Insolvenz-Schock: Deutscher Autozulieferer bedroht – 600 Arbeitsplätze in Gefahr

In Wirtschaft
August 25, 2025

Die Nachricht sorgt in der Region und in der gesamten Autozulieferbranche für große Verunsicherung: Der traditionsreiche Aluminium-Druckgussspezialist ae group steht nach gescheiterten Sanierungsbemühungen vor dem Aus. Rund 600 Mitarbeiter am Standort Gerstungen fürchten um ihre Jobs, während die Suche nach Investoren bisher erfolglos blieb. Mit dem Wechsel von der Eigenverwaltung zur Regelinsolvenz spitzt sich die Lage weiter zu.

Ein traditionsreicher Autozulieferer am Scheideweg

Die ae group gilt seit Jahren als wichtiger Partner der deutschen und internationalen Automobilindustrie. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Gerstungen (Thüringen) ist auf Aluminium-Druckguss spezialisiert und beliefert namhafte Hersteller mit zentralen Komponenten. Neben dem Werk in Gerstungen betreibt die Gruppe Standorte in Nentershausen (Hessen), Lübeck und Strzelce Krajeńskie in Polen. Insgesamt waren zuletzt über 1.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon allein etwa 600 in Gerstungen.

Doch die wirtschaftliche Basis bröckelte seit längerem. Bereits im August 2024 meldete die ae group Insolvenz in Eigenverwaltung an – ein Verfahren, bei dem die Unternehmensführung versucht, die Sanierung selbst zu steuern, während ein Sachwalter die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben überwacht. Ziel war es, durch eine Restrukturierung und Investorengespräche den Standort zu sichern. Nun ist klar: Die Eigenverwaltung ist gescheitert, die Regelinsolvenz hat begonnen.

Von der Eigenverwaltung zur Regelinsolvenz

Mit Wirkung zum 1. August 2025 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben, das Insolvenzgericht Meiningen bestellte eine Verwalterin für das Regelverfahren. Damit ist ein entscheidender Schritt gefallen, der die Chancen auf eine Rettung erheblich schmälert. Insolvenzverwalter in derartigen Fällen haben die Aufgabe, die Interessen der Gläubiger zu wahren, Verbindlichkeiten zu prüfen und über eine mögliche Fortführung oder Schließung zu entscheiden.

Für die Beschäftigten in Gerstungen bedeutet dies akute Unsicherheit. Viele Mitarbeiter hatten trotz schwieriger Monate auf eine Fortführung gehofft. Lokale Stimmen sprechen inzwischen offen davon, dass „nur noch ein Wunder“ den Standort retten könne. Besonders dramatisch: Neben den 600 Arbeitsplätzen in Gerstungen sind auch weitere Standorte betroffen, sodass die Gesamtzahl der gefährdeten Jobs bei rund 1.000 liegen könnte.

Warum ist die Sanierung gescheitert?

Eine zentrale Frage, die nicht nur die Beschäftigten, sondern auch Branchenbeobachter beschäftigt, lautet: Warum konnte die Sanierung im Rahmen der Eigenverwaltung nicht erfolgreich abgeschlossen werden? Nach Angaben aus dem Unternehmensumfeld spielte vor allem die schwache Nachfrage aus der Automobilindustrie eine entscheidende Rolle. Der Druck auf Zulieferer hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Elektrifizierung, Kostendruck und Produktionsverlagerungen ins Ausland haben die Position vieler mittelständischer Zulieferer geschwächt.

Hinzu kam, dass zwar ein Investor gefunden wurde, dieser aber offenbar nicht in der Lage war, ein nachhaltiges Konzept umzusetzen. Kommunale Vertreter berichten von „fehlenden tragfähigen Lösungen“ und einer stockenden Investorenfindung. Am Ende führte dies zum Abbruch der Eigenverwaltung und zur Überführung in die Regelinsolvenz.

Die Auswirkungen auf die Region Gerstungen

Für den Wartburgkreis und speziell für die Gemeinde Gerstungen ist die Insolvenz ein schwerer Schlag. Rund 600 Arbeitsplätze hängen direkt am Standort. Hinzu kommen zahlreiche Zulieferer, Dienstleister und kleine Unternehmen, die von Aufträgen der ae group abhängig sind. Sollte der Standort schließen, wären nicht nur Hunderte Familien unmittelbar betroffen, sondern auch die regionale Wirtschaft würde empfindlich geschwächt.

Die Einheitsgemeinde Gerstungen hat auf ihrer offiziellen Seite erklärt, dass „kein tragfähiges Investorenkonzept“ vorliege und dass eine Standortschließung realistisch sei. Solche öffentlichen Mitteilungen verdeutlichen, wie ernst die Lage ist und welchen Druck die Kommune verspürt. Auch Ausbildungsplätze und die Perspektiven junger Menschen in der Region wären bei einer Schließung in Gefahr.

Ein Blick auf die gesamte Branche

Die Insolvenz der ae group ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Insolvenzen in der Automobilzulieferindustrie deutlich gestiegen. Laut Analysen waren allein in den letzten fünf Jahren rund 43.000 Beschäftigte in Deutschland von Insolvenzen in diesem Bereich betroffen. Die durchschnittliche Rettungsquote liegt dabei bei lediglich etwa 14 Prozent – ein ernüchternder Wert, der die Schwierigkeiten unterstreicht.

Eine aktuelle Studie zeigt zudem: Im ersten Halbjahr 2025 nahm die Zahl der Insolvenzen in der Zuliefererbranche noch einmal spürbar zu. Investoren agieren zurückhaltend, da die Margen gering und die Marktchancen unsicher sind. Besonders Unternehmen aus den Bereichen Metallverarbeitung und Aluminiumguss stehen unter Druck. Die ae group reiht sich damit in eine Liste von Firmen ein, die dem Strukturwandel in der Branche nicht standhalten konnten.

Fakten zur Insolvenzgefahr in der Zulieferbranche

KennzahlWert
Betroffene Beschäftigte (letzte 5 Jahre)ca. 43.000
Durchschnittliche Rettungsquoteca. 14 %
Besonders betroffene SegmenteMetall, Aluminiumguss, klassische Antriebstechnik

Die Stimmen aus Belegschaft und Gemeinde

In sozialen Netzwerken und lokalen Foren wird die Situation intensiv diskutiert. Mitarbeiter und deren Familien äußern ihre Sorgen um die Zukunft. Viele hoffen auf politische Unterstützung oder zumindest auf eine geordnete Abwicklung, die Härten abfedert. Die Gemeinde Gerstungen zeigt sich bemüht, Informationen transparent zu teilen und im Austausch mit den Menschen vor Ort zu bleiben.

Besonders deutlich wird die Unsicherheit in Aussagen wie: „Wir haben so lange gehofft, dass sich ein Investor findet. Jetzt bleibt uns nur die Angst um unsere Arbeitsplätze.“ Solche Stimmen machen klar, dass die Insolvenz nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine menschliche Krise darstellt.

Wichtige Fragen rund um die Insolvenz

Was bedeutet Insolvenz in Eigenverwaltung bei der ae group?

Insolvenz in Eigenverwaltung bedeutet, dass die Geschäftsführung weiterhin die operative Kontrolle behält und versucht, das Unternehmen zu sanieren. Ein Sachwalter überwacht dabei die Einhaltung der Regeln. Im Fall der ae group konnte dieses Modell nicht erfolgreich umgesetzt werden, sodass die Regelinsolvenz folgte.

Wie viele Standorte hat die ae group und wo liegen diese?

Die ae group betreibt Werke in Gerstungen (Thüringen), Nentershausen (Hessen), Lübeck und Strzelce Krajeńskie (Polen). Damit hat das Unternehmen sowohl eine regionale als auch eine internationale Basis, wobei Gerstungen der größte Standort ist.

Wieviele Mitarbeiter waren zuletzt bei der ae group beschäftigt?

Zum Stichtag Ende 2021 beschäftigte die ae group rund 1.122 Mitarbeiter. In den letzten Jahren schwankte diese Zahl, wobei aktuell etwa 600 Jobs allein in Gerstungen akut gefährdet sind.

Wer hat die ae group im Februar 2024 übernommen?

Im Februar 2024 wurde die ae group durch die Alutech Holding GmbH & Co. KG aus München übernommen. Die Übernahme konnte die Krise jedoch nicht verhindern, da die strukturellen Probleme der Branche bestehen blieben.

Warum ist die Sanierung durch Eigenverwaltung gescheitert?

Die Kombination aus sinkender Nachfrage in der Automobilindustrie, steigenden Kosten und fehlender Investorenbereitschaft führte zum Scheitern der Eigenverwaltung. Trotz Restrukturierungsversuchen und Übernahme blieb kein tragfähiges Konzept bestehen, sodass der Wechsel in die Regelinsolvenz unvermeidbar wurde.

Soziale und wirtschaftliche Folgen

Die Insolvenz betrifft nicht nur die Beschäftigten direkt, sondern hat auch spürbare Auswirkungen auf die Region. Viele kleine Betriebe im Wartburgkreis hängen an Aufträgen der ae group, von Zulieferern bis hin zu Dienstleistern im Transport- und Logistikbereich. Ein möglicher Zusammenbruch der Lieferkette würde diese Unternehmen zusätzlich unter Druck setzen.

Auch die Ausbildungsplätze bei der ae group sind bedroht. Junge Menschen, die ihre berufliche Zukunft im Metall- und Gussbereich sahen, stehen nun vor einem abrupten Ende ihrer Perspektive. Kommunale Vertreter sprechen von einer „ernsten Bedrohung für die wirtschaftliche Stabilität“ der Region.

Ausblick und mögliche Szenarien

Die kommenden Wochen werden entscheidend sein. Der Insolvenzverwalter prüft nun, ob es doch noch Optionen für eine Fortführung gibt – sei es durch neue Investoren oder durch eine Teilveräußerung einzelner Standorte. Erfahrungsgemäß sind die Chancen auf eine vollständige Rettung jedoch gering, wie Statistiken belegen. Realistisch scheint, dass Teile der Produktion eingestellt und Vermögenswerte verwertet werden.

Für die Mitarbeiter bedeutet dies weiterhin Ungewissheit. Gewerkschaften fordern klare Zusagen und soziale Auffangnetze. Die Politik steht in der Pflicht, mögliche Förderinstrumente zu prüfen und für eine schnelle Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Dennoch bleibt die Sorge, dass Hunderte Menschen im Wartburgkreis und darüber hinaus in Kürze ihre Jobs verlieren.

Die Insolvenz der ae group ist mehr als ein Einzelfall. Sie ist ein Symbol für die tiefgreifenden Umbrüche, die die Automobilzulieferindustrie derzeit erlebt. Globaler Wettbewerb, Strukturwandel hin zur Elektromobilität und hoher Kostendruck setzen mittelständische Betriebe massiv unter Druck. Für die Region Gerstungen und die betroffenen Mitarbeiter ist die Insolvenz ein harter Schlag. Ob sich in letzter Minute noch eine Rettung abzeichnet oder das Aus endgültig besiegelt wird, bleibt ungewiss. Sicher ist jedoch, dass die Geschichte der ae group beispielhaft zeigt, wie fragil selbst traditionsreiche Unternehmen in Zeiten des Wandels sein können.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.