40 views 10 mins 0 comments

Pforzheim setzt Zeichen: Obstbäume für den Erhalt wertvoller Streuobstwiesen gepflanzt

In Pforzheim
August 08, 2025

Pforzheim – Die Stadt Pforzheim startet erneut ihre bewährte Obstbaumpflanzaktion und möchte damit nicht nur das Landschaftsbild verschönern, sondern auch wertvolle Lebensräume sichern. Eigentümerinnen und Eigentümer geeigneter Flächen können dabei vergünstigte Hochstamm-Obstbäume und Sträucher beziehen. Die Initiative greift tief in ökologische, kulturelle und wirtschaftliche Themenfelder ein und sorgt für frische Impulse in einer jahrhundertealten Kulturlandschaft.

Ein Angebot mit Tradition und Zukunft

Seit über drei Jahrzehnten fördert Pforzheim gezielt die Nachpflanzung von Obstbäumen auf Streuobstwiesen. Die Zahlen sprechen für sich: Rund 6.500 Hochstämme wurden seit Beginn der Aktion an Flächenbesitzerinnen und -besitzer ausgegeben. Dieses Jahr führt die Stadt die Aktion in gewohntem Format fort – mit klaren Teilnahmebedingungen und einem starken Fokus auf Qualität.

Die Konditionen sind bewusst niedrigschwellig gehalten: Ein Hochstamm inklusive Stützpfahl und Verbissschutz kostet 15 Euro, ein Strauch 10 Euro. Voraussetzung ist, dass die Bäume auf Flächen in der freien Landschaft gepflanzt werden – Hausgärten sind ausgeschlossen. Wer bestellen möchte, muss Gemarkung und Flurstück der Fläche angeben, um sicherzustellen, dass die Pflanzen an geeigneten Standorten gesetzt werden. Die Enz dient als geografische Trennlinie für die Sortenlisten, die zwischen nördlichen und südlichen Gemarkungen unterscheiden.

Warum Streuobstwiesen so wichtig sind

Streuobstwiesen sind mehr als nur idyllische Landschaftsbilder – sie zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. In Baden-Württemberg, das europaweit über die größten Streuobstflächen verfügt, gelten sie als ökologische Schatzkammern. Sie bieten Lebensraum für seltene Vogelarten wie Steinkauz, Wendehals oder Wiedehopf, ebenso wie für zahlreiche Insekten, Fledermäuse und Wildpflanzen.

Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg schätzt den Bestand auf rund 89.000 bis 111.000 Hektar. Doch diese Flächen sind bedroht: Überalterte Baumbestände, mangelnde Pflege und Flächenumwandlungen setzen ihnen zu. Genau hier setzt die Pflanzaktion an – sie ist nicht nur eine Maßnahme zum Erhalt, sondern auch eine Investition in die Zukunft dieser Biotope.

Klimaanpassung und robuste Sorten

Ein besonderer Fokus liegt auf der Auswahl der Baumarten. Regionaltypische, robuste und ertragreiche Sorten wie Apfel, Birne, Kirsche oder Zwetschge stehen ebenso auf der Liste wie Wildobstarten. Die Auswahl orientiert sich an der Bodenbeschaffenheit (Muschelkalk oder Sandstein) und berücksichtigt zunehmend auch klimawandeltolerante Gehölze. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Pflanzungen langfristig bestehen und stabile Erträge liefern.

Teilnahmebedingungen und Ablauf

Die Anmeldung zur Aktion ist unkompliziert, erfordert aber präzise Angaben. Neben Gemarkung und Flurstück ist entscheidend, dass die Pflanzflächen im sogenannten Offenland liegen. Die Stadt betont, dass Bäume nicht in Hausgärten gesetzt werden dürfen, um den landschaftsprägenden Charakter der Streuobstwiesen zu erhalten.

Typisch für solche Pflanzaktionen ist der Herbst als Pflanzzeit. In Pforzheim endet die Bestellfrist regelmäßig Ende September, sodass die Bäume rechtzeitig im Oktober ausgegeben werden können. Abholung und Pflanzung erfolgen durch die Eigentümerinnen und Eigentümer selbst – die Stadt liefert das Pflanzgut inklusive Zubehör.

Verzahnung mit anderen Programmen

Die Obstbaumpflanzaktion ist kein isoliertes Projekt, sondern Teil einer größeren Strategie. Pforzheim verfolgt seit Jahren ein umfangreiches Baumprogramm, zu dem auch die Aktion „Klimabäume für Pforzheim“ gehört. Während bei den Klimabäumen Privatgrundstücke im Fokus stehen, zielt die Obstbaumpflanzaktion auf die offene Landschaft ab. Zusammen bilden diese Programme ein wirksames Doppel, um das Stadtklima zu verbessern und den Artenreichtum zu sichern.

Darüber hinaus gibt es regionale und landesweite Förderprogramme, die Pflege und Erhalt von Streuobstwiesen unterstützen – von Baumschnittkursen über Geräteverleih bis hin zu finanziellen Zuschüssen für Pflegemaßnahmen. Für viele Eigentümerinnen und Eigentümer kann die Pflanzaktion der Einstieg in ein längerfristiges Engagement sein.

Ökologische und gesellschaftliche Wirkung

Die Wirkung solcher Programme zeigt sich nicht nur in der Zahl der gepflanzten Bäume. Vielmehr entstehen langfristige Netzwerke zwischen Stadtverwaltung, Umweltinitiativen, Vereinen und Privatpersonen. In Pforzheim und Umgebung engagieren sich beispielsweise Gruppen, die Führungen durch Streuobstwiesen anbieten oder sich um die Verarbeitung der Ernte kümmern.

Ein Beispiel ist die junge Verwerter-Szene, die aus den Früchten Most, Säfte oder andere Produkte herstellt. Diese regionale Wertschöpfung trägt dazu bei, dass sich die Pflege der Wiesen auch wirtschaftlich lohnt. Gleichzeitig fördert sie das Bewusstsein für regionale Lebensmittel und nachhaltige Nutzung.

Pflege ist der Schlüssel zum Erfolg

Fachleute betonen, dass die Pflanzung nur der erste Schritt ist. Ohne kontinuierliche Pflege – insbesondere Schnittmaßnahmen in den ersten Standjahren – ist die langfristige Vitalität der Bäume gefährdet. Untersuchungen im Raum Pforzheim haben gezeigt, dass auch die Bodengesundheit eine wichtige Rolle spielt: Nährstoffmangel, insbesondere an Phosphor und Kalium, kann das Wachstum erheblich beeinträchtigen.

Deshalb setzen viele Förderprogramme inzwischen auf eine Kombination aus Pflanzung, Pflegeberatung und Schulungsangeboten. In Pforzheim gibt es ein wachsendes Netzwerk aus Obstbaumpflegerinnen und -pflegern, das sein Wissen teilt und auch praktische Unterstützung bei Pflegemaßnahmen bietet.

Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern

Die Stadt Pforzheim nutzt gezielt verschiedene Kommunikationskanäle, um Interessierte zu erreichen. Neben klassischen Pressemitteilungen kommen auch Social-Media-Plattformen zum Einsatz. Dort werden nicht nur Bestellfristen und Konditionen bekannt gegeben, sondern auch Fragen beantwortet und Eindrücke von bisherigen Pflanzungen geteilt.

Lokale Politikerinnen und Politiker nutzen ebenfalls soziale Medien, um für die Aktion zu werben und Rückmeldungen der Bevölkerung einzuholen. Dies trägt dazu bei, die Pflanzaktion als gemeinschaftliches Projekt wahrzunehmen und das Engagement zu erhöhen.

Veranstaltungen als Türöffner

Ein jährlicher Höhepunkt für die Öffentlichkeitsarbeit ist der „Tag der Streuobstwiese“ am letzten Freitag im April. Dieser Aktionstag bietet Gelegenheit, das Thema in den Fokus zu rücken, Führungen anzubieten oder Bestellfristen frühzeitig anzukündigen. In Pforzheim werden solche Anlässe genutzt, um neue Zielgruppen anzusprechen und bestehende Netzwerke zu stärken.

Regionale Vernetzung und Kooperationen

Die Pflanzaktion in Pforzheim profitiert auch von der regionalen Vernetzung. So gibt es im benachbarten Enzkreis eine Streuobstwiesen-Börse, auf der Flächen, Nutzungsmöglichkeiten und Ernteangebote vermittelt werden. Wer selbst keine eigene Fläche besitzt, kann dort Kooperationspartner finden – und umgekehrt können Flächenbesitzer Unterstützung für die Bewirtschaftung erhalten.

Kooperationen mit benachbarten Landkreisen oder regionalen Initiativen eröffnen zudem die Möglichkeit, Wissen auszutauschen, gemeinsame Projekte zu starten oder Materialkosten zu senken. In einer Zeit, in der kommunale Budgets knapp sind, kann dieser Austausch entscheidend sein.

Streuobstwiesen als Erlebnisräume

Neben ihrem ökologischen Wert sind Streuobstwiesen auch kulturell und touristisch von Bedeutung. Führungen, Ernteaktionen oder kulturelle Veranstaltungen auf diesen Flächen schaffen emotionale Bindung und fördern die Akzeptanz für Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen.

In Pforzheim wurden in den letzten Jahren mehrfach geführte Spaziergänge angeboten, bei denen Fachleute die Bedeutung der Bäume, ihre Pflege und die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt erläuterten. Solche Angebote wirken wie ein Bindeglied zwischen theoretischem Naturschutz und erlebbarer Praxis.

Perspektive und Ausblick

Die Obstbaumpflanzaktion Pforzheims ist mehr als ein Umweltprojekt – sie ist Teil einer langfristigen Strategie, in der Natur-, Klima- und Kulturschutz ineinandergreifen. Mit jeder neuen Pflanzrunde wächst nicht nur die Zahl der Bäume, sondern auch das Bewusstsein für deren Wert.

Der langfristige Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, Pflege und Nutzung dauerhaft zu sichern. Hier bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte – von der Zusammenarbeit mit Schulen über die Einbindung lokaler Betriebe bis hin zur Vermarktung regionaler Produkte.

Wer heute einen Obstbaum pflanzt, investiert in eine Zukunft, die weit über den eigenen Gartenzaun hinausreicht. Die Früchte dieser Arbeit werden nicht nur geerntet, sie werden erlebt – von Menschen, Tieren und einer Landschaft, die dadurch ihre Identität bewahrt.

Avatar
Redaktion / Published posts: 1933

Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.