
Berlin, 14. Dezember 2025 – Wenn der Tag früh endet und die Nächte länger werden, beginnt für Jüdinnen und Juden weltweit eine Zeit des Lichts. In Wohnungen, Synagogen und auf öffentlichen Plätzen werden am Abend die ersten Kerzen entzündet. Chanukka, das jüdische Lichterfest, steht für Erinnerung, Standhaftigkeit und Hoffnung – und erhält in diesem Jahr eine besondere gesellschaftliche Bedeutung.
Chanukka – ein religiöses Fest mit historischer Tiefe
Mit dem heutigen Sonnenuntergang beginnt Chanukka, eines der bekanntesten jüdischen Feste. Es dauert acht Tage und endet am 22. Dezember. Das Chanukka-Fest folgt dem jüdischen Kalender und beginnt am 25. Kislew. Im Zentrum steht die Erinnerung an ein Ereignis aus dem 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung: die Wiedereinweihung des Zweiten Tempels in Jerusalem nach dem Sieg der Makkabäer über die hellenistische Fremdherrschaft.
Die religiöse Überlieferung erzählt von einem Wunder, das Chanukka bis heute prägt. Im Tempel fand sich nur noch eine kleine Menge geweihten Öls, ausreichend für einen einzigen Tag. Dennoch soll das Licht acht Tage lang gebrannt haben – genau so lange, bis neues Öl hergestellt werden konnte. Dieses Ölwunder ist zum zentralen Symbol des Chanukka-Festes geworden.
Die Chanukkia als sichtbares Zeichen
Der religiöse Kern von Chanukka zeigt sich im täglichen Entzünden der Chanukkia, eines neunarmigen Leuchters. Acht Kerzen stehen für die acht Tage des Wunders, eine zusätzliche Kerze – der sogenannte Shamash – dient dazu, die anderen Lichter zu entzünden. An jedem Abend kommt eine weitere Kerze hinzu, bis am letzten Festtag alle Lichter brennen.
Die Chanukkia wird traditionell so aufgestellt, dass sie von außen sichtbar ist – etwa am Fenster oder im Eingangsbereich. Damit folgt das Fest einem klaren Gedanken: Das Licht soll nicht verborgen bleiben, sondern nach außen wirken. Chanukka ist damit auch ein öffentliches Bekenntnis zum jüdischen Glauben und zur eigenen Geschichte.
Rituale, Bräuche und familiäre Traditionen
Chanukka ist kein strenger Feiertag mit Arbeitsverbot, sondern ein Fest, das stark vom familiären und gemeinschaftlichen Miteinander lebt. Viele Familien versammeln sich abends, sprechen Segenssprüche, singen traditionelle Lieder und verbringen Zeit miteinander. Besonders für Kinder spielt Chanukka eine wichtige Rolle.
Zum festen Bestandteil gehören Spiele mit dem Dreidel, einem viereckigen Kreisel mit hebräischen Buchstaben. Ebenso prägend sind Speisen, die in Öl gebacken werden – ein direkter Bezug zum historischen Ölwunder. Dazu zählen Latkes, knusprige Kartoffelpuffer, oder Sufganiyot, mit Marmelade gefüllte Krapfen.
Chanukka im öffentlichen Raum
In vielen Städten wird Chanukka längst nicht mehr nur im privaten Rahmen gefeiert. Öffentliche Chanukka-Leuchter gehören inzwischen zum festen Bild in zahlreichen Metropolen. Auch in Berlin, Frankfurt, München oder Hamburg werden große Leuchter auf zentralen Plätzen entzündet – begleitet von Musik, Reden und religiösen Zeremonien.
In der Hauptstadt finden Chanukka-Feiern unter anderem an Bezirksrathäusern und auf zentralen Plätzen statt. Vertreter jüdischer Gemeinden, Rabbiner sowie politische Repräsentanten nehmen regelmäßig an den Zeremonien teil. Die Veranstaltungen verstehen sich als Zeichen von Sichtbarkeit, Dialog und gesellschaftlicher Offenheit.
Zwischen Freude und wachsender Sorge
Das Chanukka-Fest 2025 steht jedoch nicht nur im Zeichen der Tradition, sondern auch unter dem Eindruck aktueller Entwicklungen. Internationale Ereignisse und konkrete Gewalttaten haben dazu geführt, dass viele jüdische Gemeinden ihre Feierlichkeiten mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen begehen.
Ein tödlicher Angriff auf eine Chanukka-Veranstaltung im australischen Sydney hat weltweit Bestürzung ausgelöst. Auch in Europa wird das jüdische Lichterfest in diesem Jahr von Mahnungen begleitet. Sicherheitsbehörden sind bei öffentlichen Chanukka-Feiern verstärkt präsent, viele Gemeinden arbeiten eng mit Polizei und Ordnungsdiensten zusammen.
Politische Präsenz und symbolische Gesten
In Berlin wurde das Chanukka-Fest am Brandenburger Tor mit einer zentralen Zeremonie eröffnet. Neben Vertretern der jüdischen Gemeinden nahmen auch hochrangige politische Gäste teil. Die gemeinsame Entzündung der ersten Kerze hatte dabei eine doppelte Bedeutung: religiöses Ritual und öffentliches Zeichen gegen Antisemitismus.
Ähnliche Bilder waren auch in anderen deutschen Städten zu sehen. Chanukka wurde vielerorts bewusst als Anlass genutzt, um Solidarität zu zeigen und die jüdische Gemeinschaft sichtbar zu unterstützen. Dabei ging es weniger um politische Statements als um das gemeinsame Bekenntnis zu religiöser Vielfalt und gesellschaftlichem Respekt.
Ein Fest der Identität in einer pluralen Gesellschaft
Chanukka gilt im religiösen Sinne nicht als eines der höchsten jüdischen Feste. Dennoch hat es im gesellschaftlichen Bewusstsein einen besonderen Stellenwert erlangt – auch, weil es zeitlich nahe an christliche Winterfeste heranrückt. Diese Nähe hat Chanukka in vielen Ländern zu einem wichtigen Identitätsanker gemacht.
Für Jüdinnen und Juden bedeutet Chanukka, die eigene Geschichte selbstbewusst zu erzählen. Für viele nichtjüdische Beobachter ist das Lichterfest zugleich eine Gelegenheit, jüdisches Leben als festen Bestandteil der Gesellschaft wahrzunehmen – sichtbar, offen und zugleich traditionsbewusst.
Licht als bleibende Botschaft
Die acht Tage von Chanukka stehen für mehr als ein historisches Wunder. Sie erzählen von religiöser Freiheit, von Widerstand gegen Unterdrückung und von der Kraft kleiner Zeichen. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spannungen spürbar sind, entfaltet diese Botschaft eine besondere Aktualität.
Wenn in den kommenden Abenden weitere Kerzen entzündet werden, wächst nicht nur das Licht der Chanukkia. Es wächst auch die Erinnerung daran, dass religiöse Feste Brücken schlagen können – zwischen Generationen, Kulturen und gesellschaftlichen Gruppen. Chanukka bleibt damit ein Fest, dessen Bedeutung weit über den religiösen Ursprung hinausreicht.