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Einwohner sind empört – Das gab es noch nie: Sperrung des Strands in Heringsdorf auf Usedom

In Aktuelles
Juli 12, 2025
Heringsdorf auf Usedom – Aus Sicherheitsgründen ist der Strandzugang an der Seebrücke Heringsdorf erstmals komplett gesperrt. Ungewöhnlich hohe Wasserstände haben die Treppenanlage überflutet und den sonst beliebten Sandstrand in weiten Bereichen unpassierbar gemacht.

Bild exemplarisch

Gründe für die Sperrung des Strandzugangs

Am 3. Juli informierte der Betreiber „Unser Usedom“ in sozialen Netzwerken über die sofortige Sperrung der Treppe an der Seebrücke Heringsdorf. Aufgrund des aktuellen Wasserstandes, der deutlich über dem mittleren Pegel liegt, sei ein gefahrloses Begehen der Anlage nicht mehr gewährleistet. Besucher hätten berichtet, dass „keiner mehr die Treppe hochgeht“, da die unterste Stufen komplett im Wasser stehen und starke Brandung bereits Sand und Kies bis an die Absperrung gespült hat. Die Maßnahme ist vorbeugend und dient dem Schutz von Badegästen und Rettungskräften.

Langfristige Wasserstandsentwicklung an der südlichen Ostsee

Langfristige Messreihen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie dokumentieren einen kontinuierlichen Anstieg des mittleren Wasserstandes an der südlichen Ostsee um rund 0,7 Millimeter pro Jahr seit dem 19. Jahrhundert. Bereits bei einem Pegel von einem Meter über dem mittleren Wasserstand kommt es zu Hochwasserereignissen, die früher als Sturmfluten bezeichnet wurden. Solche Spitzen haben in den vergangenen Jahren an Häufigkeit und Intensität zugenommen, sodass Schutzanlagen und Strandzugänge immer häufiger temporär außer Betrieb genommen werden müssen.

Klimawandel und zukünftige Risiken für die Küste

Parallel zur regionalen Pegelsteigerung zeigt sich eine Erhöhung der Wassertemperatur um etwa 0,85 °C im letzten Jahrhundert. Die globale Erwärmung und das Abschmelzen der Polarkappen tragen zu einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels bei. Prognosen gehen davon aus, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um bis zu 1,20 Meter ansteigen könnte. Eine solche Entwicklung würde die Häufigkeit von Überschwemmungen deutlich erhöhen und den Druck auf die ohnehin empfindlichen Küstenregionen Usedom weiter verstärken.

Historischer Vergleich: Sturmflut „Axel“ 2017 in Zempin

Ein Vergleich mit dem Sturmtief „Axel“ im Januar 2017 zeigt, dass Usedom bereits heftige Winterhochwasser erlebt hat. Damals setzte der Sturm die Dünen im Ostseebad Zempin massiv unter Druck und führte zu großflächiger Dünenabtragung. Durch umfangreiche Sandaufspülungen konnte der Strand binnen weniger Wochen wiederhergestellt werden. Die damaligen Maßnahmen lieferten wertvolle Erkenntnisse für den Küstenschutz, werden aber angesichts zunehmend milder Winter und steigender Pegelstände auf Dauer teuer und aufwendig bleiben.

Küstenschutzmaßnahmen und ihre Herausforderungen

Um den Küstenschutz auch in Zukunft zu gewährleisten, setzen Kommunen und Küstenverbände vor allem auf Sandaufspülungen. Diese halten die Strandbreite stabil und schützen die dahinterliegenden Dünenwälder. Allerdings erodieren an steil abfallenden Abschnitten jährlich zwischen 20 und 40 Zentimeter Küste. Dies bedeutet, dass Sand nachgespült werden muss, um dauerhaft eine Pufferzone zu erhalten. Folgende Übersicht fasst die zentralen Aspekte zusammen:

AspektBeschreibung
Jährliche Küstenerosion20–40 cm pro Jahr an steilen Küstenabschnitten
DünenabbrücheBis zu 2 m Höhe bei Sturmfluten
SandaufspülungenWiederherstellung nach Sturmfluten, etwa 2017 in Zempin

Die finanzielle Belastung steigt, da Sandtransporte und technische Vorbereitungen jährlich erneuert werden müssen. Dennoch gelten sie als effektivste Methode, um die Infrastruktur an der Küste zu schützen.

Ökologische Auswirkungen auf Dünen und Strandökosysteme

Hochwasserereignisse beeinträchtigen nicht nur touristische Anlagen, sondern haben auch gravierende Folgen für die Küstenökologie. Dünenabbrüche von bis zu zwei Metern Höhe zerstören natürliche Pufferzonen und gefährden seltene Küstenvegetation wie Strandhafer und Dünengras. Die Regeneration erfolgt nur langsam, da die Pflanzen erst wieder Fuß fassen müssen. Auch im Sand lebende Insekten und Kleintiere verlieren durch Überflutung ihren Lebensraum.

  • Dünenabbrüche: Verlust wichtiger Schutzfunktion gegen Sturmfluten.
  • Vegetationsschäden: Gefährdung heimischer Pflanzenarten.
  • Habitatverlust: Beeinträchtigung sandlebender Fauna.

Perspektiven von Einheimischen und Urlaubern

In Gesprächen mit Stammgästen äußern sich viele überrascht über das Ausmaß der aktuellen Hochwasserlage. „Das gab’s noch nie“, heißt es in Foren und am Strand. Während einige Besucher den Umstand als außergewöhnliches Naturereignis akzeptieren, zeigen sich andere verunsichert, da sie die Sperrung so kurzfristig und ohne Zeitfenster zur Wiederöffnung erlebt haben. Anwohner betonen jedoch, dass die Sicherheit stets Vorrang haben müsse.

„Wenn die Treppe komplett im Wasser steht, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie zu sperren. Sicherheit geht vor“, erklärt ein Mitarbeiter vor Ort.

Inoffizielle Umgehungswege und Kritik an Behörden

In lokalen Facebook-Gruppen berichten Urlauber von provisorischen „Schleichwegen“ durchs Hinterland, mit denen sie die Sperrung umgehen. Ein schmaler Pfad durch eine dichte Hecke rechts der gesperrten Treppe erlaubt Zugang zum Strand, birgt jedoch unbefestigte und teils ungesicherte Abschnitte. Gleichzeitig kritisieren Gäste die mangelnde Beschilderung durch die Gemeinde Ostseebad Heringsdorf. Fehlende Hinweisschilder und Umleitungspläne sorgten dafür, dass Ortsunkundige in Sackgassen und gefährliche Bereiche geführt wurden.

Soziale Medien im Fokus: #OstseeStrandGesperrt

Unter dem Hashtag #OstseeStrandGesperrt kursieren mittlerweile mehr als 11 Millionen Videos auf TikTok. Urlauber aus verschiedenen Seebädern teilen beeindruckende Aufnahmen des überfluteten Strandes von Heringsdorf und kommentieren die beispiellose Lage. Die Beiträge reichen von humorvollen Clips bis hin zu ernsten Warnhinweisen für kommende Besucher. Auch Fotos aus Drohnenperspektive zeigen das Ausmaß der Absperrung und generieren hohe Reichweiten.

  • Über 11 Millionen Clips unter #OstseeStrandGesperrt
  • Vielfältige Perspektiven: von Live-Streams bis Zeitrafferaufnahmen
  • Wachsende Debatte über Küstenschutz und Tourismus

Fazit und Ausblick

Die vollständige Sperrung des Strandzugangs in Heringsdorf markiert ein deutliches Signal für die Verwundbarkeit von Küstenregionen angesichts steigender Wasserstände. Kurzfristig bleibt die Maßnahme ein notwendiger Schutz für Badegäste und Rettungskräfte. Langfristig erfordert die Situation nachhaltige Lösungen: kontinuierliche Sandaufspülungen, verstärkte ökologische Schutzmaßnahmen und transparente Kommunikation seitens der Behörden. Geschäftsleute und Tourismusverantwortliche sind nun gefordert, alternative Angebote zu schaffen und Besucher rechtzeitig zu informieren. Die öffentliche Debatte, befeuert von sozialen Medien, kann den Druck erhöhen, um zukunftsfähige Konzepte zum Schutz der beliebten Usedomer Strände zu entwickeln.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.