860.000 Betroffene Pflegegrad 1 im Fokus: Bundesregierung prüft strengere Regeln für Haushaltshilfen

In Politik
November 08, 2025

Berlin, 8. November 2025 – Die Bundesregierung erwägt eine Reform der Leistungen für Menschen mit Pflegegrad 1. Nach aktuellen Informationen sollen Haushaltshilfen künftig nicht mehr automatisch für alle Anspruchsberechtigten bewilligt werden. Stattdessen soll geprüft werden, ob und welche Unterstützung im Einzelfall notwendig ist. Von der möglichen Neuregelung wären bundesweit mehr als 860.000 Menschen betroffen, die derzeit monatlich 131 Euro Entlastungsbetrag erhalten.

Pflegegrad 1: Aktueller Leistungsumfang und mögliche Änderungen

Pflegegrad 1 wurde 2017 eingeführt, um Menschen mit geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit zu unterstützen. Derzeit steht Betroffenen kein Pflegegeld zu, wohl aber der sogenannte Entlastungsbetrag in Höhe von 131 Euro pro Monat. Diese Summe kann für haushaltsnahe Dienstleistungen, Begleitung im Alltag oder Unterstützung im Haushalt verwendet werden. Die Leistungen beruhen auf § 45b SGB XI und werden über die Pflegekassen abgewickelt.

Nach Aussagen der Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Katrin Staffler, soll künftig geprüft werden, „ob und welche Haushaltshilfe im Einzelfall wirklich sinnvoll ist“. Damit würde die bisherige pauschale Auszahlung des Entlastungsbetrags zur Diskussion stehen. Ziel sei es, die Leistungen gezielter einzusetzen und Missbrauch zu verhindern.

Was der Entlastungsbetrag abdeckt

Der Entlastungsbetrag gilt für alle Pflegegrade 1 bis 5 in der häuslichen Pflege und dient der Finanzierung von Unterstützungsangeboten wie:

  • Haushaltshilfe (Reinigung, Einkäufe, Wäschepflege)
  • Begleitung zu Terminen oder Freizeitaktivitäten
  • Unterstützung bei leichten Alltagsaufgaben
  • Hausnotruf oder technische Hilfsmittel

Mit Pflegegrad 1 haben Betroffene Anspruch auf diese Leistungen, solange sie zu Hause leben und die Unterstützung durch anerkannte Dienstleister erfolgt. Private Helfer, die nicht über einen zugelassenen Dienstleister tätig sind, werden in der Regel nicht anerkannt.

Politische und gesellschaftliche Diskussion

Der Vorschlag, Haushaltshilfen bei Pflegegrad 1 auf den Prüfstand zu stellen, hat eine breite Debatte ausgelöst. Während die Bundesregierung auf Einsparungen verweist, warnen Sozialverbände und Patientenvertreter vor negativen Folgen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezeichnete die Überprüfung der Leistungen als „nicht zielführend und verletzend für viele hilfebedürftige Menschen“. Sie betont, dass der Pflegegrad 1 für viele Betroffene entscheidend sei, um Selbstständigkeit und Lebensqualität zu erhalten.

Parallel wird in Berlin eine umfassendere Reform des Pflegesystems diskutiert. Interne Überlegungen sehen vor, den Pflegegrad 1 ganz abzuschaffen, was Einsparungen von rund 1,8 Milliarden Euro bringen könnte. Hintergrund sind steigende Pflegekosten und eine Finanzierungslücke von rund sechs Milliarden Euro in der Pflege- und Krankenversicherung. Eine offizielle Entscheidung liegt dazu jedoch nicht vor.

Zahlen und Fakten zur Pflege in Deutschland

JahrPflegebedürftige gesamtDavon Pflegegrad 1Anteil in %
20235,7 Millionenca. 778.00017,1 %

Etwa 17,7 Prozent aller ambulant versorgten Pflegebedürftigen sind dem Pflegegrad 1 zugeordnet. Diese Gruppe umfasst vor allem Menschen, die geringe körperliche oder kognitive Einschränkungen haben und noch weitgehend selbstständig leben. Der Entlastungsbetrag hilft ihnen dabei, länger im eigenen Zuhause zu bleiben.

Herausforderungen in der praktischen Umsetzung

In Online-Foren und sozialen Netzwerken berichten viele Nutzer von Problemen bei der Nutzung des Entlastungsbetrags. Einige schildern, dass Pflegedienste reine Hauswirtschaftsleistungen häufig ablehnen, weil sie wirtschaftlich weniger attraktiv sind als pflegerische Tätigkeiten. So entsteht eine Lücke zwischen Anspruch und tatsächlicher Verfügbarkeit von Haushaltshilfen.

Ein weiteres Problem ergibt sich bei der privaten Organisation von Unterstützung. Angehörige, die im selben Haushalt leben oder verwandt sind, können in der Regel nicht über den Entlastungsbetrag bezahlt werden. Zudem akzeptieren viele Pflegekassen nur Rechnungen von anerkannten Dienstleistern. Dies erschwert es insbesondere alleinstehenden Menschen, den Betrag vollständig auszuschöpfen.

Voraussetzungen für die Inanspruchnahme

Für den Bezug einer Haushaltshilfe bei Pflegegrad 1 gelten klare Bedingungen. Die Pflegebedürftigen müssen:

  • einen anerkannten Pflegegrad 1 besitzen,
  • in häuslicher Umgebung leben,
  • einen zugelassenen Dienstleister nach Landesrecht beauftragen.

Die Kosten werden bis zu einem monatlichen Höchstbetrag von 131 Euro erstattet. Wird dieser Betrag überschritten, müssen die Mehrkosten privat getragen werden. Die Mittel können auf Antrag bis zum 30. Juni des Folgejahres angespart und nachträglich verwendet werden.

Häufige Fragen aus der Praxis

Hat man bei Pflegegrad 1 automatisch Anspruch auf eine Haushaltshilfe?

Ja. Mit der Einstufung in Pflegegrad 1 besteht Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI. Dieser kann für haushaltsnahe Dienstleistungen wie Reinigung oder Einkäufe genutzt werden. Eine automatische Auszahlung erfolgt jedoch nur bei entsprechender Beantragung und Nachweis der Leistung.

Kann die Haushaltshilfe privat organisiert werden?

Eine privat organisierte Haushaltshilfe kann eingesetzt werden, wenn sie den Anforderungen der Pflegekasse entspricht. Voraussetzung ist meist die Anerkennung nach Landesrecht oder eine Registrierung über einen Pflegedienst. Reine Privatpersonen ohne Zertifizierung werden in vielen Fällen nicht erstattet.

Wie hoch ist der Entlastungsbetrag?

Der Betrag liegt bundesweit bei 131 Euro pro Monat. Diese Summe kann flexibel für verschiedene Entlastungsleistungen genutzt werden, etwa für Haushaltshilfen, Betreuung oder Unterstützung im Alltag.

Welche Voraussetzungen gelten für eine Haushaltshilfe?

Voraussetzung ist ein gültiger Pflegegrad 1, eine häusliche Pflegeform sowie ein zugelassener Dienstleister. Die Leistungen müssen im Rahmen des Entlastungsbetrags erbracht werden und sind nur dann erstattungsfähig, wenn der Anbieter offiziell anerkannt ist.

Was passiert, wenn die Kosten höher sind als 131 Euro?

Übersteigen die monatlichen Ausgaben für die Haushaltshilfe den Entlastungsbetrag, müssen Pflegebedürftige den Differenzbetrag selbst tragen. Eine Aufstockung oder zusätzliche Leistung ist im aktuellen System nicht vorgesehen.

Struktur und Verwaltung der Leistungen

Der Entlastungsbetrag wird von den Pflegekassen verwaltet und kann ausschließlich für zweckgebundene Leistungen verwendet werden. Die Anerkennung der Anbieter erfolgt durch die Bundesländer. Damit soll sichergestellt werden, dass die Qualität der Dienstleistungen den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Viele Pflegekassen empfehlen ihren Versicherten, sich vor der Beantragung einer Haushaltshilfe beraten zu lassen. So können passende Anbieter ausgewählt und die Erstattung korrekt abgewickelt werden. Eine eigenständige Beauftragung ohne Beratung führt in manchen Fällen zu Ablehnungen oder Verzögerungen bei der Kostenerstattung.

Diskussion um Reform und mögliche Auswirkungen

Die Überprüfung der Leistungen für Pflegegrad 1 ist Teil einer größeren Diskussion über die Zukunft der Pflegeversicherung. Angesichts steigender Ausgaben und des demografischen Wandels steht das System unter Druck. Laut amtlicher Statistik stieg die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland seit 2017 um rund 40 Prozent. Der Pflegegrad 1 wächst dabei überproportional, weil immer mehr Menschen frühzeitig eine Begutachtung beantragen.

Die mögliche Streichung oder Einschränkung des Entlastungsbetrags hätte vor allem für Menschen mit leichten Einschränkungen Folgen. Sie sind in vielen Fällen auf diese Unterstützung angewiesen, um Alltagsaufgaben weiterhin selbstständig bewältigen zu können. Sozialverbände weisen darauf hin, dass diese niedrigschwellige Hilfe eine präventive Funktion habe und den Übergang in höhere Pflegegrade verzögere.

Statistische Bedeutung und Reichweite

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind knapp 18 Prozent aller ambulant betreuten Pflegebedürftigen dem Pflegegrad 1 zugeordnet. Das entspricht rund 778.000 Personen. Zusammen mit den stationären Fällen ergibt sich eine Gesamtzahl von über 860.000 Betroffenen. Diese Größenordnung verdeutlicht, dass jede Änderung im Leistungsumfang unmittelbare Auswirkungen auf eine große Bevölkerungsgruppe hätte.

Ausblick auf die weitere Entwicklung

Ob der Pflegegrad 1 künftig abgeschafft oder nur reformiert wird, bleibt offen. Klar ist jedoch, dass die Bundesregierung die Struktur der Pflegeleistungen anpassen will, um Kosten zu senken und Effizienz zu erhöhen. Die Diskussion über Haushaltshilfen bildet dabei einen ersten Schritt in einer umfassenderen Neuordnung der Pflegeversicherung.

Reflektierende Zusammenfassung

Die geplante Überprüfung der Haushaltshilfen bei Pflegegrad 1 markiert einen zentralen Punkt in der aktuellen Pflegereform-Debatte. Sie betrifft über 860.000 Menschen und rückt den Entlastungsbetrag von 131 Euro monatlich ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Während die Bundesregierung eine gezieltere Mittelverwendung anstrebt, verweisen Verbände und Betroffene auf die Bedeutung dieser Leistungen für Selbstständigkeit und Lebensqualität. Die kommenden Monate dürften zeigen, ob die geplante Reform lediglich eine Anpassung oder einen tiefgreifenden Einschnitt im deutschen Pflegesystem bedeutet.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.