Forschungsprojekte an der Hochschule Pforzheim: Bedeutung, Schwerpunkte und aktueller Überblick

In Pforzheim
September 05, 2025
Mit Projekten in den Bereichen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und Werkstofftechnologien leistet sie einen substanziellen Beitrag zur Innovationslandschaft. Dieser Artikel beleuchtet die Schwerpunkte, aktuellen Entwicklungen und offenen Debatten rund um die Forschungsprojekte der Hochschule und ordnet sie in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext ein.

Die Rolle der Hochschule Pforzheim in der Forschungslandschaft

Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) nehmen im deutschen Wissenschaftssystem eine besondere Stellung ein. Sie sind in erster Linie auf anwendungsnahe Forschung ausgerichtet und schaffen Brücken zwischen akademischer Erkenntnis und wirtschaftlicher Umsetzung. Die Hochschule Pforzheim (HSPF) zählt hierbei zu den forschungsstärkeren Einrichtungen in Baden-Württemberg und verfügt über ein Profil, das sich aus der engen Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft, dem Mittelstand und internationalen Partnern speist.

Projekte reichen von ressourceneffizienter Produktion bis zu Zukunftstechnologien wie Digitalen Zwillingen oder Industrie 4.0.

Forschungsschwerpunkte und thematische Cluster

Die Forschungsaktivitäten der Hochschule Pforzheim sind in übergreifenden Schwerpunkten gebündelt. Zu den
zentralen Themenfeldern zählen Nachhaltigkeit, Werkstofftechnologien, Digital Engineering sowie Human-Centered Design.

Besonders prägend ist der Schwerpunkt Industrial Ecology, der Methoden der Ökobilanzierung, Stoffstromanalyse und des Umweltmanagements systematisch mit ingenieurwissenschaftlicher Praxis verbindet. Hinzu kommen Projekte im Bereich

Industrie 4.0, die sich mit cyber-physischen Systemen, Automatisierung und KI-Anwendungen befassen.

Nachhaltigkeit und Industrial Ecology

Der Fokus auf Nachhaltigkeit wird vor allem am Institut für Industrial Ecology (INEC) sichtbar. Hier stehen
Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und die Entwicklung von Methoden zur Bewertung von Umweltauswirkungen im Vordergrund.
Typische Methoden sind Life-Cycle-Assessment (LCA), Product Carbon Footprint (PCF) und
Material Flow Cost Accounting (MFCA). Projekte wie „CircoMod“ oder „DACE“ integrieren diese Methoden in
klima- und materialpolitische Szenarien und Datenkompetenzräume, um Unternehmen handlungsfähiger zu machen.

Digitalisierung und Smart Systems

Das Institut iOS³ befasst sich mit Themen wie KI, Edge-Computing und Security-Engineering.
Hier entstehen Lösungen, die Produktionssysteme durch Digitalisierung effizienter, flexibler und sicherer machen.
Ein Beispiel ist das Projekt „greenProd“, das sogenannte grüne Digitale Energiezwillinge entwickelt,
um Energieverbrauch und Emissionen in der Produktion dynamisch zu optimieren. Solche Ansätze sind insbesondere
für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bedeutsam, da sie mit vergleichsweise geringem Aufwand neue
Effizienzpotenziale erschließen.

Werkstofftechnologien und Rohstoffkritik

Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich der Werkstoffforschung, insbesondere bei Hochleistungsmagneten
und der Nutzung seltener Erden. Das Institut für Strategische Technologie- und Edelmetalle (STI) untersucht
Recyclingstrategien, additive Fertigung und Substitutionsmaterialien. Projekte wie „SUSMAGPRO“ und „REESilience“
sind auf europäischer Ebene stark sichtbar und adressieren die Abhängigkeit von Importen kritischer Rohstoffe.
Diese Forschung ist zentral für die Energiewende, da ohne leistungsfähige Magnete weder Elektromobilität noch
Windkraftanlagen in großem Maßstab möglich wären.

Europäische Forschungskooperationen und internationale Sichtbarkeit

Besonders hervorzuheben ist die Rolle der Hochschule Pforzheim als Koordinatorin im EU-Projekt „REESilience“.
Hier steht die Entwicklung resilienter Wertschöpfungsketten für Seltenerd-Magnete im Mittelpunkt. Die Koordination
durch eine HAW ist ein Indikator für den gestiegenen Stellenwert dieser Hochschulform im europäischen Wissenschaftsraum.
Ergänzend dazu zeigt das Projekt „SUSMAGPRO“, wie Pilotanlagen und Recyclingtechnologien für Seltene Erden aufgebaut werden können.
Durch diese Aktivitäten trägt die HSPF aktiv zur Umsetzung des europäischen Critical Raw Materials Act bei.

Diskussionen und offene Fragen in der Forschungspolitik

Trotz sichtbarer Erfolge bestehen auch kontroverse Diskussionen rund um die Forschungslandschaft der HAW.
Die Einführung des Promotionsrechts für HAW in Baden-Württemberg markiert einen Meilenstein, löst aber Debatten
über Qualitätsstandards und die Abgrenzung zu Universitäten aus. Kritiker warnen vor einer „Verdünnung“ des
wissenschaftlichen Niveaus, während Befürworter auf eine Stärkung regionaler Innovationssysteme verweisen.
Auch die Frage, wie Rankings die anwendungsorientierte Forschung adäquat erfassen können, bleibt offen.

Methodische Grundlagen und Theorien im Einsatz

Die methodische Fundierung der Forschungsprojekte basiert auf etablierten Ansätzen.
Dazu gehören systemische Modelle der industriellen Ökologie, digitale Datenräume,
Simulationstechniken und experimentelle Labore. Besonders die Integration von Ökobilanzierung
in Designprozesse eröffnet neue Perspektiven für nachhaltige Produktentwicklung.
Die Verbindung von Theorie und Praxis ist ein Markenzeichen der Pforzheimer Forschung.

Kritische Perspektiven und Herausforderungen

In verschiedenen Studien und Evaluierungen wird deutlich, dass die nachhaltige Verankerung
von Forschungsstrukturen an HAW eine Herausforderung bleibt. Förderzyklen sind oft kurz und
erschweren den Aufbau dauerhafter Infrastrukturen. Zudem wird die Balance zwischen
anwendungsnaher Forschung und Grundlagenarbeit immer wieder diskutiert.
Cloud-Nutzung und Datenschutz stellen weitere Spannungsfelder dar, gerade wenn es
um den Umgang mit sensiblen Forschungsdaten geht.

Praxisbezug und regionale Einbindung

Ein entscheidendes Merkmal der Hochschule Pforzheim ist die enge Zusammenarbeit mit regionalen
Unternehmen. Dies betrifft nicht nur klassische Industriebereiche, sondern auch Themen wie
Nachhaltigkeitsberichterstattung oder digitale Produktpässe. Durch Kooperationen mit dem Mittelstand,
durch Landesnetzwerke wie die „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“ und durch Verbundprojekte
entsteht ein engmaschiges Innovationsökosystem, in dem Forschungsergebnisse schnell in die Praxis
übertragen werden.

Langfristige Bedeutung und Ausblick

Die Forschungsprojekte an der Hochschule Pforzheim sind nicht nur für die regionale Wirtschaft von Relevanz,
sondern leisten Beiträge zu europäischen Strategien wie der Circular Economy und der Rohstoffsicherheit.
Künftige Entwicklungen werden zeigen, wie gut es gelingt, die aufgebauten Strukturen zu verstetigen und
internationale Sichtbarkeit weiter auszubauen. Besonders wichtig bleibt dabei die Frage, wie
anwendungsnahe Forschung und akademische Qualitätsstandards langfristig verbunden werden können.
Mit Projekten wie REESilience, DACE und greenProd hat die HSPF gezeigt, dass sie in der Lage ist,
innovative Themenfelder auf europäischer Ebene zu besetzen und mitzugestalten.

Tabellarische Übersicht wichtiger Forschungsprojekte

Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl an zentralen Projekten der Hochschule Pforzheim, ihre thematische Ausrichtung,
Förderquellen und den Bezug zu strategischen Zielen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Rohstoffsicherheit.

ProjektThemaFörderquelleLaufzeitZiele
REESilienceResiliente Wertschöpfungsketten für Seltenerd-MagneteHorizon Europe2022–2026Aufbau nachhaltiger Magnetproduktion, Reduzierung von Importabhängigkeiten
SUSMAGPRORecycling von PermanentmagnetenHorizon 20202019–2023Entwicklung von Pilotanlagen, Recyclingstrategien, Aufbau europäischer Wertschöpfung
greenProdGrüne Digitale Zwillinge für ProduktionBMWK2021–2024Energieeffizienz in der Industrie, Reduktion des CO₂-Fußabdrucks
DACEDatenkompetenzzentrum für Circular EconomyBMBF / NextGenerationEU2023–2026Entwicklung von Datenstandards, Ausbau von Kompetenzen für Kreislaufwirtschaft
CareWarnWearables zur GesundheitsüberwachungBMWK2020–2023Monitoring von Vitalparametern für geriatrische Pflege

Datenanalyse: Forschungsoutput und Sichtbarkeit

Eine Analyse der Publikationszahlen und EU-Förderungen verdeutlicht die steigende Sichtbarkeit der Hochschule Pforzheim im internationalen Kontext.
Nach Angaben verschiedener Rankings und Datenbanken wurden seit den frühen 2000er Jahren rund 2.800 Publikationen erfasst,
wobei die jährliche Anzahl an Fachartikeln insbesondere seit 2015 signifikant gestiegen ist. Dies korreliert mit der zunehmenden Beteiligung
an Horizon-2020- und Horizon-Europe-Projekten.

Publikationsentwicklung im Überblick

JahrAnzahl PublikationenZitationen pro JahrEU-Projektbeteiligungen
2010451200
2015803002
20201407505
2024200+1200+8

Aus den Zahlen wird erkennbar, dass sich die Hochschule Pforzheim von einer regional fokussierten HAW
zu einem zunehmend international vernetzten Forschungsakteur entwickelt.
Besonders auffällig ist der Anstieg bei den Zitationen, der auf eine gestiegene Relevanz und Rezeption
in der wissenschaftlichen Gemeinschaft hinweist.

Zitate aus Fachkreisen

„Die Hochschule Pforzheim zeigt beispielhaft, wie praxisorientierte Forschung
in strategische europäische Programme eingebunden werden kann. Ihre Rolle als
Koordinatorin im Horizon-Europe-Projekt REESilience unterstreicht die internationale
Bedeutung von HAW im Bereich der Ressourcensicherung.“ – Aus einer Stellungnahme
eines EU-Projektpartners im Bereich Werkstoffforschung.

„Besonders in der Verknüpfung von Lehre und Forschung ist die Hochschule Pforzheim stark.
Studierende werden früh in Projekte eingebunden, wodurch Wissenstransfer und
Nachwuchsförderung Hand in Hand gehen.“ – Aussage einer Vertreterin des Wissenschaftsrats.

FAQ: Häufig gestellte Fragen

Welche Forschungsschwerpunkte hat die Hochschule Pforzheim?

Die Hochschule Pforzheim konzentriert sich auf die Themen Nachhaltigkeit,
Digitalisierung, Werkstoffforschung und Human-Centered Design. Besonders wichtig ist der
Schwerpunkt Industrial Ecology, der Methoden wie Ökobilanzierung und Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt stellt.

Welche Bedeutung hat die internationale Kooperation?

Internationale Kooperationen, insbesondere im Rahmen von EU-Förderprogrammen wie Horizon Europe,
tragen wesentlich zur Sichtbarkeit und finanziellen Ausstattung der Hochschule bei.
Sie ermöglichen Pforzheim, an vorderster Front in Forschungsfeldern wie Kreislaufwirtschaft und
Ressourceneffizienz mitzuwirken.

Welche Rolle spielen KMU in der Forschungsarbeit?

KMU sind zentrale Partner der Hochschule Pforzheim. In Projekten wie greenProd oder DACE werden
praxisnahe Lösungen entwickelt, die kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu neuen Technologien erleichtern
und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Welche langfristigen Ziele verfolgt die Hochschule Pforzheim mit ihrer Forschung?

Langfristig geht es um die Verstetigung von Forschungsstrukturen, die Integration von Nachhaltigkeit
in allen Wirtschaftssektoren sowie die Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte, die in Industrie, Verwaltung
und Wissenschaft gleichermaßen gefragt sind.

Fazit

Die Hochschule Pforzheim steht exemplarisch für den Aufstieg der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften
in Deutschland und Europa. Während sie traditionell in der Lehre stark verankert war, hat sie sich in den
letzten zwei Jahrzehnten zunehmend als Forschungsinstitution etabliert, die international sichtbare Projekte
leitet und innovative Methoden in die Praxis überführt.

Besonders markant ist der Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, verkörpert durch das Institut für Industrial Ecology
und Projekte wie DACE oder CircoMod. Hier zeigt sich, dass wissenschaftlich fundierte Methoden wie Ökobilanzierung
oder Materialflusskostenrechnung nicht nur theoretische Konzepte bleiben, sondern aktiv in Produktentwicklung und
Unternehmensstrategien einfließen. Die Verbindung von Theorie und Praxis verleiht der Pforzheimer Forschung
eine besondere Relevanz.

Ein weiteres Feld, in dem die Hochschule herausragt, ist die Werkstoff- und Magnetforschung. Angesichts der
geopolitischen Bedeutung seltener Erden stellt Pforzheim mit Projekten wie REESilience sicher, dass Europa
unabhängiger von Importen wird. Dies ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein politisches und
gesellschaftliches Thema, das die Hochschule aktiv mitgestaltet.

Gleichzeitig steht die Hochschule Pforzheim wie viele HAW vor Herausforderungen: kurze Förderzyklen,
fehlende Verstetigung von Strukturen, die Balance zwischen praxisnaher Forschung und wissenschaftlichen
Qualitätsstandards sowie die Debatte um Promotionsrechte. Diese offenen Fragen prägen die weitere Entwicklung
und zeigen, dass Forschungspolitik und Wissenschaftspraxis eng miteinander verflochten sind.

In Summe ist die Hochschule Pforzheim ein gutes Beispiel für die Transformation von HAW zu forschungsstarken,
international sichtbaren Einrichtungen. Sie bietet nicht nur Lösungen für akute Herausforderungen wie
Ressourceneffizienz und Digitalisierung, sondern wirkt auch als Katalysator für regionale Innovation.
Damit ist sie sowohl für die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch für Politik und Wirtschaft ein zentraler Akteur,
der langfristig das Profil der angewandten Forschung in Deutschland prägen wird.

Quellen und weiterführende Links

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.