Die Stadt Calw im nördlichen Schwarzwald feiert 2025 ein Ereignis von besonderer historischer Bedeutung: 950 Jahre seit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1075. Aus der einstigen Flößer- und Handwerkerstadt ist ein Kulturzentrum mit weitreichender Strahlkraft geworden. Das Jubiläumsjahr bringt nicht nur große Emotionen für die Einheimischen, sondern auch kulturelle Vielfalt, wirtschaftliche Impulse und einen kritischen Blick auf die städtische Zukunft.
Ein Festjahr mit überregionaler Strahlkraft
Das Jubiläum „950 Jahre Calw“ ist nicht nur ein Datum, sondern ein umfassendes Festjahr mit Veranstaltungen über alle zwölf Monate hinweg. Den Höhepunkt bildet das große Stadtfest vom 27. bis 29. Juni 2025. Auf einer 950 Meter langen Festmeile in der Innenstadt wird ein vielfältiges Programm geboten – mit fünf Bühnen, regionalen Essensständen, Vereinsaktionen, Kinderangeboten, Musik aller Genres und Begegnungen zwischen Tradition und Gegenwart.
Ein Fest von Bürgern für Bürger
Was das Jubiläum besonders macht: Es ist kein Event von außen, sondern eine Feier der Calwer selbst. Zahlreiche Ehrenamtliche, lokale Vereine, Künstler, Schulen und städtische Institutionen gestalten das Programm aktiv mit. Die Stadtverwaltung betont den integrativen Charakter: „Dieses Fest ist ein sichtbares Zeichen des Calwer Lebensgefühls – von Generationen für Generationen.“
Die Veranstaltungsorte – Calws Altstadt als Bühne
Die Calwer Altstadt, mit über 200 denkmalgeschützten Fachwerkhäusern, verwandelt sich an diesem Wochenende in eine lebendige Kulisse. Bühnen stehen auf dem Marktplatz, am Hermann-Hesse-Platz, in der Markt- und Altburger Straße, im Brühlpark und entlang des Nagoldufers. Dabei wird jede Bühne einem bestimmten Thema gewidmet: traditionell, modern, jugendlich, familienfreundlich oder künstlerisch.
Historische Wurzeln mit moderner Vermittlung
Calw blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Als Gründungskern gilt das Kloster Hirsau, dessen Ruinen heute zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Süddeutschlands zählen. Die Stadt wurde 1075 erstmals als „Chalawa“ urkundlich erwähnt. Im Mittelalter entwickelte sie sich zur wirtschaftlichen Drehscheibe durch Flößerei, Tuchhandel und später die Anbindung an die Schwarzwaldbahn.
Stadtgeschichte zum Anfassen
Im Jubiläumsjahr wird Geschichte erlebbar gemacht: Die Stadt bietet App-gestützte Stadtrundgänge, spezielle Nachtwächterführungen, interaktive Museumsausstellungen im Hesse-Museum und Palais Vischer sowie eine digitale Version der „Blauen Reihe“ – der historischen Jahrbücher der Stadt Calw.
Musikalische Identität und kulturelles Profil
Musik spielt im Festjahr eine zentrale Rolle. Neben lokalen Künstlern stehen überregionale Acts auf der Bühne – darunter Überraschungsgäste wie Vertreter des VfB Stuttgart, die sogar den DFB-Pokal mitbringen. Ergänzt wird das Programm durch das etablierte Festivalformat „Calw rockt“, das bereits seit 2004 jährlich Tausende Besucher auf den Marktplatz lockt.
„Calw rockt ist nicht nur Musik – es ist ein Ausdruck unseres kulturellen Selbstverständnisses“, so ein Mitglied der Organisation.
Auch die Udo-Lindenberg-Stiftung ist eingebunden. Mit ihr wurde bereits 2005 eine Kooperation ins Leben gerufen, um junge Talente im Rahmen des „Hesse-Rock-Festivals“ zu fördern. Damit verbindet Calw seine literarische Geschichte mit modernen Musikimpulsen.
Jenseits des Stadtfestes – Das Festjahr im Überblick
Das Stadtfest ist nur ein Teil des umfangreichen Festjahrs. Hier ein Überblick über zentrale Termine:
| Datum | Veranstaltung | Highlights |
|---|---|---|
| 30.–31. Mai | Bahnhofsfest | Dampflok-Hüpfburg, Oldtimer-Schienenbus, Stadtführungen |
| 27.–29. Juni | Jubiläums-Stadtfest | 5 Bühnen, Vereinsaktionen, Kulinarik, Livemusik |
| 5. Juli | Festumzug | Vereine, Schulen, Musikgruppen |
| 30. Juli–10. August | Klostersommer | Open-Air-Konzerte, Theater, Lesungen in Klosterruine Hirsau |
| August–Oktober | Gerbersauer Lesesommer | Literaturtouren, Hesse-Führungen, Stadtschreibertreffen |
Tourismus, Wirtschaft und Besucheransturm
Die Stadt rechnet über das Jahr verteilt mit Zehntausenden Besuchern. Allein das Bahnhofsfest zieht traditionell rund 10.000 Menschen an, der Klostersommer bis zu 15.000. Das Stadtfest könnte mit seinem dreitägigen Programm zu einem der größten Events in Calws Geschichte werden. Die Hotellerie der Region meldet bereits steigende Buchungszahlen, Restaurants und Einzelhandel hoffen auf Umsatzimpulse.
Wirtschaftlicher Rückenwind durch Veranstaltungen
Die touristische Vermarktung läuft über die Baden-Württemberg-Tourismuszentrale – mehrsprachig, gezielt auch auf internationale Besucher ausgelegt. Die Deutsche Fachwerkstraße hebt Calw als Etappenort hervor. Die Veranstaltungen stärken das Image der Stadt als traditionsbewusste, aber zukunftsgewandte Kulturstadt im Schwarzwald.
Infrastruktur im Wandel: Hesse-Bahn und Innenstadtkonzepte
Mit Blick auf die Infrastruktur plant Calw zur Jubiläumszeit einen wichtigen Schritt: die Reaktivierung der Hermann-Hesse-Bahn zwischen Weil der Stadt und Calw. Das Projekt soll den öffentlichen Nahverkehr stärken und eine umweltfreundliche Anreise zum Stadtfest ermöglichen. Parallel arbeiten Stadt und Veranstalter an einem umfassenden Verkehrskonzept für die Innenstadt, das Besucherströme lenken und Anwohner schützen soll.
Kritische Stimmen und Herausforderungen
So festlich das Jubiläum geplant ist, so groß sind auch die Herausforderungen. Einige lokale Akteure aus Kultur und Gewerbe äußern Sorgen über die hohe Belastung durch Organisation, Ehrenamt und Sicherheitsanforderungen. Auch Fragen zur Müllentsorgung, CO₂-Bilanz und barrierefreien Zugänglichkeit werden laut – bislang ohne konkrete öffentliche Antworten.
- Wie nachhaltig ist das Fest?
- Wie wird mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen umgegangen?
- Welche Rücklagen und Ressourcen werden benötigt?
Diese Fragen begleiten das Festjahr und eröffnen auch einen Diskurs über zukünftige Großveranstaltungen in historischen Stadtkernen.
Jubiläum mit Langzeitwirkung
Das Jubiläum „950 Jahre Calw“ ist mehr als eine Rückschau – es markiert auch einen Aufbruch. Es bringt die Stadtgesellschaft zusammen, stärkt kulturelle Strukturen, fördert den Tourismus und reflektiert gleichzeitig die eigene Zukunftsfähigkeit. Die Verbindung von Musik, Geschichte, Engagement und Innovation lässt ein Stadtbild entstehen, das weit über das Jubiläumsjahr hinaus wirken kann.
Oder wie es eine Besucherin beim Auftakt des Bahnhofsfests formulierte: „Man spürt, dass Calw nicht nur seine Geschichte feiert – sondern sich auch traut, neue Kapitel aufzuschlagen.“
