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Lehrerin 16 Jahre krankgeschrieben: War sie als Heilpraktikerin tätig?

In Aktuelles
August 24, 2025

Der Fall einer seit 16 Jahren krankgeschriebenen Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen sorgt bundesweit für Aufsehen. Während die Pädagogin über eineinhalb Jahrzehnte ihr volles Beamtengehalt bezog, tauchten Hinweise auf, dass sie nebenbei als Heilpraktikerin tätig gewesen sein könnte. Politik, Justiz und Lehrerverbände sprechen von einem außergewöhnlichen Fall, der grundsätzliche Fragen zum Beamtenrecht und zur Kontrolle von Langzeitkrankschreibungen aufwirft.

Ein ungewöhnlicher Fall in NRW

Seit dem Jahr 2009 ist eine Studienrätin aus Nordrhein-Westfalen offiziell durchgehend krankgeschrieben. Trotz der Abwesenheit vom Schuldienst erhielt sie als verbeamtete Lehrerin weiter ihre vollen Bezüge, die zwischen rund 5.000 und 6.000 Euro monatlich lagen. Erst im Frühjahr 2024 griff die zuständige Bezirksregierung ein und ordnete eine amtsärztliche Untersuchung an. Die Lehrerin wehrte sich dagegen juristisch, doch sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bestätigten die Rechtmäßigkeit dieser Untersuchung. Damit musste sie sich nach 16 Jahren erstmals einem Amtsarzt stellen.

Warum durfte eine Lehrerin 16 Jahre lang krankgeschrieben bleiben und Gehalt bekommen?

Beamte genießen im Krankheitsfall besondere Absicherung: Sie erhalten – anders als Angestellte – unbefristet ihre vollen Bezüge, solange keine Dienstunfähigkeit festgestellt wird. In diesem Fall blieb eine amtsärztliche Prüfung jahrelang aus. Experten betonen, dass es sich um einen extremen Ausnahmefall handelt, da die durchschnittlichen Krankentage bei Bundesbeamten pro Jahr bei rund 20 bis 40 Tagen liegen. Eine durchgehende Krankschreibung über mehr als ein Jahrzehnt liegt damit weit außerhalb des Normalfalls und wirft Fragen nach Kontrollmechanismen auf.

Die juristische Dimension

Das OVG Münster stellte in seiner Entscheidung klar, dass die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung auch nach vielen Jahren zulässig ist. Ein Verjährungsrecht existiert nicht. Der Dienstherr hat sowohl eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten als auch eine Kontrollpflicht gegenüber dem Staat. Selbst nach einer so langen Zeitspanne kann also eine Prüfung erfolgen, wenn Zweifel an der Dienstfähigkeit bestehen.

Wann darf ein Dienstherr eine amtsärztliche Untersuchung anordnen?

Grundsätzlich kann eine amtsärztliche Untersuchung jederzeit angeordnet werden, wenn Zweifel an der Dienstfähigkeit bestehen. Dies gilt unabhängig davon, wie lange ein Beamter bereits krankgeschrieben ist. Auch eine psychiatrische oder psychologische Begutachtung ist rechtlich möglich, wenn entsprechende medizinische Hinweise vorliegen. Die Betroffenen haben in diesem Fall eine Mitwirkungspflicht.

Der Verdacht der Nebentätigkeit

Parallel zu ihrer Krankschreibung tauchten im Internet Hinweise auf, dass die Lehrerin möglicherweise als Heilpraktikerin aktiv war. Unter gleichem Namen fanden sich Einträge in Branchenverzeichnissen sowie Hinweise auf entsprechende Weiterbildungen. Offiziell bestätigt ist dies bislang nicht, doch der Verdacht allein entfacht eine Debatte über die Pflichten von Beamten im Krankheitsfall.

Nebentätigkeit ohne Genehmigung?

Für Lehrkräfte gilt: Jede entgeltliche Nebentätigkeit ist genehmigungspflichtig. Dazu zählen auch freie Berufe wie der des Heilpraktikers. Wer eine solche Tätigkeit ohne Genehmigung ausübt, verstößt gegen das Beamtenrecht und muss mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen. Noch komplizierter wird die Situation, wenn die Nebentätigkeit während einer Langzeitkrankschreibung ausgeübt wird – hier steht schnell der Vorwurf des Missbrauchs im Raum.

Reaktionen aus Politik und Verbänden

Die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller nannte den Fall „außergewöhnlich“ und forderte eine umfassende Aufarbeitung. Auch die Bezirksregierung Düsseldorf kündigte an, den Ablauf der vergangenen Jahre zu prüfen. Besonders kritisch äußerte sich der Präsident des NRW-Lehrerverbands. Er sprach von einem „Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen“, die in dieser Zeit Mehrarbeit leisten mussten, während die betroffene Lehrerin weiter volles Gehalt bezog.

„Es ist schwer zu vermitteln, dass jemand 16 Jahre lang keine Leistung erbringt, aber trotzdem weiterhin bezahlt wird. Das beschädigt das Vertrauen in unser Schulsystem.“ – Präsident des Lehrerverbands NRW

Öffentliche Debatte in Foren und sozialen Medien

In sozialen Netzwerken und Diskussionsforen herrscht Empörung über den Fall. Viele Nutzer kritisieren vor allem die Kosten für den Steuerzahler. In Finanz-Communities wie Reddit wird darauf hingewiesen, dass eine frühere Überprüfung durch den Amtsarzt enorme Summen hätte einsparen können. Andere Stimmen betonen, dass eine vollständige medizinische Untersuchung durchaus rechtmäßig und auch im Interesse der Allgemeinheit sei. In Lehrerforen wiederum wird diskutiert, dass Schulleitungen in solchen Fällen kaum Handhabe haben – manche berichten sogar von „Hausbesuchen“ als inoffizieller Kontrollmaßnahme.

Welche Folgen hat die Verweigerung der Untersuchung?

Die betroffene Lehrerin versuchte, sich juristisch gegen die angeordnete Untersuchung zu wehren. Gerichte stellten jedoch klar: Wer eine rechtmäßig angeordnete Untersuchung verweigert, riskiert disziplinarische Folgen. Dazu zählen die Zurruhesetzung oder gar die zwangsweise Feststellung der Dienstunfähigkeit. In der Praxis bedeutet das, dass ein Beamter auch ohne seine Mitwirkung als dienstunfähig eingestuft werden kann, wenn er sich weigert, sich begutachten zu lassen.

Systemische Schwachstellen

Der Fall zeigt eine strukturelle Schwäche im Beamtenrecht: Während Angestellte bei langer Krankheit in das Krankengeldsystem wechseln, beziehen Beamte auch nach Jahren weiterhin ihr volles Gehalt. Ohne regelmäßige Prüfungen kann dies zu extremen Situationen führen. Experten fordern deshalb verbindliche Intervalle für amtsärztliche Kontrollen bei längeren Krankmeldungen, um Missbrauch vorzubeugen.

Warum gab es so lange keine Kontrolle durch die Bezirksregierung?

Viele Bürger fragen sich, warum die zuständige Behörde erst nach 15 Jahren handelte. Die Bezirksregierung Düsseldorf räumte inzwischen ein, dass der Fall aufbereitet werden müsse. Kritiker sehen darin ein Versagen der Kontrollinstanzen. Ohne das Eingreifen von außen wäre der Zustand möglicherweise noch länger bestehen geblieben.

Die Rolle des Amtsarztes

Entscheidend für die Zukunft der Lehrerin ist die amtsärztliche Untersuchung. Der Amtsarzt prüft, ob eine Rückkehr in den Schuldienst realistisch ist oder ob die Beamtin dauerhaft dienstunfähig ist. Dabei können sowohl körperliche als auch psychische Aspekte bewertet werden. Selbst eine teilweise Arbeitsfähigkeit genügt nicht, wenn eine dauerhafte Rückkehr unwahrscheinlich ist.

Ist eine psychologische oder psychiatrische Begutachtung erlaubt?

Ja, in Fällen, in denen die Ursachen der Krankheit unklar oder psychischer Natur sind, darf ein Amtsarzt eine entsprechende Untersuchung veranlassen. Dies ist nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig, wenn Zweifel an der Dienstfähigkeit bestehen. Die betroffene Lehrerin hatte genau gegen diesen Punkt geklagt, da sie die Untersuchung für unverhältnismäßig hielt – die Gerichte folgten dieser Argumentation jedoch nicht.

Heilpraktiker als möglicher Nebenberuf

Der Beruf des Heilpraktikers ist in Deutschland rechtlich geregelt, allerdings mit vergleichsweise niedrigen Hürden. Eine staatlich anerkannte medizinische Ausbildung ist nicht erforderlich; ausreichend ist eine Prüfung beim Gesundheitsamt. Kritiker bemängeln seit Jahren die unklare Qualität der Ausbildung und den Einsatz umstrittener Methoden. Sollte die Lehrerin tatsächlich in diesem Bereich tätig gewesen sein, stellt sich nicht nur die rechtliche Frage nach der Genehmigung, sondern auch eine ethische: Kann jemand, der dienstunfähig als Lehrkraft gilt, gleichzeitig im Heilpraktiker-Beruf arbeiten?

Gesellschaftliche Folgen und Diskussionen

Der Fall hat eine breite Debatte über die Strukturen im öffentlichen Dienst ausgelöst. Viele Bürger empfinden es als ungerecht, dass ein einzelner Fall so lange unkontrolliert blieb, während gleichzeitig an Schulen Lehrermangel herrscht. Auch in Lehrerverbänden herrscht Sorge, dass das Vertrauen in den Beamtenstatus Schaden nimmt. Das Beispiel zeigt, wie Einzelfälle zur Symbolpolitik werden können – insbesondere in Zeiten, in denen Bildungspolitik ohnehin stark unter Druck steht.

Welche Reaktionen gibt es im Lehrerverband zu dem Fall?

Der NRW-Lehrerverband reagierte mit deutlichen Worten. Der Präsident sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ der Kolleginnen und Kollegen, die in den letzten Jahren Mehrarbeit leisten mussten. Angesichts des akuten Lehrermangels sei es schwer vermittelbar, dass eine Kollegin über Jahre hinweg ausfällt, während andere Klassen übernehmen müssen. Auch das Ansehen des Lehrerberufs werde durch den Fall beschädigt.

Statistischer Vergleich

Um die Besonderheit des Falls zu verdeutlichen, lohnt ein Blick auf die Zahlen. Während Bundesbeamte im Durchschnitt etwa 20 bis 40 Krankheitstage im Jahr aufweisen, lag die Abwesenheit der Lehrerin bei über 5.800 Tagen. Der folgende Überblick macht die Dimension sichtbar:

KategorieDurchschnittliche FehlzeitFall Lehrerin
Beamte (Bund)≈ 20–40 Tage/Jahr≈ 5.800 Tage gesamt
Lehrkräfte allgemein≈ 22 Tage/Jahr16 Jahre durchgehend
Maximale Abwesenheit2 Monate/Jahr üblich192 Monate in Folge

Die gesellschaftliche Dimension

Jenseits der juristischen und finanziellen Aspekte ist der Fall auch ein Lehrstück über Vertrauen und Gerechtigkeit. Während viele Beamte ihren Dienst mit Engagement erfüllen, rückt dieser Einzelfall ein ganzes System in ein schiefes Licht. Kritiker sehen darin ein Beispiel für mangelnde Kontrolle, Befürworter des Beamtensystems warnen vor Generalisierungen. Klar ist jedoch: Fälle wie dieser werden künftig intensiver überprüft werden müssen, um das Vertrauen in staatliche Strukturen nicht weiter zu belasten.

Ob die Lehrerin tatsächlich dauerhaft in den Schuldienst zurückkehrt oder endgültig in den Ruhestand versetzt wird, entscheidet sich durch die amtsärztliche Untersuchung. Auch die Vorwürfe einer möglichen Nebentätigkeit als Heilpraktikerin stehen weiter im Raum. Fest steht: Der Fall hat nicht nur die Justiz beschäftigt, sondern auch die öffentliche Meinung, die Politik und die Lehrerverbände. Er wirft die grundsätzliche Frage auf, wie das Beamtenrecht im 21. Jahrhundert ausgestaltet sein muss, um Missbrauch vorzubeugen und gleichzeitig die Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten zu wahren.

In einer Zeit, in der das Bildungssystem unter Lehrermangel und wachsender Belastung leidet, wirkt ein solcher Fall wie ein Brennglas. Er zeigt die Spannungen zwischen individueller Absicherung, öffentlichem Vertrauen und staatlicher Verantwortung. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass extreme Einzelfälle nicht nur Schlagzeilen produzieren, sondern auch der Anlass sein können, überfällige Reformen ernsthaft anzugehen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.