
Tai Po, Hongkong, 26. November 2025. Dichter schwarzer Rauch steigt wie ein Pilz über die Skyline, Explosionen zerreißen die Stille, brennende Trümmer regnen auf die Straßen. In der Wohnanlage Wang Fuk Court lodert seit dem frühen Nachmittag ein Feuer, das sich rasend schnell über mehrere 31-stöckige Blöcke ausbreitet. Was als kleiner Brand begann, wurde binnen Minuten zum tödlichen Großbrand in Hongkong.
Der Alarm ging um 14:51 Uhr ein. Nur elf Minuten später wurde die Gefahrenstufe 3 ausgerufen, um 15:34 Uhr dann die zweithöchste Stufe 4 – teilweise sogar Stufe 5. Hunderte Feuerwehrleute kämpften gegen ein Inferno, das durch traditionelle Bambusgerüste genährt wurde. Mindestens vier Menschen starben, darunter ein Feuerwehrmann, der seinen schweren Verletzungen erlag. Zwei weitere Personen schweben in Lebensgefahr, Dutzende wurden verletzt.
Wie der Großbrand in Tai Po entstehen konnte
CCTV-Aufnahmen, die in sozialen Medien kursieren, zeigen einen Mann, der offenbar eine brennende Zigarette an einer künstlichen Grünwand im Erdgeschoss ausdrückt. Kurz darauf lodern Flammen auf. Von dort fraßen sie sich über die hoch entflammbaren Bambusgerüste, die den gesamten Komplex für Renovierungsarbeiten umgaben, in die Höhe und sprangen auf benachbarte Blöcke über.
Bambusgerüste sind in Hongkong trotz bekannter Gefahren noch immer Standard. „Bamboo scaffolding is a common sight in Hong Kong at building construction and renovation projects, though the government said earlier this year that it would start phasing it out for public projects because of safety concerns“, schrieb Reuters. Die Regierung hatte im März 2025 angekündigt, Bambus in mindestens der Hälfte aller öffentlichen Bauprojekte durch Metallgerüste zu ersetzen – ein Schritt, der nun dramatisch an Dringlichkeit gewinnt.
Opferzahlen und schwere Verletzungen
Die offizielle Bilanz steht derzeit bei vier Toten: drei Bewohner und ein Feuerwehrmann. Medienberichte aus Hongkong sprechen teilweise bereits von bis zu zwölf Todesopfern, darunter acht Frauen und drei Männer, sowie 16 Schwerverletzten. Die Rettungskräfte suchen weiter nach Vermissten in den oberen Stockwerken der betroffenen Blöcke.
Viele Anwohner berichten von panischen Momenten. Eingeschlossene Bewohner winkten aus Fenstern, während Flammen und dichter Rauch die Fluchtwege blockierten. Videos zeigen Explosionen und lodernde Gerüste, die selbst erfahrene Einsatzkräfte in Bedrängnis brachten.
Der Wang Fuk Court – ein typischer Hongkonger Wohnkomplex
Der 1997 fertiggestellte Wang Fuk Court besteht aus neun 31-stöckigen Türmen mit insgesamt 1.984 Wohneinheiten und rund 4.800 Bewohnern. Wie in vielen älteren Anlagen unterliegt das Gebäude der Fire Safety (Buildings) Ordinance, die eigentlich regelmäßige Brandschutzverbesserungen vorschreibt. Die Durchsetzung bleibt jedoch oft schwach – ein Problem, das bereits bei früheren Bränden kritisiert wurde.
Warum Bambusgerüste bei Bränden so gefährlich sind
Die leichten, flexiblen Bambuskonstruktionen sind schnell auf- und abgebaut und deutlich günstiger als Stahlgerüste. Doch genau diese Eigenschaften machen sie zur tödlichen Gefahr: Bambus brennt extrem schnell und trägt Feuer vertikal über ganze Fassaden. Experten warnen seit Jahren, dass die enge Anordnung der Hochhäuser in Hongkong solche Brände besonders verheerend macht.
„The blaze was seemingly worsened by surrounding bamboo scaffolding“, konstatierte die BBC. Seit 2020 verzeichnete die Hongkonger Feuerwehr rund 3.200 Brände in Wohngebäuden – Multi-Block-Feuer wie in Tai Po sind zwar selten, aber umso zerstörerischer.
Evakuierung und Hilfe für die Betroffenen
Über 200 Menschen wurden evakuiert, viele leiden unter Rauchvergiftungen. Das Kwong Fuk Community Hall und andere Notunterkünfte wurden geöffnet. Besonders ältere Bewohner und Haustierbesitzer – darunter Menschen, deren Katzen in den Wohnungen zurückblieben – stehen unter Schock.
Die Behörden richteten eine Hotline (2658 4040) ein und sperrten Teile der Tai Po Road. Ein Hilfedesk im Alice Ho Miu Ling Nethersole Hospital koordiniert die Versorgung. Der Sicherheitsminister kündigte strengere Brandschutzvorschriften an und betonte die Notwendigkeit realer Durchsetzung statt bloßer Inspektionsschreiben.
Eine Stadt in Trauer
Vor dem ausgebrannten Komplex stapeln sich Kerzen und Blumen. In sozialen Medien solidarisieren sich Tausende mit den Opfern. Der Tod des Feuerwehrmanns hat besonders tiefe Betroffenheit ausgelöst – ein Held, der beim Versuch, andere zu retten, selbst sein Leben ließ.
Der Großbrand im Wang Fuk Court reiht sich ein in eine lange Liste von Warnsignalen, die Hongkong seit Jahrzehnten erhält: vom legendären Shek Kip Mei-Brand 1953, der 53.000 Menschen obdachlos machte, bis zu den jüngsten Vorfällen in alten Tanglau-Bauten. Immer wieder zeigen solche Katastrophen, wie dünn die Grenze zwischen Alltag und Tragödie in einer der dichtest besiedelten Städte der Welt sein kann.
Während die Ermittlungen zur genauen Ursache und zur Verantwortung noch laufen, steht bereits fest: Dieser Tag wird die Diskussion über Brandschutz, über Bambusgerüste und über die Sicherheit von Millionen Menschen in Hongkongs Hochhäusern nachhaltig verändern.