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Sie belastet mich massiv Heidi Reichinnek spricht über ihr Leben mit chronischer Migräne

In Allgemein
Dezember 08, 2025

8. Dezember 2025. Die Luft ist kalt an diesem Morgen, doch das politische Berlin wirkt rastlos wie immer. Zwischen Ausschusssitzungen und Parteiabsprachen gibt es selten einen Moment der Ruhe. Umso bemerkenswerter ist der Augenblick, in dem Heidi Reichinnek innehält und etwas ausspricht, das im politischen Betrieb kaum Platz findet.

Sie offenbart, wie sehr sie die Migräne in ihrem Alltag begleitet – und was es bedeutet, ein öffentliches Amt auszuüben, während der Kopf dröhnt und das Licht sticht.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag hat in einem Interview offen über ihren Umgang mit der Erkrankung berichtet – und damit eine Diskussion angestoßen, die weit über ihre persönliche Situation hinausreicht. Der seltene Blick hinter die Kulissen politischer Arbeitsrealitäten zeigt, wie sehr ein unsichtbares Leiden den Alltag bestimmen kann, ohne dass die Öffentlichkeit es je erfährt.

Ein Satz, der nachhallt – und eine Debatte auslöst

Als Reichinnek erklärte, die Migräne belaste sie massiv, reagierten viele überrascht. Nicht etwa, weil chronische Migräne ungewöhnlich wäre, sondern weil kaum jemand erwartet, dass eine Politikerin auf Bundesebene öffentlich über Einschränkungen spricht. Besonders im Nachgang einer viel diskutierten Talkshow-Situation im Frühjahr, in der sie wegen einer akuten Attacke unsicher auftrat, war der Druck auf sie gewachsen. Spott und Kritik in sozialen Netzwerken folgten, oft ohne Verständnis für den gesundheitlichen Hintergrund.

Nun gibt sie offen Einblick: Bei öffentlichen Auftritten müsse sie häufig starke Medikamente nehmen, die zwar den Schmerz dämpfen, aber ihre Konzentrationsfähigkeit beeinträchtig­ten. Für eine Spitzenpolitikerin ein enormer Drahtseilakt. Migräne sei, so beschreibt sie es, nicht bloß Kopfschmerz, sondern ein komplexes neurologisches Geschehen, das den gesamten Organismus beeinflusse.

Eine verbreitete Erkrankung – und doch häufig unterschätzt

Migräne gehört zu den am weitesten verbreiteten neurologischen Erkrankungen weltweit. Auch in Deutschland betrifft sie Millionen Menschen. Der Alltag vieler Betroffener ist geprägt von unvorhersehbaren Attacken, intensiven Schmerzphasen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie gravierenden Konzentrationsproblemen. Während manche sich zurückziehen können, um eine Attacke auszusitzen, ist das in öffentlichen Ämtern kaum möglich.

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Reichinnek betont zudem, dass besonders Frauen unter der Erkrankung leiden. Die Erfahrungsberichte vieler Betroffener zeigen, dass ihre Beschwerden häufig heruntergespielt oder fälschlich als Stress oder Überempfindlichkeit interpretiert werden. In ihrem Fall sei dies nicht anders gewesen. Der politische Druck, stets belastbar wirken zu müssen, verstärkte den inneren Konflikt zusätzlich.

Was Migräne für Betroffene konkret bedeutet

  • Pulsierende, oft einseitige Kopfschmerzen, die mehrere Stunden bis Tage anhalten können
  • Licht- und Geräuschüberempfindlichkeit, die selbst einfache Aufgaben erschweren
  • Übelkeit und Schwindelgefühle, die körperlich wie mental belasten
  • Mitunter massive Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit
  • Unvorhersehbarkeit: Termine und Verpflichtungen können kurzfristig kippen

Diese Faktoren veranschaulichen, wie sehr Migräne das Leben bestimmen kann – und warum Offenheit darüber, gerade im politischen Berufsfeld, noch immer die Ausnahme ist.

Zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre – eine schwierige Balance

Reichinnek sagt klar, dass sie niemanden dazu ermutigen wolle, gesundheitliche Informationen preiszugeben, wenn dies nicht gewünscht sei. Doch sie selbst habe sich bewusst dafür entschieden, weil Transparenz zu mehr Verständnis beitragen könne. Sie wolle zeigen, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen selbstverständlich Teil der politischen Landschaft sein können.

Es gehe ihr auch darum, stereotype Vorstellungen darüber aufzubrechen, wer in Spitzenpositionen tätig sein könne. Erkrankungen wie Migräne seien kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Bestandteil menschlicher Realität. In einer Arbeitswelt, die Belastbarkeit oft höher bewertet als Gesundheit, sei dies eine wichtige Botschaft.

Ein persönliches Bekenntnis – und ein gesellschaftliches Signal

Die Offenheit der Politikerin rückt ein Thema ins Zentrum, das häufig im Privaten verbleibt. Viele Betroffene berichten, dass sie ihre Migräne am Arbeitsplatz verschweigen – aus Sorge, nicht mehr ernst genommen zu werden. Dass eine Bundestagsabgeordnete nun offen darüber spricht, könnte eine Art Ermutigung darstellen, Beschwerden nicht länger zu verstecken.

Reichinneks Worte verdeutlichen, wie dringend eine gesellschaftliche Neubewertung notwendig ist. Migräne ist kein gelegentlicher Kopfschmerz, kein Unwohlsein, das man ausblenden kann. Sondern eine Erkrankung, die Menschen zwingt, ständig zwischen Leistungsanspruch und Selbstfürsorge zu balancieren.

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Ein Debattenanstoß mit Wirkung

Über den persönlichen Rahmen hinaus hat die Diskussion eine politische Dimension. Ein Parlament, das nur Menschen abbildet, die stets gesund und voll belastbar erscheinen, kann kaum Anspruch darauf erheben, die Lebensrealitäten der Bevölkerung widerzuspiegeln. Reichinneks Bekenntnis setzt genau hier an: Sichtbarkeit schafft Verständnis. Verständnis schafft Veränderung.

Die Reaktionen zeigen, wie sensibel das Thema ist. Viele meldeten sich zu Wort, um ihre eigenen Erfahrungen mit Migräne oder anderen chronischen Erkrankungen zu schildern. Die Resonanz verdeutlicht, wie sehr ein politischer Raum, der Krankheit und Einschränkungen mitdenkt, für viele Menschen ein Fortschritt wäre.

Migräne ist ein Begleiter, der sich nicht abwählen lässt. Reichinneks Schritt, offen darüber zu sprechen, erweitert die Debatte um einen wichtigen Aspekt: Wie wollen wir in Zukunft über Belastbarkeit, Gesundheit und politische Verantwortung sprechen? Welche Strukturen braucht es, damit Menschen mit chronischen Erkrankungen nicht unsichtbar bleiben – oder sich gezwungen sehen, ihre Beschwerden zu verbergen?

Die Antworten darauf werden Zeit brauchen. Doch eines zeigt dieser Fall bereits jetzt: Sichtbarkeit ist ein erster, entscheidender Schritt. Und manchmal reicht ein einziger Satz, um ein Thema in Bewegung zu bringen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.