgenommen. Hintergrund ist das Verbot der Gruppe Palestine Action, dessen Unterstützung seit Juli 2025 als Straftat gilt. Der Protest verdeutlicht die wachsende Spannung zwischen staatlicher Sicherheitspolitik und der Verteidigung von Meinungsfreiheit.
Hintergrund: Das Verbot von Palestine Action
Die britische Regierung setzte im Juli 2025 ein deutliches Zeichen, als sie die Aktivistengruppe Palestine Action unter den Terrorism Act stellte. Auslöser waren unter anderem spektakuläre Aktionen, bei denen Aktivisten in einen Royal Air Force-Stützpunkt eindrangen und dort Schäden an militärischem Gerät verursachten. Laut Regierungsangaben entstanden durch diese und andere Kampagnen Millionenschäden. Das Verbot bedeutet: Bereits das öffentliche Bekennen zur Unterstützung der Gruppe – ob durch Plakate, Slogans oder Social-Media-Posts – kann strafbar sein und mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden.
Der Tag der Proteste in Westminster
Am 6. September 2025 versammelten sich laut Beobachtern bis zu 1.500 Menschen auf dem Parliament Square. Sie protestierten gegen die Proskription von Palestine Action und machten auf ihrer Sicht nach auf eine „Kriminalisierung von Meinungsäußerung“ aufmerksam. Viele hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie „I oppose genocide. I support Palestine Action“. Die Metropolitan Police, die über 2.500 Beamtinnen und Beamte einsetzte, reagierte entschlossen. Bis zum Abend kam es zu mehr als 425 Festnahmen.
Die Polizei begründete ihr Vorgehen mit Angriffen auf Einsatzkräfte, darunter Schläge, Tritte und Bespucken. Auch seien Beamte mit Gegenständen beworfen worden. Aktivisten und Organisatoren bestritten diese Darstellung jedoch und betonten, es habe sich um einen friedlichen Sitzprotest gehandelt.
Kontroversen um Polizeieinsatz und Gewalt
Mehrere Beobachter vor Ort berichteten von Szenen, in denen Schlagstöcke gezogen wurden und Demonstranten gewaltsam am Boden fixiert wurden. Videos, die über soziale Medien verbreitet wurden, zeigen, wie Personen allein aufgrund von Schildern mit Solidaritätsbotschaften festgenommen wurden. Ein Aktivist kommentierte: „Und ich bin ein Terrorist? Das ist ein Witz.“
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International äußerten scharfe Kritik. Ein Sprecher sagte: „Die Massenfestnahmen zeigen, dass in diesem Land etwas sehr falsch läuft.“ Auch der UN-Menschenrechtschef Volker Türk warnte, dass die Proskription von Palestine Action den Begriff Terrorismus verwässere und damit legitime Protestformen kriminalisiere.
Parallelproteste und gesellschaftliche Spaltung
Parallel zu den Festnahmen fand in London eine deutlich größere Pro-Palästina-Demonstration statt, an der rund 20.000 Menschen teilnahmen. Diese verlief weitgehend friedlich, wie die Polizei bestätigte. Die Trennung zwischen legalen Solidaritätsbekundungen und illegaler Unterstützung der verbotenen Gruppe bleibt jedoch für viele Demonstranten unscharf.
Einige Polizisten sollen sich laut Berichten auf Social Media unwohl dabei gefühlt haben, friedliche Demonstranten festzunehmen. Anonyme Stimmen aus den Reihen der Metropolitan Police sprachen von einem „beschämenden Einsatz“. Damit wird deutlich, dass die Spannungen nicht nur zwischen Regierung und Protestbewegung bestehen, sondern auch innerhalb der Behörden selbst.
Fragen aus der Bevölkerung: Was bedeutet das Verbot konkret?
Warum wurden bei der Palestine Action-Demonstration in London Menschen festgenommen?
Die Festnahmen erfolgten überwiegend aufgrund von Verstößen gegen den Terrorism Act. Schon das offene Zeigen von Unterstützung für Palestine Action – etwa durch ein Schild oder einen Aufkleber – gilt seit Juli 2025 als Straftatbestand. Viele der über 425 Festgenommenen fielen genau unter diesen Vorwurf.
Wer ist Defend Our Juries und welche Rolle spielt die Gruppe beim Protest?
Defend Our Juries ist eine Unterstützergruppe, die sich für Angeklagte und Aktivisten einsetzt, die im Zusammenhang mit Umwelt- und Palästina-Protesten strafrechtlich verfolgt werden. Die Organisation spielte eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung für die Demonstration am 6. September. Sie wies darauf hin, dass es nicht darum gehe, Gewalt zu rechtfertigen, sondern staatliche Überdehnung des Terrorismusbegriffs sichtbar zu machen.
Wie viele Festnahmen gab es insgesamt seit dem Verbot?
Seit der Proskription am 5. Juli 2025 wurden mindestens 1.169 Menschen festgenommen. Die größte Massenverhaftung zuvor ereignete sich am 9. August, als 532 Personen an einem einzigen Tag in Polizeigewahrsam genommen wurden. Die Demonstration vom 6. September mit über 425 Festnahmen reiht sich nahtlos in diese Serie ein.
Prominente Festnahmen und symbolische Fälle
Unter den Festgenommenen befanden sich bekannte Persönlichkeiten wie der ehemalige Guantanamo-Häftling Moazzam Begg sowie der Aktivist Piers Corbyn. Ihre Festnahmen sorgten für zusätzliche öffentliche Aufmerksamkeit, da beide bereits in der Vergangenheit bei politischen Aktionen in Erscheinung getreten waren.
Besonders medienwirksam war auch die Festnahme älterer Teilnehmer. Mehrere über 60-Jährige wurden abgeführt, darunter eine 81-jährige Frau, die sich bewusst an der Protestaktion beteiligte. Diese Bilder führten zu erhöhter Kritik am Vorgehen der Polizei.
Juristische Dimensionen
Unter welchen Paragrafen finden die Gerichtsverfahren statt?
Die Verfahren laufen überwiegend nach Section 13 des Terrorism Act 2000, die „support for a proscribed organisation“ unter Strafe stellt. Viele Fälle werden vor Magistrates’ Courts verhandelt und führen eher zu Geldstrafen oder Auflagen als zu langen Haftstrafen. Dennoch bleibt das Risiko für Betroffene erheblich, da die Gesetzgebung harte Obergrenzen bis zu 14 Jahren vorsieht.
Kritik von internationalen Stimmen
Internationale Beobachter sehen die Lage mit Sorge. Die Vereinten Nationen warnen davor, dass die britische Regierung den Begriff „Terrorismus“ überdehne. Dadurch drohe, dass friedliche politische Bewegungen in die Nähe extremistischer Gruppen gerückt werden. Prominente Kulturschaffende wie die Schriftstellerin Sally Rooney äußerten ebenfalls öffentlich Unterstützung für die Betroffenen.
Persönliche Konsequenzen für Demonstrierende
Wird friedlicher Protest gegen das Verbot kriminalisiert?
Für viele Beteiligte ist die Antwort eindeutig: Ja. Schon das Halten eines Schildes mit Solidaritätsbotschaft führte zur Festnahme. Auf Reddit berichten Teilnehmer, dass sie berufliche Nachteile und Karriererisiken in Kauf nehmen, um gegen das Verbot zu demonstrieren. Eine Nutzerin schrieb, sie protestiere weniger für Palestine Action selbst, sondern vielmehr gegen die politische Repression, die sie in der Gesetzesanwendung sieht.
Tabellarische Übersicht: Chronologie der Festnahmen seit Juli 2025
Datum | Ort | Anzahl Festnahmen | Besonderheiten |
---|---|---|---|
5. Juli 2025 | Verschiedene Orte | Mehrere Dutzend | Unmittelbar nach Proskription |
9. August 2025 | London | 532 | Größte Massenfestnahme seit den 1960ern |
6. September 2025 | Parliament Square, London | 425+ | Fokus des aktuellen Protests |
Politische Reaktionen und Ausblick
Innenministerin Yvette Cooper verteidigte das Verbot und die Polizeieinsätze vehement. Sie betonte, dass die Einstufung von Palestine Action notwendig sei, um kritische Infrastruktur und militärische Einrichtungen zu schützen. Kritikern wirft sie vor, den Ernst der Angriffe zu verharmlosen. Gleichzeitig kündigten Oppositionsparteien an, die rechtliche Grundlage prüfen zu lassen und eine Überarbeitung des Terrorism Act zu fordern.
Am 25. September 2025 ist eine Gerichtsanhörung angesetzt, bei der das Verbot juristisch überprüft werden soll. Viele Beobachter sehen darin einen entscheidenden Moment, der nicht nur über die Zukunft von Palestine Action entscheidet, sondern auch über die Frage, wie weit demokratische Staaten in der Einschränkung von Protest gehen dürfen.
Die Massenfestnahmen von London stehen exemplarisch für eine tiefe gesellschaftliche und politische Spaltung im Vereinigten Königreich. Während die Regierung auf Sicherheit, Ordnung und Schutz staatlicher Einrichtungen pocht, sehen Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen eine beispiellose Einschränkung fundamentaler Freiheiten. Der Fall zeigt, wie sehr der Umgang mit Protestbewegungen zum politischen Prüfstein wird. Ob sich dieser harte Kurs als rechtlich haltbar erweist, wird das kommende Gerichtsurteil zeigen. Fest steht schon jetzt: Die Auseinandersetzung um die Pro-Palästina-Demonstrationen in London hat das Land nachhaltig geprägt und dürfte auch international weiter Beachtung finden.