
Bretten. Die Stadt im Kraichgau sorgt mit einer klaren Entscheidung für Aufmerksamkeit: Sie führt keine Bettensteuer ein. Während in vielen Kommunen solche Abgaben als Einnahmequelle dienen, setzt Bretten auf Tourismusfreundlichkeit und wirtschaftliche Zurückhaltung.
Tourismusabgabe – eine nationale Debatte
Die Diskussion um die sogenannte Bettensteuer, auch Beherbergungssteuer oder Kulturförderabgabe genannt, ist in Deutschland seit Jahren ein kontroverses Thema. Immer mehr Städte und Gemeinden nutzen diese Möglichkeit, um zusätzliche Einnahmen für ihre kommunalen Haushalte zu generieren. Dabei ist die Praxis der Erhebung von Kommune zu Kommune unterschiedlich geregelt: Einige setzen auf einen festen Betrag pro Nacht, andere auf prozentuale Anteile am Übernachtungspreis.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung fällt die Entscheidung Brettens, keine Bettensteuer zu erheben, besonders auf. In unmittelbarer Nachbarschaft – etwa in Karlsruhe – wird die Steuer demnächst eingeführt. Das macht Brettens Weg zu einem bewussten Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Region.
Warum Bretten keine Bettensteuer erhebt
1. Geringes touristisches Aufkommen
Mit etwa 317 Betten in der Stadt und rund 35.000 Übernachtungen im Jahr gilt Bretten nicht als klassische Touristenhochburg. In diesem Kontext stellt sich die wirtschaftliche Effizienz einer Bettensteuer infrage. Die möglichen Mehreinnahmen wären vergleichsweise gering, stünden jedoch einem erheblichen Verwaltungsaufwand gegenüber.
2. Stadtimage und Wettbewerbsfähigkeit
Bürgermeister Nico Morast betonte, dass man die Attraktivität der Stadt nicht durch eine zusätzliche Abgabe gefährden wolle. „Eine Bettensteuer könnte die touristische Attraktivität überstrapazieren“, sagte Morast. Auch unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit sei die Entscheidung strategisch: Gäste, die in der Region unterwegs sind, könnten Bretten künftig als steuerfreie Alternative zu Karlsruhe bevorzugen.
3. Stimmen aus der Hotellerie
Die Haltung der Stadt trifft bei den Hotelbetrieben auf breite Zustimmung. Mirela Posa, Betreiberin des Hotels Rest Inn, formulierte es deutlich: „Alle Hotels haben genug Abgaben – eine Bettensteuer würde nur belasten.“ Auch Miltos Siliou vom Hotel Eulenspiegel warnte vor Wettbewerbsverzerrung durch eine uneinheitliche Praxis innerhalb der Region. Fredi Bodamer vom Landgasthof Diedelsheim ergänzte, dass seine Gäste eine solche Steuer mit Sicherheit nicht begrüßen würden.
Der Blick über den Tellerrand: Wie andere Städte mit der Bettensteuer umgehen
Großstädte profitieren
Anders sieht es in Großstädten aus. Berlin nimmt durch seine 5-prozentige City-Tax jährlich rund 35 Millionen Euro ein. Hamburg verdient mit einem gestaffelten System ebenfalls zweistellige Millionenbeträge. Die Einnahmen fließen dort oft direkt in den Ausbau touristischer Infrastruktur oder in die Kulturförderung.
Kleine Städte mit unterschiedlichen Ansätzen
In kleineren Städten wie Freiburg oder Dresden sind die Einnahmen deutlich geringer, meist im sechsstelligen Bereich. Diese Städte nutzen die Abgabe jedoch häufig gezielt zur Finanzierung touristischer Angebote. In Heidelberg, das wie Bretten auf die Steuer verzichtet, stehen wirtschaftliche Erwägungen und Bürgerfreundlichkeit im Vordergrund.
Rechtliche Aspekte
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bettensteuer 2022 für verfassungskonform erklärt – allerdings nur für private Übernachtungen. Geschäftsreisende müssen ausgenommen werden, was die Umsetzung komplexer macht. Kommunen stehen daher vor der Herausforderung, die Steuer rechtssicher, nachvollziehbar und ohne übermäßige Bürokratie zu gestalten.
Kritik an der Steuer: Bürokratie, Wettbewerbsverzerrung, Intransparenz
Wirtschaftsverbände schlagen Alarm
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) spricht sich klar gegen die Steuer aus. Sie schaffe neue Bürokratie, belaste die Betriebe unnötig und wirke sich negativ auf Investitionen aus. Auch der Steuerzahlerbund äußert regelmäßig Bedenken, dass Gäste durch die Steuer in benachbarte, günstigere Kommunen abwandern könnten.
Verlust des fairen Wettbewerbs
Ein zentraler Kritikpunkt ist die drohende Wettbewerbsverzerrung. Wenn in der einen Stadt eine Steuer erhoben wird und in der Nachbarstadt nicht, entsteht ein ungleiches Spielfeld. Für kleine, familiengeführte Hotels kann das existenzbedrohend sein, da sie Preisanpassungen oft nicht in gleichem Maße weitergeben können wie große Ketten.
Gästeerfahrung leidet
In sozialen Netzwerken und Foren wie Reddit oder Tripadvisor äußern sich Gäste zunehmend kritisch über Bettensteuern. Besonders in Verbindung mit Plattformen wie Airbnb sind viele Nutzer verwirrt über Zusatzkosten, die oft nicht im Buchungspreis enthalten sind. Manche Gastgeber erheben die Steuer separat, andere nicht – das sorgt für Intransparenz und Frust beim Check-in.
„10 % Steuer… Airbnb hat nicht die Möglichkeit, diese zu erheben. Die Gastgeber müssen sie bar kassieren und Gäste bei der Polizei registrieren.“ – Beitrag auf Reddit zum Aufenthalt in Barcelona
Regionale Gegensätze: Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg
Während Niedersachsen die Einführung der Steuer in vielen Städten vorantreibt – etwa in Hannover mit erwarteten 10 Millionen Euro jährlichen Einnahmen – ist die Situation in Bayern besonders. Dort ist die Bettensteuer rechtlich derzeit untersagt. Städte wie Nürnberg oder Augsburg fordern daher Änderungen oder erwägen sogar Klagen. Sie sehen in dem Verbot einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.
In Baden-Württemberg hingegen besteht Freiraum für die kommunale Entscheidung. Karlsruhe etwa erhebt ab Juli 2025 eine pauschale Abgabe von 3,50 Euro pro Nacht. Bretten geht bewusst einen anderen Weg.
Verwaltungsaufwand versus Nutzen: Ein Rechenbeispiel
Stadt | Übernachtungen/Jahr | Bettensteuer pro Nacht | Geschätzte Jahreseinnahmen |
---|---|---|---|
Berlin | ~34 Mio | 5 % | ~35 Mio € |
Freiburg | ~1 Mio | 5 % | ~2 Mio € |
Bretten | 35.000 | 3,50 € (hypothetisch) | ~122.500 € |
Der Vergleich zeigt: Der wirtschaftliche Nutzen für eine Stadt wie Bretten wäre gering – der bürokratische Aufwand und mögliche Gästeverluste dagegen hoch.
Mut zur Zurückhaltung
Bretten hat mit der Entscheidung, auf die Einführung einer Bettensteuer zu verzichten, einen mutigen und wirtschaftlich rationalen Weg eingeschlagen. In einer Zeit, in der viele Kommunen nach zusätzlichen Einnahmequellen suchen, setzt die Stadt auf Gästezufriedenheit, Standortvorteile und Verwaltungsvereinfachung.
Diese Entscheidung basiert auf realistischen Einschätzungen des touristischen Potenzials und einem klaren Bekenntnis zur Stärkung des lokalen Gastgewerbes. Gleichzeitig eröffnet sie Raum für eine breitere Diskussion: Muss jede Kommune denselben Weg gehen, oder liegt gerade in der differenzierten Betrachtung die Chance für nachhaltige Standortentwicklung?
Für Bretten jedenfalls gilt: Keine Steuer ist manchmal die bessere Entscheidung.