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Erneut viele Verletzte bei Stier-Straßen-Rennen im Pamplona 2025

In Aktuelles
Juli 13, 2025

Pamplona – Die Sonne steht noch tief, als sich Hunderte weiß gekleidete Menschen mit roten Halstüchern in den engen Gassen versammeln. Jubel mischt sich mit Nervosität. Sekunden später durchbrechen rasende Stiere das Tor – und ein Jahrhunderte altes Ritual beginnt, das Jahr für Jahr fasziniert, erschreckt und polarisiert.

Einblicke in eine gefährliche Tradition

San Fermín: Das Herz eines Kulturerbes

Seit dem 16. Jahrhundert findet im nordspanischen Pamplona jedes Jahr im Juli das San-Fermín-Festival statt. Über neun Tage hinweg feiern Einheimische und Touristen mit Paraden, Konzerten – und dem berühmt-berüchtigten Encierro: dem morgendlichen Stierlauf. Jeden Tag um 8 Uhr stürmen sechs Kampfstiere zusammen mit mehreren zahmen Leitochsen durch eine etwa 875 Meter lange Route im historischen Stadtzentrum.

Bis zu 4.000 Menschen nehmen täglich teil. Doch mit der Tradition kommt das Risiko. Denn die Stiere rennen nicht nur – sie stoßen, trampeln und verletzen. In diesem Jahr, 2025, wurden bislang fünf Personen in einem einzigen Lauf verletzt. Schon am zweiten Tag des Festivals wurde ein Teilnehmer unter der Achsel von einem Stier aufgespießt – sieben weitere trugen Prellungen davon. Solche Vorfälle sind keine Ausnahme, sondern eher die Regel.

Wie gefährlich ist der Stierlauf wirklich?

Statistisch gesehen kommt es jährlich zu 200–300 Verletzungen während der Encierros. Die meisten davon sind Prellungen, Zerrungen, Knochenbrüche. Doch auch schwere Verletzungen wie Gehirnerschütterungen, Stichwunden durch Stierhörner oder innere Blutungen sind dokumentiert. Seit 1910 wurden 16 Todesfälle gezählt – der letzte 2009.

Die Veranstalter betonen indes ihre umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen. Entlang der Route gibt es alle 50 Meter medizinische Posten. Etwa 20 Krankenwagen stehen bereit, und das Rettungsteam ist in der Lage, innerhalb von weniger als zehn Minuten schwer verletzte Personen zu versorgen. Dennoch: Ein Restrisiko bleibt – und das ist nicht nur tierischer Natur.

Gefahren im Detail: Was macht den Lauf so riskant?

Die Anatomie eines Sturzes

Die größten Gefahrenquellen sind nicht nur die Stiere selbst, sondern vor allem das Verhalten der Teilnehmer. In Massen durch die engen Gassen zu rennen, birgt ein hohes Risiko für Massenstürze. Bereits ein einzelner Ausrutscher kann eine Kettenreaktion auslösen – in Fachkreisen auch als „Montón“ bekannt. Dabei türmen sich teils Dutzende Menschen übereinander auf, was zu Quetschungen, Panik und sogar Atemstillstand führen kann.

Die gefährlichsten Abschnitte

  • Dead Man’s Corner: Die scharfe Kurve von Mercaderes in die Calle Estafeta – ein Hotspot für Stürze und Zusammenstöße.
  • Santo Domingo: Der Startpunkt mit leichter Steigung – hohes Tempo, geringe Übersicht.
  • Telefonica und Callejón: Enge Gassen vor dem Einlauf in die Arena, wo sich viele Teilnehmer drängen.

Stimmen aus dem Netz: Zwischen Nervenkitzel und Angst

In sozialen Medien und Foren wie Reddit berichten Teilnehmer von intensiven Eindrücken. Ein Nutzer schreibt: „If you fall down, stay down. Cover your head and wait. Getting up could kill you.“ Andere warnen vor überfüllten Abschnitten, plötzlichen Richtungswechseln der Tiere und der Versuchung, zu viel nach hinten zu schauen.

Auch nüchterne Regeln gelten: Alkohol ist strikt verboten. Wer beim Versuch, alkoholisiert teilzunehmen, erwischt wird, darf nicht starten. Dennoch zeigt sich in vielen Beiträgen, dass der Respekt vor dem Ritual manchmal hinter dem Wunsch nach einem Adrenalinrausch zurücksteht.

Zwischen Stolz und Protest: Die gesellschaftliche Debatte

Kultur oder Grausamkeit?

Die Encierros sind tief im kulturellen Gedächtnis Spaniens verankert. Für viele steht das Laufen mit den Stieren sinnbildlich für Mut, Männlichkeit und Tradition. Doch die Kritik wächst – national wie international. Tierschutzorganisationen wie PETA verurteilen die Praktik seit Jahren als grausam und rückständig.

Die Stiere, die morgens durch die Straßen gehetzt werden, sterben meist noch am selben Tag im Stierkampf. Das öffentliche Schlachten, begleitet von Musik und Applaus, spaltet die Gesellschaft. Inzwischen formieren sich Alternativveranstaltungen – wie das „Running of the Nudes“, ein symbolischer Protestmarsch, der nackt und mit Kuhhörnern durch die gleiche Strecke führt.

Sexismus und Gewalt – ein weiteres Problem

Das Festival wurde in der Vergangenheit auch mit sexuellen Übergriffen in Verbindung gebracht. Besonders berüchtigt: der sogenannte „Wolfpack“-Fall von 2016, bei dem eine Gruppe Männer eine junge Frau während der Feierlichkeiten vergewaltigte. Feministische Gruppen fordern seitdem verstärkte Sicherheitsmaßnahmen für Frauen – und kritisieren die Machokultur, die sich im Kontext des Festivals ausbreite.

Motivation: Warum laufen Menschen überhaupt mit?

Die Gründe sind vielfältig. Für manche ist es eine Mutprobe, ein Abhaken auf der „Bucket List“. Andere suchen den Rausch des Moments, den Nervenkitzel zwischen Leben und Tod. Viele erleben den Lauf als spirituelle Erfahrung. Lokale Stimmen betonen den Stolz, Teil einer langen Linie von Generationen zu sein, die sich Jahr für Jahr diesem Ritual stellen.

„Ich hatte Glück“, berichtet Antonio García García, der in diesem Jahr leicht verletzt wurde. „Die Leute um mich herum sind das größte Risiko. Die Stiere sind wenigstens berechenbar.“

Häufige Fragen rund um den Stierlauf in Pamplona

Wie gefährlich ist das Running of the Bulls in Pamplona für Teilnehmer?

Die Verletzungsrate liegt bei etwa 0,3 % pro Teilnehmer. Es gibt jährlich bis zu 300 Verletzte – meist Prellungen oder Brüche. Todesfälle sind selten, aber möglich.

Was passiert, wenn man beim Lauf stürzt – sollte man wieder aufstehen?

Nein – Experten raten, am Boden zu bleiben, den Kopf zu schützen und erst aufzustehen, wenn alle Tiere vorbei sind. Das minimiert das Risiko schwerer Verletzungen durch Huftritte oder panische Mitläufer.

Welche Rolle spielt Alkohol beim Running of the Bulls, und ist er erlaubt?

Alkohol ist streng verboten. Teilnehmer werden auf Rauschmittel überprüft. Wer auffällig wirkt oder betrunken erscheint, wird vom Lauf ausgeschlossen.

Gibt es alternative Protestformen gegen das Running of the Bulls?

Ja – etwa das „Running of the Nudes“, das zwei Tage vor dem offiziellen Start stattfindet. Es richtet sich gegen Tierquälerei und das Männlichkeitsritual des traditionellen Laufs.

Warum nehmen Menschen freiwillig so große Risiken auf sich?

Der Mix aus Adrenalin, Tradition, öffentlichem Ruhm und persönlicher Überwindung ist für viele ein Antrieb. Manche empfinden den Lauf als spirituelle oder emotionale Grenzerfahrung.

Fazit: Zwischen Faszination und Verantwortung

Der Stierlauf in Pamplona bleibt ein faszinierendes und zugleich umstrittenes Spektakel. Er ist ein Spiegelbild spanischer Geschichte, kultureller Identität – aber auch der gesellschaftlichen Konflikte unserer Zeit. Die Mischung aus Ritual, Risiko und Rausch fordert Bewunderung wie Kritik heraus. Wer teilnimmt, sollte sich der Konsequenzen bewusst sein – körperlich, moralisch und emotional.

Ob Tradition oder Relikt – die Diskussion um den Encierro wird weitergehen. Doch eines ist sicher: Solange in Pamplona die Trommeln schlagen und die Tore sich öffnen, wird der Lauf der Stiere auch ein Lauf um Bedeutung bleiben.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.