Kommt bald die Steuerfreiheit für Überstunden? Neuer Gesetzentwurf sorgt für Diskussion

In Politik
September 17, 2025

Ein neuer Gesetzentwurf der Bundesregierung sorgt für Schlagzeilen: Künftig sollen Überstundenzuschläge steuerfrei gestellt werden. Während die Regierung hofft, damit Anreize für Mehrarbeit zu schaffen und den Fachkräftemangel abzufedern, entzündet sich eine breite Debatte. Befürworter sehen mehr Netto vom Brutto, Kritiker warnen vor sozialen Schieflagen.

Ein Überblick über den Gesetzentwurf

Worum geht es bei der geplanten Steuerfreiheit?

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass nicht die Überstunde selbst, sondern ausschließlich der Zuschlag auf geleistete Überstunden steuerfrei gestellt wird. Geplant ist eine Deckelung: Zuschläge dürfen maximal 25 Prozent des regulären Stundenlohns betragen, um von der Steuerfreiheit zu profitieren. Damit orientiert sich der Entwurf an bestehenden Regelungen, wie sie bereits für Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit gelten.

Ab wann könnte die Regelung gelten?

Die Bundesregierung plant eine Umsetzung ab dem Jahr 2025, wobei viele Details noch im parlamentarischen Verfahren ausgearbeitet werden müssen. Im Gespräch ist eine Einführung zusammen mit weiteren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, darunter die sogenannte „Aktivrente“. Während Befürworter auf eine schnelle Verabschiedung drängen, warnen Experten vor vorschnellen Erwartungen: „Das Vorhaben steckt noch im Gesetzgebungsverfahren“, heißt es aus Regierungskreisen.

Für wen gilt die geplante Steuerfreiheit?

Nach aktuellem Stand sollen vor allem Vollzeitbeschäftigte von den steuerfreien Überstundenzuschlägen profitieren. Tariflich gebundene Arbeitnehmer müssen dabei mindestens 34 Wochenstunden arbeiten, Beschäftigte ohne Tarifbindung mindestens 40 Stunden. Teilzeitkräfte bleiben voraussichtlich außen vor – ein Punkt, der bereits erhebliche Kritik hervorruft, da Frauen überproportional häufig in Teilzeit arbeiten.

Die Bedeutung von Überstunden in Deutschland

Statistiken zu geleisteten Überstunden

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht die Tragweite des Themas. Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamts berichteten rund 4,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, regelmäßig Überstunden zu leisten. Davon wurden nur 16 Prozent vergütet, während 71 Prozent über Arbeitszeitkonten ausgeglichen wurden. Die Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen zudem: 2024 leisteten Beschäftigte im Schnitt 13,1 bezahlte und 15,1 unbezahlte Überstunden pro Jahr – ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2023.

Wer leistet besonders viele Überstunden?

Untersuchungen des DGB-Index Gute Arbeit belegen, dass Männer deutlich häufiger Überstunden leisten als Frauen. Während 27 Prozent der Männer mehr als fünf Überstunden pro Woche aufweisen, sind es bei Frauen nur 20 Prozent. Auch die Arbeitsbelastung spielt eine Rolle: Je höher die Anforderungen im Job, desto wahrscheinlicher ist es, dass Mehrarbeit anfällt.

Bezahlte versus unbezahlte Mehrarbeit

Die Unterschiede zwischen bezahlten und unbezahlten Überstunden sind gravierend. Während bezahlte Mehrarbeit auf den ersten Blick attraktiver wirkt, da ein Zuschlag winkt, nutzen viele Arbeitgeber Arbeitszeitkonten. Dort werden Überstunden gesammelt und später durch Freizeit ausgeglichen. Genau hier setzt die Kritik an: Die Steuerfreiheit soll nur für ausgezahlte Zuschläge gelten, nicht für Zeitausgleich. Das wirft die Frage auf, ob die Reform in der Praxis wirklich breite Wirkung entfalten kann.

Chancen und Risiken der geplanten Steuerfreiheit

Potenzielle Vorteile für Arbeitnehmer

  • Mehr Netto vom Brutto bei Überstundenzuschlägen
  • Finanzieller Anreiz für Beschäftigte, Mehrarbeit zu leisten
  • Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, die mit steuerfreien Zuschlägen locken

Arbeitnehmer könnten durch die neue Regelung ihr Nettoeinkommen erhöhen. Besonders in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten sehen viele darin eine Entlastung. Ein häufiger Gedanke lautet: „Lohnt sich ein Freizeitausgleich statt Auszahlung bei Überstunden?“ – hier gehen die Meinungen auseinander. Während beim Freizeitausgleich keine Steuer anfällt, bietet die Auszahlung mit steuerfreiem Zuschlag zumindest einen spürbaren Vorteil gegenüber der bisherigen Lage.

Kritische Stimmen und mögliche Nachteile

Kritiker warnen vor einer Reihe von Nebenwirkungen. Gewerkschaftsnahe Institute wie das IMK befürchten, dass Arbeitgeber durch die neue Regelung weniger geneigt sein könnten, neue Stellen zu schaffen. Stattdessen könnte es attraktiver sein, bestehende Mitarbeiter zu Mehrarbeit zu bewegen. Hinzu kommt die Gefahr geschlechtsspezifischer Schieflagen, da Männer statistisch häufiger Überstunden leisten. Frauen in Teilzeit würden nach jetzigem Stand außen vor bleiben.

„Die geplante Regelung hat eine Reihe schädlicher Nebenwirkungen“, warnt ein aktueller Bericht. „Sie könnte die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen noch verstärken und den Fachkräftemangel verschärfen, statt ihn zu lindern.“

Auswirkungen auf Arbeitgeber

Für Arbeitgeber bedeutet die geplante Steuerfreiheit zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Lohnabrechnungssysteme müssen angepasst, Überstunden sauber dokumentiert und klare Abgrenzungen geschaffen werden. In Betriebsratsforen wird zudem auf organisatorische Probleme hingewiesen: Die Unterscheidung zwischen Überzeit und Überstunden ist in vielen Betrieben kompliziert, große Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten erschweren die Umsetzung zusätzlich.

Gesellschaftliche Debatte und politische Perspektiven

Argumente der Befürworter

Politische Befürworter betonen vor allem die Chancen für Vollzeitbeschäftigte. Steuerfreie Zuschläge könnten die Motivation steigern, zusätzliche Arbeitszeit zu leisten. Damit ließe sich zumindest kurzfristig der Fachkräftemangel lindern, insbesondere in Branchen mit hoher Arbeitsbelastung wie Pflege, Handwerk oder Industrie.

Kritik aus Opposition und Gewerkschaften

Opposition und Gewerkschaften zeigen sich hingegen skeptisch. Sie monieren die drohende Benachteiligung von Teilzeitkräften und kritisieren die soziale Schlagseite der Reform. Besonders umstritten ist die Frage: „Werden Teilzeitkräfte von der Steuerfreiheit ausgeschlossen?“ Nach aktuellem Stand lautet die Antwort: Ja. Genau das könnte jedoch langfristig zu größerer Ungleichheit am Arbeitsmarkt führen.

Stimmen aus den sozialen Medien

In Foren und auf Plattformen wie Reddit oder LinkedIn wird hitzig diskutiert. Viele Nutzer merken an, dass die Regelung nur für Zuschläge gilt, was die Wirkung stark einschränkt. Andere befürchten Mitnahmeeffekte: Unternehmen könnten regulären Lohn in Zuschläge umschichten, um Steuerfreiheit zu nutzen. Gleichzeitig weisen Befürworter auf den psychologischen Effekt hin: „Mehr Netto vom Brutto“ sei ein Signal, das viele Beschäftigte als Anerkennung empfinden würden.

Offene Fragen und Unsicherheiten

Welche Voraussetzungen gelten für die Steuerfreiheit?

Damit Zuschläge steuerfrei sind, müssen sie über die vertraglich oder tariflich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Zudem darf der Zuschlag 25 Prozent des regulären Lohns nicht überschreiten. Unklar bleibt, wie genau Überstunden dokumentiert werden müssen und wie Freizeitausgleich im Vergleich zur Auszahlung behandelt wird. Diese Detailfragen sorgen auch in Arbeitgeberkreisen für Unsicherheit.

Wie viele Arbeitnehmer profitieren tatsächlich?

Die Bundesregierung konnte bislang keine belastbaren Zahlen nennen, wie viele Arbeitnehmer von der Reform profitieren würden. Klar ist nur: Der Effekt dürfte je nach Branche, Tarifvertrag und Arbeitszeitmodell sehr unterschiedlich ausfallen. Besonders in Branchen mit fest verankerten Arbeitszeitkonten könnte der finanzielle Nutzen für Beschäftigte gering bleiben.

Wird die Reform den Fachkräftemangel lindern?

Hier gehen die Meinungen auseinander. Während die Regierung hofft, durch steuerfreie Zuschläge mehr Arbeitskraft zu mobilisieren, warnen Experten vor Fehlanreizen. Mehrarbeit von bestehenden Mitarbeitern könnte den Druck auf Neueinstellungen verringern. Statt den Fachkräftemangel zu lösen, könnte er auf diese Weise langfristig sogar verstärkt werden.

Ein komplexes Vorhaben mit vielen Unbekannten

Die Diskussion um steuerfreie Überstundenzuschläge zeigt, wie schwierig es ist, mit einem einzelnen Instrument verschiedene Probleme gleichzeitig zu lösen. Einerseits bietet die Reform Beschäftigten in Vollzeit die Chance auf mehr Netto vom Brutto. Andererseits drohen Ungleichheiten zwischen Voll- und Teilzeit, zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Branchen mit und ohne Tarifbindung. Zudem ist unklar, wie groß die Wirkung tatsächlich sein wird, da ein erheblicher Teil der Überstunden über Zeitkonten geregelt wird.

Ob die Reform am Ende wirklich zur Entlastung beiträgt oder nur ein symbolischer Schritt bleibt, hängt maßgeblich von den kommenden parlamentarischen Beratungen ab. Bis dahin bleibt die Frage offen, ob der neue Gesetzentwurf tatsächlich ein spürbares Plus auf dem Konto vieler Arbeitnehmer bringt – oder ob er nur eine weitere Baustelle im ohnehin angespannten deutschen Arbeitsmarkt eröffnet.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.