
München, 7. Juni 2025, 20:00 Uhr (CCS)
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Am Samstagabend erschütterte ein gewalttätiger Zwischenfall das Herz Münchens: Eine Frau griff auf offener Straße Passanten mit einem Messer an. Der Angriff ereignete sich unweit der Theresienwiese, einem Ort, der normalerweise mit Festen und Familien verbunden wird. Zwei Menschen wurden verletzt, ehe die Polizei die Angreiferin mit einem gezielten Schuss außer Gefecht setzte. Später verstarb die Frau im Krankenhaus. Die Ermittlungen dauern an, doch bereits jetzt werfen Tat und Polizeieinsatz gesellschaftliche, sicherheitspolitische und rechtliche Fragen auf.
Der Tathergang: Was am Samstagabend geschah
Gegen 19:45 Uhr meldeten mehrere Augenzeugen einen Messerangriff in der Nähe der Sankt-Pauls-Kirche. Die Täterin – eine etwa 30-jährige Frau bulgarischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in München-Sendling – verletzte zunächst einen 56-jährigen Mann. Kurz darauf wurde auch eine 25-jährige Frau Opfer ihrer Attacke. Die Polizei traf binnen Minuten am Ort des Geschehens ein. Nach mehrmaliger Aufforderung, das Messer fallen zu lassen, griffen die Einsatzkräfte zur Schusswaffe und trafen die Angreiferin lebensgefährlich. Sie wurde notoperiert, erlag jedoch später ihren Verletzungen.
Polizeieinsatz: Letale Gewalt – notwendig oder vermeidbar?
Laut ersten Stellungnahmen der Münchener Polizei handelte es sich um eine Lage mit akuter Gefahr für Leib und Leben Unbeteiligter. In solchen Situationen ist der Gebrauch der Schusswaffe als „ultima ratio“ vorgesehen. Der Einsatz sei nach internen Standards und rechtlichen Vorgaben erfolgt. Dennoch stellt sich wie immer nach solchen Vorfällen die Frage: Hätte die Gewalt vermieden werden können?
In Deutschland ist der Einsatz tödlicher Polizeigewalt selten. In München liegt der letzte tödliche Polizeischuss mehr als ein Jahrzehnt zurück. Dennoch wird nach jedem Vorfall – insbesondere bei psychisch auffälligen Tätern – über Alternativen zur tödlichen Gewalt diskutiert. Der Einsatz von Tasern oder psychologisch geschultem Personal wird oft gefordert, jedoch nicht flächendeckend eingesetzt.
Psychische Erkrankungen als Tatmotiv?
Ob die Täterin unter einer psychischen Erkrankung litt, ist derzeit Gegenstand der Ermittlungen. Laut ersten Polizeiberichten gab es Hinweise auf eine psychische Ausnahmesituation. Dies würde sich in ein bekanntes Muster fügen: Laut Studien stehen rund 18 % der Messerangriffe in Deutschland im direkten Zusammenhang mit akuten psychischen Störungen. Weitere fast 60 % der Täter leiden an chronischen psychischen Erkrankungen. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit präventiver psychiatrischer Betreuung und Früherkennung.
Messergewalt in Deutschland – Ein wachsendes Problem?
Messerattacken nehmen in Deutschland seit Jahren zu. Die Statistik verzeichnete 2023 bundesweit rund 8.951 Fälle von gefährlicher oder schwerer Körperverletzung unter Einsatz eines Messers – ein Zuwachs von fast 10 % im Vergleich zum Vorjahr. Bayern liegt mit rund fünf registrierten Messerangriffen pro Tag unter dem bundesweiten Schnitt, was das Ausmaß jedoch keineswegs relativiert.
Jahr | Bundesweite Fälle (mit Messer) |
---|---|
2021 | 7.071 |
2022 | 8.160 |
2023 | 8.951 |
Experten führen diese Entwicklung auf eine Vielzahl von Faktoren zurück: soziale Spannungen, psychische Erkrankungen, Drogenkonsum, aber auch die einfache Verfügbarkeit von Messern. Die politische Debatte über schärfere Waffengesetze nimmt daher erneut Fahrt auf.
Waffenverbotszonen und ihre Wirksamkeit
Nach ähnlichen Vorfällen wurden in einigen Städten sogenannte Waffenverbotszonen eingerichtet. Die Effektivität dieser Maßnahmen ist jedoch umstritten. Kriminologen wie Dirk Baier kritisieren, dass solche Zonen kaum abschreckende Wirkung haben, da die Täter oft in akuten Ausnahmezuständen handeln und Verbote ignorieren. Zudem seien die Kontrollmöglichkeiten in öffentlichen Räumen begrenzt.
„Ein Waffenverbot ist nur so wirksam wie seine Durchsetzbarkeit – und die ist in Großstädten stark limitiert“, so ein Polizeiexperte anonym gegenüber einer Fachzeitschrift.
Taser und andere Einsatzmittel – sinnvoll oder riskant?
In der Diskussion um Alternativen zur Schusswaffe kommt häufig der Taser ins Spiel. In Deutschland testen mittlerweile 13 Bundesländer den Einsatz des Elektroimpulsgeräts – darunter auch Bayern. Zwar ist der Taser eine weniger tödliche Option, doch auch hier gibt es Bedenken: Seit 2018 kam es in Deutschland zu mindestens zehn Todesfällen im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen – oft bei psychisch instabilen oder unter Drogen stehenden Personen.
Medizinische Studien weisen auf die Gefahr von Herzrhythmusstörungen und Atemnot hin, insbesondere bei Personen mit Vorerkrankungen. Menschenrechtsorganisationen fordern daher klare Richtlinien und den Einsatz von psychologisch geschultem Personal bei Einsätzen mit auffälligen Personen.
Vergleichbare Fälle – Muster und Unterschiede
Der Fall in München erinnert an ähnliche Vorfälle in anderen deutschen Städten:
- Hamburg, Mai 2025: Eine 39-jährige psychisch kranke Frau verletzte 15 Menschen am Hauptbahnhof mit einem Messer. Sie wurde festgenommen, nicht erschossen.
- Aschaffenburg, Januar 2025: Ein Mann griff mehrere Menschen, darunter Kinder, mit einem Messer an. Die Tat löste eine Debatte über Asylpolitik aus.
- Solingen, August 2024: Ein IS-sympathisierender Täter attackierte mehrere Menschen – die Tat wurde als islamistisch motivierter Terrorakt eingestuft.
Diese Beispiele zeigen: Messerangriffe haben unterschiedliche Hintergründe – von psychischen Ausnahmezuständen bis hin zu ideologisch motivierten Taten. Pauschalisierungen sind gefährlich, differenzierte Analysen notwendig.
Reaktionen aus Politik und Gesellschaft
Nach dem Münchner Vorfall forderte die Gewerkschaft der Polizei erneut härtere Gesetze gegen Messerbesitz in der Öffentlichkeit. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser bekräftigte ihr Vorhaben, Klingen über sechs Zentimeter Länge in öffentlichen Räumen zu verbieten. Die Grünen hingegen fordern mehr Mittel für psychiatrische Prävention, insbesondere im städtischen Raum.
Kriminologen warnen vor vorschnellen Schlüssen. Nicht Herkunft oder Religion seien die Hauptfaktoren, sondern häufig soziale Isolation, psychische Erkrankung und fehlende Hilfeangebote.
Fazit: Was der Fall München offenlegt
Der tödliche Polizeieinsatz in München hat einmal mehr eine Debatte entfacht, die weit über die Stadtgrenzen hinausgeht. Die zunehmende Zahl von Messerattacken, das komplexe Zusammenspiel aus psychischen Erkrankungen, Präventionslücken und sicherheitspolitischem Handlungsdruck – all das kommt in diesem Fall zusammen. Die Herausforderung liegt darin, Sicherheit zu gewährleisten, ohne vorschnell zu stigmatisieren oder zu pauschalisieren. Es braucht differenzierte Analysen, bessere Präventionsarbeit und klare Standards im Polizeieinsatz.
Die Ermittlungen in München dauern an. Ob der Einsatz alternativ lösbar gewesen wäre, werden Rechtsexperten und Polizeifachleute klären müssen. Für die Gesellschaft bleibt die Frage: Wie können wir verhindern, dass psychische Krisen in tödliche Gewalt münden – und welche Rolle spielen dabei Staat, Medizin und jeder Einzelne?