DB-Krise spitzt sich zu Bahn-Vorständin Nikutta unter Druck: Gewerkschaft fordert Absetzung der Cargo-Chefin

In Politik
Oktober 14, 2025

Der Streit um die Führung der Gütersparte der Deutschen Bahn erreicht einen neuen Höhepunkt. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert in einem scharf formulierten Brief die Abberufung von DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Während die Gewerkschaft von „kopflosem Schrumpfen“ spricht, betont Nikutta, sie steuere den Konzern entschlossen in Richtung Profitabilität. Die Auseinandersetzung offenbart tiefe Brüche innerhalb der Bahn und rückt die Zukunft des Güterverkehrs in Deutschland in den Fokus.

EVG fordert den Rücktritt: Scharfer Angriff auf Nikuttas Führungsstil

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat die EVG die Abberufung von Sigrid Nikutta als Vorstandsvorsitzende der Deutschen-Bahn-Tochter DB Cargo gefordert. In einem dreiseitigen Schreiben, das an Bahn-Vorständin Evelyn Palla und Aufsichtsratschef Werner Gatzer adressiert war, bezeichnet die Gewerkschaft Nikuttas Amtsführung als „Belastung für die Zukunft der Gütersparte“. Der Ton ist unmissverständlich: „Eine Zukunft von DB Cargo kann es nur geben, wenn Frau Nikutta dort keine Zukunft mehr hat.“

Die EVG stützt ihre Kritik auf eine ernüchternde Bilanz: Seit dem Amtsantritt Nikuttas im Jahr 2020 habe DB Cargo über 3,1 Milliarden Euro Verlust erwirtschaftet. Interne Umfragen bestätigen die schlechte Stimmung – rund 42 Prozent der Beschäftigten sehen die Zukunft des Unternehmens als „sehr negativ“. Besonders der Vorwurf, Nikutta betreibe keine Sanierung, sondern Abwicklung, sorgt für Unruhe: Standortschließungen, Personalabbau und der Verkauf betrieblicher Ressourcen hätten Vertrauen und Motivation zerstört.

Die zentralen Kritikpunkte im Überblick

  • Über 3,1 Milliarden Euro Verlust seit 2020
  • Abbau von Arbeitsplätzen und Schließung ganzer Werkstätten
  • Fokus auf externe Vergaben statt interner Lösungen
  • Vorwurf der Selbstinszenierung auf Social Media
  • Sinkende Mitarbeiterzufriedenheit laut interner Umfrage

Hintergrund: Warum die EVG den Rauswurf fordert

Die EVG wirft Nikutta vor, die strategische Verantwortung zu vernachlässigen. Statt einer nachhaltigen Reformstrategie sei eine „Strategie des kopflosen Schrumpfens, Kleinmachens und Zerstückelns“ zu beobachten. Die Gewerkschaft kritisiert außerdem, dass Nikutta sich zunehmend in der Öffentlichkeit präsentiere, während im Unternehmen grundlegende Strukturprobleme ungelöst blieben. In sozialen Netzwerken sei sie laut Kritikern als „Influencerin in eigener Sache“ aktiver als als Krisenmanagerin.

In Bahnforen und sozialen Medien wird die Auseinandersetzung hitzig diskutiert. Auf Reddit etwa wird spekuliert, ob die EVG selbst politische Motive verfolge, um Einfluss auf die Neubesetzung der Cargo-Spitze zu nehmen. Gleichzeitig betonen Nutzer, dass die aktuelle EU-Vorgabe, bis 2026 schwarze Zahlen zu schreiben, DB Cargo in eine wirtschaftliche Zwangslage bringe. Diese Vorgabe untersagt künftig jegliche Quersubventionierung innerhalb des Bahnkonzerns – eine Herausforderung, die laut Beobachtern strukturelle Reformen erzwingt.

„Tafelsilber wird verkauft“ – was hinter dem Vorwurf steckt

Ein wiederkehrendes Thema in der Kritik lautet, dass Nikutta wichtige Unternehmenswerte aufgebe. Interne Unterlagen sollen zeigen, dass Maschinen, Grundstücke und Werkstätten verkauft oder stillgelegt wurden, um kurzfristig Kosten zu senken. Die EVG bezeichnet dieses Vorgehen als „Verkauf des Tafelsilbers“. Besonders hart trifft die Schließung von Wartungsstandorten wie Mainz-Bischofsheim, die auch logistische Ketten beeinträchtigen.

Restrukturierung und Sparprogramm: Nikuttas eigene Sicht

Auf die Vorwürfe reagierte Sigrid Nikutta bislang zurückhaltend, betonte jedoch wiederholt, dass sie eine „notwendige Transformation“ vorantreibe. Sie argumentiert, DB Cargo müsse in Zukunft eigenständig profitabel wirtschaften – ohne finanzielle Rückendeckung aus dem Mutterkonzern. Diese Linie sei nicht populär, aber „alternativlos“ angesichts europäischer Wettbewerbsauflagen. Bereits 1.500 Mitarbeitende seien 2024 im Zuge der Restrukturierung umgesetzt, in den Ruhestand verabschiedet oder freiwillig ausgeschieden.

In einem Interview erklärte Nikutta: „Es geht nicht um Schrumpfen, sondern um Stärken. Wir müssen Strukturen dezentralisieren, schneller werden und die Nähe zum Markt wiederherstellen.“ Kritiker sehen darin jedoch eine Schönfärbung der massiven Kürzungen. Denn hinter den angekündigten „Effizienzsteigerungen“ stehen laut internen Papieren massive Personalreduktionen – bis zu 5.000 Stellen sollen bis 2028 wegfallen.

Wie sieht die Restrukturierung konkret aus?

MaßnahmeZielAuswirkung
Dezentralisierung der GeschäftsbereicheVerbesserung der regionalen EffizienzVerlagerung von Entscheidungskompetenzen
Abbau von 5.000 Stellen bis 2028Kostensenkung um 20 %Verlust von Know-how und Erfahrung
Rückzug aus dem EinzelwagenverkehrReduktion unprofitabler SegmenteWeniger Service für kleinere Kunden
Verkauf von Anlagen und WerkstättenKurzfristige LiquiditätLangfristige Abhängigkeit von externen Partnern

Ökonomische Lage: Zahlen, Verluste und Marktdruck

Die wirtschaftliche Situation der Gütersparte ist angespannt. Im ersten Halbjahr 2025 sank der Umsatz um rund 9 Prozent auf etwa 2,5 Milliarden Euro. Der operative Verlust belief sich auf 96 Millionen Euro. Diese Zahlen sind Ausdruck eines strukturellen Problems: steigende Energiekosten, Konkurrenz durch den Straßengüterverkehr und ineffiziente Logistikabläufe belasten die Bahn. Zudem gilt der Einzelwagenverkehr als kaum profitabel, da er hohe Fixkosten bei geringer Auslastung verursacht.

Frage: Wie viel Verlust hat DB Cargo seit Nikuttas Amtsantritt gemacht?

Seit 2020 summieren sich die Verluste auf mehr als 3,1 Milliarden Euro – ein Minus, das nach Einschätzung vieler Branchenexperten kaum ohne tiefgreifende Umstrukturierungen kompensierbar ist.

Frage: Welche Restrukturierungsmaßnahmen plant DB Cargo?

Geplant sind Dezentralisierung, massiver Stellenabbau und die Konzentration auf rentable Strecken. Zudem wird die Integration neuer Technologien im Bereich Datenanalyse und KI geprüft, um Betriebskosten zu reduzieren.

Die EU-Vorgaben und ihre Folgen

Ein oft übersehener Aspekt in der Debatte sind die EU-Auflagen zur Rentabilität. Ab 2026 darf die Deutsche Bahn ihre Gütersparte nicht mehr intern querfinanzieren. Damit entfällt die Möglichkeit, Verluste von DB Cargo durch Gewinne aus anderen Konzernbereichen auszugleichen. Branchenbeobachter sehen darin eine politische Weichenstellung: Entweder wird DB Cargo eigenständig erfolgreich, oder die Gütersparte muss sich in kleinere Einheiten aufspalten, um zu überleben.

Für Nikutta ist das ein Auftrag zur Modernisierung – für die Gewerkschaft ein Risiko für tausende Arbeitsplätze. Während die EVG warnt, dass der Sparkurs den Standort Deutschland gefährde, verweisen Ökonomen auf die Notwendigkeit, ineffiziente Strukturen zu reformieren, um im europäischen Wettbewerb bestehen zu können.

Frage: Warum fordert die EVG den Rauswurf von Nikutta?

Die Gewerkschaft sieht in ihrem Kurs weniger eine Sanierung als eine Demontage der Gütersparte. Man wirft ihr vor, kurzfristige Einsparungen über langfristige Stabilität zu stellen und Mitarbeiterinteressen zu ignorieren. Aus Sicht der EVG müsse ein Neuanfang mit anderer Führung her, um das Vertrauen der Belegschaft zurückzugewinnen.

Reaktionen aus der Belegschaft und Öffentlichkeit

In sozialen Medien wächst die Kritik. Unter Hashtags wie #DBCargo und #Nikutta verbreiten sich Kommentare von Beschäftigten, die über Unsicherheit, Umstrukturierungen und Arbeitsplatzverluste berichten. Ein Nutzer auf X schrieb: „Wir sollen Effizienz leben, aber niemand erklärt, wie das ohne Leute gehen soll.“ Andere werfen der EVG vor, politische Interessen zu verfolgen und keine eigenen Lösungsvorschläge zu liefern.

Auch in Fachforen wie Drehscheibe-Online wird diskutiert, ob der EVG-Brief mehr Schaden als Nutzen anrichte. Einige Eisenbahner verteidigen Nikutta: „Sie hat das Desaster nicht verursacht, sie versucht es zu retten“, schreibt ein langjähriger Mitarbeiter. Diese Stimmen bleiben jedoch in der Minderheit – die Mehrzahl hält ihren Führungsstil für zu medienorientiert und zu weit entfernt vom Betriebsalltag.

Frage: Was sind die Reaktionen von Beschäftigten?

In internen Umfragen geben 42 Prozent der Mitarbeiter an, die Zukunft des Unternehmens pessimistisch zu sehen. Viele berichten von Überforderung, fehlender Kommunikation und einem Verlust des Zusammenhalts. Einzelne sehen die Schuld nicht allein bei Nikutta, sondern im Gesamtsystem des Bahnkonzerns, das auf kurzfristige politische Ziele ausgerichtet sei.

Wie es weitergehen könnte

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat angekündigt, die Lage bei DB Cargo prüfen zu lassen. Ein externes Gutachten soll klären, ob Nikuttas Kurs die gewünschte Wirkung erzielt oder ob tatsächlich Fehlentscheidungen vorliegen. Unterdessen wächst der politische Druck. Die Bundesregierung, die 100 Prozent der Bahnanteile hält, wird sich kaum dauerhaft gegen die öffentliche Kritik an der Unternehmensführung stellen können.

Schlussbetrachtung: Zwischen Sparkurs und Zukunftsauftrag

Der Streit um Sigrid Nikutta ist weit mehr als ein persönlicher Konflikt – er steht sinnbildlich für die strukturellen Herausforderungen des deutschen Schienengüterverkehrs. Zwischen Wettbewerbsdruck, EU-Auflagen und internen Machtkämpfen versucht die Bahn, einen Weg in die Rentabilität zu finden. Ob Nikutta diesen Weg fortsetzen darf oder gehen muss, wird in den kommenden Wochen entschieden.

Unabhängig vom Ausgang zeigt sich: Die Zukunft von DB Cargo hängt nicht allein an einer Person. Sie entscheidet sich an der Frage, ob es gelingt, wirtschaftliche Vernunft mit sozialer Verantwortung zu verbinden. Nur wenn beides gelingt, hat die Gütersparte der Deutschen Bahn tatsächlich eine Zukunft – mit oder ohne Sigrid Nikutta.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.