
Washington, 4. November 2025 – Die Nachricht verbreitete sich am späten Abend über alle Kanäle: Dick Cheney, der einst als mächtigster Vizepräsident der Vereinigten Staaten galt, ist tot. In seinem Haus in Wyoming starb er im Alter von 84 Jahren, umgeben von seiner Frau Lynne und den Töchtern Liz und Mary. Der Mann, der über Jahrzehnte die amerikanische Politik prägte – und polarisierte – hinterlässt ein Vermächtnis, das bis heute spürbar ist.
Ein Leben im Zentrum der Macht
Richard Bruce „Dick“ Cheney wurde am 30. Januar 1941 in Lincoln, Nebraska geboren. Schon früh zog es ihn in die Politik: Nach seinem Studium der Politikwissenschaften begann er in den 1970er-Jahren im Weißen Haus unter Richard Nixon und Gerald Ford zu arbeiten. Ford ernannte ihn später zum jüngsten Stabschef der US-Geschichte. Später vertrat Cheney als Kongressabgeordneter über ein Jahrzehnt den Bundesstaat Wyoming im Repräsentantenhaus – eine Zeit, die ihn als nüchternen Strategen mit klarer Linie bekannt machte.
1989 wechselte Cheney in das Kabinett von Präsident George H. W. Bush und übernahm das Amt des Verteidigungsministers. In dieser Rolle leitete er während des Golfkriegs 1991 die Operation „Desert Storm“ – eine militärische Intervention, die ihn in Washington endgültig zum Machtpolitiker machte. Zwischenzeitlich führte er den Energiekonzern Halliburton, bevor er 2001 unter George W. Bush als Vizepräsident ins Weiße Haus zurückkehrte.
Der Architekt der Nach-9/11-Ära
Kein anderes Ereignis prägte Cheneys politische Handschrift stärker als die Terroranschläge vom 11. September 2001. Während der Präsident unterwegs war, übernahm Cheney in den ersten Stunden die Koordination der Regierung. Danach trieb er eine sicherheitspolitische Neuausrichtung voran, die in die US-Geschichte einging: verschärfte Überwachungsgesetze, verdeckte Programme der National Security Agency und die Ausweitung der Exekutivbefugnisse.
„Cheney war der einflussreichste Vizepräsident, den Amerika je hatte“, schreibt die Washington Post. Tatsächlich verschob er die Balance zwischen Exekutive und Legislative nachhaltig. Kritiker warfen ihm vor, mit der Rechtfertigung des Irakkriegs 2003 und der Billigung sogenannter „erweiterter Verhörmethoden“ eine Ära systematischer Menschenrechtsverletzungen eingeleitet zu haben. Befürworter sahen in ihm hingegen einen Mann, der nach 9/11 entschlossen handelte, um die Vereinigten Staaten zu schützen.
Einfluss mit Schattenseiten
Wissenschaftliche Analysen wie jene des Politikwissenschaftlers J. Goldstein (2009) zeigen, dass Cheney das Amt des Vizepräsidenten in eine Machtposition verwandelte, wie sie die US-Verfassung ursprünglich nicht vorsah. Seine Nähe zu Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der Einfluss auf die Außenpolitik formten eine Regierung, die stark auf militärische Stärke und präventive Schläge setzte – eine Linie, die bis heute US-Strategien prägt.
Ein Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik beschreibt, wie viele von Cheneys Konzepten – von präventiven Operationen bis hin zur globalen Überwachung – mittlerweile als „neue Normalität“ in der US-Sicherheitsdoktrin gelten. Damit hat Cheney die politische DNA der Vereinigten Staaten weit über seine Amtszeit hinaus verändert.
Gesundheit und Privates
Cheney war über Jahrzehnte von gesundheitlichen Problemen gezeichnet. Bereits mit 37 erlitt er seinen ersten Herzinfarkt; bis 2012 sollten fünf weitere folgen. Nach einer Herztransplantation im Jahr 2012 sprach er offen über die „zweite Chance auf Leben“. Trotz der Risiken blieb er bis ins hohe Alter politisch aktiv und scheute keine öffentliche Kontroverse.
Seine Ehe mit Lynne Cheney hielt mehr als sechs Jahrzehnte. Die beiden Töchter, Liz – selbst Kongressabgeordnete – und Mary, begleiteten ihn regelmäßig bei öffentlichen Auftritten. In der Erklärung der Familie heißt es, Cheney sei „friedlich im Kreise seiner Liebsten“ gestorben. Todesursache war laut Mitteilung eine Kombination aus Pneumonie und Herz-Kreislauf-Komplikationen.
Politische Spätphase und Distanz zu Trump
Obwohl Cheney über Jahrzehnte als einer der konservativsten Köpfe der Republikanischen Partei galt, wandte er sich in seinen letzten Jahren zunehmend von Teilen seiner Partei ab. Besonders deutlich wurde das 2024, als er öffentlich erklärte, Donald Trump stelle „die größte Bedrohung für unsere Republik in meiner Lebenszeit“ dar. Stattdessen unterstützte er die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris – ein Schritt, der unter Republikanern für Aufsehen sorgte.
Ein komplexes Vermächtnis
In sozialen Netzwerken wie Reddit und X (vormals Twitter) wurde Cheneys Tod mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Während einige Nutzer seinen strategischen Verstand würdigten, erinnerten andere an die Opfer des Irakkriegs und an die rechtliche Grauzone vieler Antiterror-Maßnahmen. Diskussionen in Foren wie AnandTech oder politischen Subreddits zeigen, dass sein Name bis heute Debatten auslöst – über Macht, Moral und Verantwortung.
- Geboren: 30. Januar 1941 in Lincoln, Nebraska
- Gestorben: 3. November 2025 in Wyoming
- Politische Ämter: Stabschef (1975–1977), Kongressabgeordneter (1979–1989), Verteidigungsminister (1989–1993), Vizepräsident (2001–2009)
- Familie: Ehefrau Lynne, Töchter Liz und Mary Cheney
- Gesundheit: Fünf Herzinfarkte, Herztransplantation 2012
Ein Mann, der die amerikanische Politik prägte – und spaltete
Dick Cheney bleibt eine der widersprüchlichsten Figuren der US-Geschichte. Für die einen war er ein Vordenker, der die Vereinigten Staaten in Krisenzeiten zusammenhielt; für die anderen ein Symbol überzogener Macht und moralischer Grenzüberschreitungen. Historiker sehen in ihm einen Mann, der Amerikas Selbstverständnis nach dem 11. September neu definierte – mit Folgen, die bis heute spürbar sind.
Sein Tod markiert nicht nur das Ende einer politischen Ära, sondern auch das Abschließen eines Kapitels, das die USA verändert hat wie kaum ein anderes. Dick Cheney, der Machtmensch – ein Name, der auch in Zukunft Diskussionen auslösen wird.
























