
Blankenhain – Im idyllischen Thüringer Land, genauer im Spa- & Golfresort Weimarer Land, soll ab 2027 das neue Zuhause der deutschen Fußballnationalmannschaft entstehen. Die Entscheidung für den Umzug ist mehr als nur ein geografischer Wechsel – sie markiert den Beginn einer neuen Ära für den DFB, getragen von wirtschaftlichen Interessen, infrastrukturellen Überlegungen und strategischer Neuausrichtung.
Ein Abschied mit Geschichte: Herzogenaurach und Adidas
Seit über 70 Jahren war Herzogenaurach das Herzstück der Nationalmannschaft. Auf dem Adidas-Campus, liebevoll auch „Home Ground“ genannt, bereitete sich das DFB-Team auf unzählige Turniere vor. Das Gelände bot ideale Voraussetzungen: Bungalows für die Spieler, ein professionelles Fitnesscenter, modernste Regenerationseinrichtungen und ein durch Adidas geführtes Medienzentrum. Dieses Umfeld wurde nicht nur funktional geschätzt, sondern hatte auch emotionalen Wert für Spieler und Fans gleichermaßen.
Mit dem Ende des Ausrüstervertrags zwischen dem DFB und Adidas zum 31. Dezember 2026 endet auch diese traditionsreiche Partnerschaft. Die neue Ära mit Nike beginnt am 1. Januar 2027 – und mit ihr der Umzug in eine neue Heimat. Doch warum zieht das DFB-Team ab 2027 nach Blankenhain im Weimarer Land?
Wechsel aus wirtschaftlicher Vernunft
Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig. Offiziell erklärt der DFB, dass die Entscheidung im Rahmen einer „transparenten, diskriminierungsfreien Ausschreibung“ gefallen sei. Nike bot dabei mit einem Sponsoring-Volumen von rund 100 Millionen Euro pro Jahr fast das Doppelte dessen, was Adidas bisher zahlte. Für den DFB eine wirtschaftlich kaum abzulehnende Offerte – insbesondere vor dem Hintergrund steigender Kosten im Jugendbereich und in der Infrastrukturförderung.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf rechtfertigte den Wechsel mit den Worten: „Wir müssen langfristig denken. Diese Entscheidung ermöglicht uns mehr finanziellen Spielraum – auch für den Nachwuchsbereich.“
Die politische Dimension des Wechsels
Der Ausrüsterwechsel löste heftige Debatten aus – nicht nur unter Fans, sondern auch in der Politik. Markus Söder (CSU) sprach von einem „falschen, traurigen Signal“. Friedrich Merz (CDU) bezeichnete die Entscheidung gar als „unpatriotisch“. Bundeswirtschaftsminister Habeck und Gesundheitsminister Lauterbach äußerten ebenfalls ihr Unverständnis. Adidas sei ein Symbol deutscher Sportgeschichte, ein kulturelles Aushängeschild.
Doch der DFB hielt dagegen. Geschäftsführer Andreas Rettig betonte: „Patriotismus darf nicht wirtschaftliche Vernunft ersetzen.“ Für viele Fans jedoch bleibt ein schaler Beigeschmack – nicht zuletzt wegen der tiefen emotionalen Verbindung zum fränkischen Standort.
Warum wurde ein Quartier in Frankfurt verworfen?
Im Zuge der Standortsuche wurde auch ein DFB-eigener Campus in Frankfurt diskutiert. Doch die Realisierung scheiterte letztlich an der Logistik: Zu wenig Raum für ein geschlossenes Wohnkonzept, zu geringe Hotelkapazitäten und ungenügende Distanz zu Trainingsanlagen. Frankfurt fiel somit aus dem Rennen – und Blankenhain wurde zum Favoriten.
Das neue Zentrum: Spa- & Golfresort Weimarer Land
Das Resort in Thüringen ist kein unbekanntes Terrain für das DFB-Team. Bereits im Mai und Juni 2024 diente die Anlage als offizielles Vorbereitungscamp für die Heim-EM. Die U21 und sogar das englische Nationalteam trainierten ebenfalls dort. Die Anlage bietet:
- Mehrere hochmoderne Trainingsplätze
- Helikopterlandeplatz für schnellen Transfer
- Paddle-Tennis- und Basketballfelder
- Rückzugsorte für Spieler und Betreuer
- Eine direkt angeschlossene Golfanlage für Freizeitgestaltung
Mit dieser Ausstattung erfüllt der neue Standort alle Ansprüche an ein modernes Nationalmannschaftsquartier. Die Entscheidung, Herzogenaurach zu verlassen, wurde dadurch erheblich erleichtert.
Strategische Öffnung nach Osten
Ein weiterer Beweggrund für den Umzug liegt im symbolischen Potenzial: Der neue Standort in Thüringen stärkt die Präsenz des DFB im Osten Deutschlands. Medien wie SPORT1 betonen, dass der Wechsel auch als Geste zur Integration ostdeutscher Regionen verstanden werden kann – eine Region, die fußballerisch oft im Schatten westlicher Zentren stand.
Der Auftritt des DFB in Thüringen während der EM-Vorbereitung wurde von den Fans sehr positiv aufgenommen. Der Verband möchte diesen Rückenwind offenbar nutzen, um das Vertrauen in die Nationalmannschaft regional breiter aufzustellen.
Wie lange war die Zusammenarbeit zwischen DFB und Adidas?
Von 1950 bis Ende 2026 – eine Ära von über sieben Jahrzehnten. In dieser Zeit gewann die deutsche Nationalmannschaft vier Weltmeistertitel und drei Europameisterschaften – stets in Adidas-Trikots. Der Abschied ist daher nicht nur ein finanzieller Schritt, sondern auch ein emotionales Kapitel im deutschen Sport.
Die Debatte in sozialen Medien und Foren
Auf Reddit und Twitter zeigen sich viele Fans enttäuscht. Kommentare wie „Just don’t buy the jerseys“ oder „Start a petition now“ sind keine Seltenheit. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen den DFB, sondern auch gegen den Umgang mit dem Traditionsbruch. Während internationale Medien wie DW den Wechsel nüchtern wirtschaftlich einordnen, herrscht in deutschen Foren ein anderer Ton. Einige sprechen gar von einem „Verrat an der Fußballseele“.
Was passiert bis 2027? Bleibt Herzogenaurach offizielles DFB-Quartier?
Ja. Bis zum Ende des Adidas-Vertrags bleibt Herzogenaurach das offizielle Zuhause der Nationalmannschaft. Dort wird das DFB-Team weiterhin seine Lehrgänge und Events durchführen. Erst mit Beginn des Jahres 2027 erfolgt der vollständige Umzug nach Blankenhain.
Welche Rolle spielte Adidas beim Heim-EM-Quartier 2024?
Adidas war nicht nur Ausrüster, sondern auch Gastgeber: Der Adidas Campus in Herzogenaurach wurde für die EM 2024 umfassend modernisiert. Spieler lobten die kurzen Wege, den ruhigen Rückzugsort und das professionell durchstrukturierte Umfeld. Viele verbinden damit emotionale Erinnerungen – gerade bei Heimspielen.
Wird das neue Quartier besser?
Das Weimarer Land bietet infrastrukturell tatsächlich mehr Platz und Optionen. Auch logistisch, etwa durch die Nähe zu zentralen Verkehrsachsen und Flughäfen, ist Blankenhain gut angebunden. Ob die emotionale Komponente von Herzogenaurach damit ersetzt werden kann, bleibt offen.
Stimmen aus der internationalen Presse
Während in Deutschland die Traditionsfrage im Mittelpunkt steht, beurteilen internationale Fachportale wie SportsPro oder ESPN den Wechsel rein wirtschaftlich. „It’s just business“, titelte ein amerikanischer Analyst. DW kommentierte: „A new era for German football – Nike offers the future.“
Die Frage nach Identität und Zukunft
Der Wechsel von Herzogenaurach nach Blankenhain wirft größere Fragen auf: Wie viel Tradition verträgt der moderne Fußball? Wie stark dürfen finanzielle Interessen den Sport dominieren? Und wie gelingt es dem DFB, seine Fans auch in der neuen Heimat mitzunehmen?
Die Entscheidung ist gefallen – nun liegt es am Verband, dem neuen Standort Leben einzuhauchen und den Neustart nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional erfolgreich zu gestalten. Blankenhain könnte mehr sein als nur ein Quartier – es könnte ein Symbol für Aufbruch und Verbindung werden. Dafür braucht es jedoch mehr als Helikopterlandeplätze und Paddle-Tennisfelder. Es braucht Herz, Nähe und echte Fußballkultur.