
PRO ASYL ist seit fast vier Jahrzehnten eine der einflussreichsten Organisationen für Flüchtlingshilfe und Menschenrechte in Deutschland. Die NGO spielt eine Schlüsselrolle im nationalen und internationalen Diskurs rund um Asylpolitik, Einzelfallhilfe und Menschenrechtsarbeit. Doch was genau macht PRO ASYL? Wie arbeitet die Organisation, welche Strukturen tragen sie – und welche aktuellen Entwicklungen fordern sie heraus?
Struktur und Unabhängigkeit
PRO ASYL wurde 1986 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main. Die Organisation setzt sich aus drei rechtlich eigenständigen Einheiten zusammen, die gemeinsam das Fundament ihrer Arbeit bilden:
- Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL – ein Zusammenschluss von Mitarbeitenden aus Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsräten und Menschenrechtsgruppen.
- Förderverein PRO ASYL e.V. – verantwortlich für finanzielle Mittelvergabe, politische Kampagnen und die Öffentlichkeitsarbeit.
- Stiftung PRO ASYL – sichert langfristige Projektarbeit und strukturelle Stabilität durch nachhaltige Förderung.
Die Organisation finanziert sich vollständig durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Zuwendungen von Stiftungen. Staatliche Mittel werden nicht in Anspruch genommen, was PRO ASYL eine bemerkenswerte Unabhängigkeit sichert – sowohl in politischer als auch in inhaltlicher Hinsicht.
Hilfe für Geflüchtete: Die Einzelfallunterstützung
Einer der zentralen Bereiche von PRO ASYL ist die individuelle Hilfe für Geflüchtete. Täglich erreichen die Organisation Anfragen von Menschen, die sich in einem komplexen Asylverfahren befinden oder akut von Abschiebung bedroht sind. In vielen Fällen bietet PRO ASYL juristische Unterstützung – nicht selten bis hin zur Begleitung durch alle Instanzen, einschließlich Klagen vor europäischen Gerichten.
Das Ziel: Ein faires Verfahren für jeden Einzelnen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Aufenthaltsstatus. Dabei greift PRO ASYL auf ein weitreichendes Netzwerk von Rechtsanwälten, Dolmetschern und freiwilligen Helfern zurück.
Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen
PRO ASYL dokumentiert systematisch Verstöße gegen die Rechte von Geflüchteten, insbesondere an den EU-Außengrenzen. In Griechenland, Ungarn und auf der Balkanroute berichten Schutzsuchende regelmäßig von Pushbacks, Gewalt durch Sicherheitskräfte und illegaler Inhaftierung. Diese Vorfälle werden von PRO ASYL recherchiert, analysiert und veröffentlicht – mit dem Ziel, politische Verantwortung sichtbar zu machen und internationale Aufmerksamkeit zu schaffen.
„Unsere Recherchen zeigen: Menschenrechte gelten an Europas Außengrenzen nicht für alle gleich. Daran muss sich dringend etwas ändern.“ – Mitarbeiterin von PRO ASYL
Öffentlichkeitsarbeit und politische Einflussnahme
Die Organisation versteht sich nicht nur als Helferin im Einzelfall, sondern auch als politische Akteurin. Über Pressekonferenzen, Petitionen, Social-Media-Kampagnen und Stellungnahmen versucht PRO ASYL, die öffentliche und politische Debatte im Sinne geflüchteter Menschen zu beeinflussen. Besonders intensiv ist das Engagement in folgenden Bereichen:
- Bekämpfung rassistischer Narrative in der Flüchtlingspolitik
- Kritik an der Einstufung bestimmter Länder als “sichere Herkunftsstaaten”
- Aufklärung über die rechtlichen und sozialen Folgen restriktiver Gesetzgebung
Ein aktueller Schwerpunkt liegt auf der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). PRO ASYL kritisiert hierbei eine zunehmende Abschottungspolitik der EU und warnt vor einer „Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien“.
Ehrenamt und Bildung
Ein weiterer Baustein der Arbeit ist die Förderung ehrenamtlichen Engagements. PRO ASYL bietet Materialien, Fortbildungen und Beratung für Menschen, die sich in ihrer Gemeinde oder Stadt für Geflüchtete einsetzen möchten. Auch Bildungsarbeit wird aktiv betrieben – etwa durch Symposien, Vorträge, Schulprojekte oder Wanderausstellungen wie „Menschen & Rechte sind unteilbar“.
Aktuelle Entwicklungen: Kritik und Kontroversen
Zurückweisungen an der Grenze: Rechtliche Auseinandersetzungen
Im Frühjahr 2025 wurde PRO ASYL in einen politischen Schlagabtausch verwickelt. Hintergrund war ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Zurückweisung dreier somalischer Flüchtlinge an der deutsch-polnischen Grenze als rechtswidrig einstufte. Die Union warf PRO ASYL vor, durch gezielte Unterstützung der Flüchtlinge deren Einreise „inszeniert“ zu haben.
PRO ASYL wies die Anschuldigungen scharf zurück und erklärte, lediglich rechtlich und humanitär unterstützt zu haben – nicht aber aktiv an der Einreise beteiligt gewesen zu sein. Die Debatte zeigt: PRO ASYL befindet sich nicht nur im Zentrum gesellschaftlicher Diskussionen, sondern ist auch regelmäßig Zielscheibe politischer Angriffe.
Kritik am Asylbewerberleistungsgesetz
Seit Jahren kritisiert die Organisation die aus ihrer Sicht unzureichenden Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Besonders problematisch sei die medizinische Versorgung: In manchen Einrichtungen würden Entscheidungen über ärztliche Hilfe nicht durch medizinisches Personal, sondern durch Behördenmitarbeiter oder sogar Sicherheitskräfte getroffen.
Dies gefährde die Gesundheit von Geflüchteten und sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, so PRO ASYL. Gemeinsam mit anderen NGOs fordert die Organisation eine grundlegende Reform des Gesetzes und eine Gleichstellung mit der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Schutzsuchenden.
Internationale Kooperation und Projekte
PRO ASYL arbeitet eng mit Partnern auf europäischer und internationaler Ebene zusammen. Als Mitglied des European Council on Refugees and Exiles (ECRE) ist die Organisation in zahlreichen Gremien aktiv, die sich mit der Gestaltung einer menschenrechtskonformen Asylpolitik befassen. Auch mit dem UNHCR und Menschenrechtsorganisationen in Griechenland, Italien und auf dem Balkan bestehen Kooperationsprojekte.
Förderprogramme und Stipendien
Ein besonderer Schwerpunkt der Stiftung PRO ASYL liegt auf der Förderung junger Geflüchteter. Über Stipendienprogramme werden Bildungswege ermöglicht, die ansonsten durch Aufenthaltsstatus oder finanzielle Hürden versperrt wären. Damit wirkt PRO ASYL nicht nur in der Gegenwart, sondern baut auch an einer Zukunft, in der Integration durch Bildung gelingen kann.
Auszeichnungen als Zeichen der Anerkennung
Für ihr unermüdliches Engagement ist PRO ASYL mehrfach ausgezeichnet worden. Zu den bedeutendsten Ehrungen zählen der Bonhoeffer-Preis (1998), der Aachener Friedenspreis (2001), die Theodor-Heuss-Medaille (2008) und der Göttinger Friedenspreis (2010). Diese Auszeichnungen unterstreichen, wie stark PRO ASYL die Flüchtlingshilfe in Deutschland geprägt hat.
Fazit: Unverzichtbare Stimme für Menschenrechte
PRO ASYL ist mehr als nur eine Hilfsorganisation. Sie ist Stimme, Mahnerin und Begleiterin für jene, die sonst oft keine Fürsprecher haben. Durch juristische Unterstützung, politische Arbeit, Öffentlichkeitskampagnen und internationale Kooperation trägt sie maßgeblich dazu bei, das Grundrecht auf Asyl mit Leben zu füllen.
Auch wenn die Organisation immer wieder Kritik erfährt, etwa aus politischen Lagern, bleibt ihr Wirken für viele Geflüchtete existenziell. In einer Zeit, in der Menschenrechte an Europas Grenzen zunehmend unter Druck geraten, ist die Arbeit von PRO ASYL aktueller und notwendiger denn je.