
Mit deutlichen Worten zur Rolle der Wölfe in den Alpen hat Reinhold Messner eine heftige Kontroverse ausgelöst. Der ehemalige Extrembergsteiger sprach sich in einem Interview für Sterilisation oder gar Tötung von Wölfen aus. Tierschutzorganisationen reagierten scharf und warfen ihm vor, mit überzogenen Aussagen die Debatte zu polarisieren.
Ein Bergsteiger zwischen Naturverbundenheit und Kritik
Reinhold Messner gilt seit Jahrzehnten als Ikone des Bergsports. Seine Worte finden über die Grenzen Südtirols hinaus Gehör. Gerade deshalb sorgte ein Interview mit einer großen italienischen Tageszeitung für Schlagzeilen, in dem er Wölfe als eine Gefahr für das traditionelle Leben auf den Almen bezeichnete. Nach seiner Auffassung müsse man den Bestand „töten oder vielleicht sterilisieren“, um ein Gleichgewicht herzustellen. Messner betonte jedoch, er sei „nicht gegen Wölfe“ an sich, sondern wolle die Koexistenz von Wildtier und Mensch im Alpenraum neu definieren.
Die Argumentation von Messner
Messner sieht die traditionelle Almwirtschaft in Bedrängnis. Nach seinen Worten verlassen Bauern zunehmend ihre Höfe, weil die Wolfspopulation die Weidehaltung bedrohe. Er warnt vor einer „Entvölkerung“ der Almen, die nicht nur ökonomische Folgen hätte, sondern auch die jahrhundertealte Kulturlandschaft in Gefahr bringe. In sozialen Medien führte er aus, dass auf zahlreichen Südtiroler Almen in diesem Jahr keine Schafe oder Ziegen mehr zu finden seien. Der Wolf wird in seiner Darstellung zum Symbol für den Verlust bäuerlicher Tradition.
Die „drei Probleme“ der Berge
In demselben Interview ordnete Messner Wölfe in eine Reihe mit zwei weiteren Faktoren, die seiner Meinung nach die Bergwelt bedrohen: den „Influencern“ und dem zunehmenden Verkehr. Diese Zuspitzung löste zusätzliche Empörung aus, da sie den Wolf in eine Reihe mit menschgemachten Phänomenen stellte. Kritiker sahen darin eine rhetorische Gleichsetzung, die Artenschutzbemühungen verunglimpfe.
Schroffe Reaktionen von Tierschützern
Kaum waren Messners Worte veröffentlicht, folgten scharfe Reaktionen. Italienische wie deutsche Tierschutzverbände kritisierten die Aussagen als „falsch“, „irreführend“ und „absurd“. Die Organisation LAV sprach auf X (vormals Twitter) davon, dass es „besorgniserregend“ sei, den Wolf auf eine Ebene mit Verkehrsproblemen zu stellen. Die Initiative „Io non ho paura del lupo“ warf Messner vor, seine moralische Autorität zu missbrauchen, um Stimmung gegen ein geschütztes Tier zu machen.
Auch der WWF meldete sich auf Facebook zu Wort. Statt „spaltender Worte“ brauche es, so die Organisation, eine konstruktive Diskussion. Der Wolf sei kein Feind, sondern Teil der natürlichen Regulierung. Eine Reduktion der Population über Tötung oder Sterilisation sei unnötig und kontraproduktiv.
Hintergrund: Der Wolf in Deutschland und Europa
Um die Debatte zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Faktenlage. In Deutschland leben nach den offiziellen Monitoring-Berichten rund 1.300 Wölfe. Im Monitoringjahr 2023/24 wurden 274 Territorien bestätigt, darunter 209 Rudel, 46 Paare und 19 Einzeltiere. Diese Population wächst seit Jahren kontinuierlich an. Zugleich wurden steigende Schäden verzeichnet: Allein im Jahr 2020 kam es zu mehr als 900 dokumentierten Übergriffen mit rund 3.900 verletzten oder getöteten Weidetieren.
Wolfsmanagement in Europa
Viele europäische Länder haben inzwischen differenzierte Wolfsmanagement-Programme etabliert. Diese setzen auf vier Säulen:
- Monitoring: systematische Beobachtung und wissenschaftliche Erhebung der Population.
- Herdenschutz: Zäune, Herdenschutzhunde und die Präsenz von Hirten sollen Übergriffe reduzieren.
- Ausgleichszahlungen: Tierhalter erhalten finanzielle Entschädigung bei Wolfsrissen.
- Selektive Eingriffe: Einzelne Problemtiere können entnommen werden, wenn sie trotz Schutzmaßnahmen wiederholt angreifen.
Diese Maßnahmen sollen das Nebeneinander von Wolf und Weidetierhaltung ermöglichen, ohne den Schutzstatus der Tiere infrage zu stellen.
Typische Fragen rund um die Debatte
Warum fordert Reinhold Messner, Wölfe zu töten oder zu sterilisieren?
Messner sieht die Almwirtschaft in existenzieller Bedrohung. Nach seiner Einschätzung reißen Wölfe zu viele Nutztiere, treiben Bauern von den Bergen und gefährden die jahrhundertealte Kulturlandschaft. Mit seiner Forderung nach Tötung oder Sterilisation möchte er ein Gleichgewicht herstellen, auch wenn er betont, nicht für eine vollständige Ausrottung zu plädieren.
Gibt es alternative Lösungen zum Wolf-Abschuss, die Tierschützer vorschlagen?
Tierschützer betonen, dass es zahlreiche Präventionsmaßnahmen gibt. Herdenschutzhunde, Elektrozäune und schnelle Entschädigungen haben sich in vielen Regionen bewährt. Studien zeigen, dass diese Methoden die Zahl der Risse deutlich reduzieren können. Zudem sehen Naturschützer den Wolf als wichtiges Glied des Ökosystems, das ohne menschliches Eingreifen seine Population selbst reguliert.
Sind Wölfe tatsächlich eine der Hauptbedrohungen für die Berge, wie Messner sagt?
Viele Experten widersprechen. Zwar steigt die Zahl der Wolfsrisse, doch im Vergleich zu anderen Herausforderungen wie Klimawandel, Übernutzung durch Tourismus oder Verkehrsbelastung ist der Wolf nur ein Faktor. Für Tierschützer sind Messners Aussagen daher eine rhetorische Überhöhung, die von anderen, tiefer liegenden Problemen ablenkt.
Wie reagieren Tierschutzorganisationen konkret auf Messners Aussagen?
Organisationen wie LAV, WWF und „Io non ho paura del lupo“ kritisieren Messners Forderungen scharf. Sie werfen ihm vor, seine Popularität zu nutzen, um Angst zu schüren. Stattdessen fordern sie Investitionen in Aufklärung, Prävention und die Förderung eines respektvollen Miteinanders von Mensch und Wolf.
Was sagt Messner zur Größe der Wolfspopulation und ihrem Einfluss auf Almen?
Messner spricht sich nicht für eine Ausrottung aus, sondern für eine deutliche Regulierung. Nach seiner Meinung müsse die Wolfspopulation so gering gehalten werden, dass sie für die Almwirtschaft erträglich bleibt. Seine Warnung: Ohne Eingriffe werde die traditionelle Weidehaltung verschwinden.
Welche Rolle spielt Messner im öffentlichen Diskurs zur Wolfsthematik?
Messner fungiert als prominente Stimme. Für seine Anhänger bringt er unbequeme Wahrheiten zur Sprache. Für Kritiker dagegen nutzt er seine Stellung, um Emotionen zu schüren und komplexe Zusammenhänge zu vereinfachen. Damit prägt er die Debatte, aber er polarisiert sie auch.
Die Dimension der Kontroverse
Der Konflikt um den Wolf im Alpenraum ist nicht neu, doch Messners Worte haben ihn auf eine neue Ebene gehoben. Was zuvor in Fachgremien oder lokalen Diskussionen verhandelt wurde, steht nun im Zentrum der internationalen Medienöffentlichkeit. Bauern sehen in Messners Aussagen eine Bestätigung ihrer Ängste. Tierschützer dagegen warnen vor den Folgen, wenn eine moralische Autorität Abschüsse normalisiert.
Soziale Medien als Verstärker
Besonders deutlich wird die Dynamik in den sozialen Medien. In Facebook-Gruppen schildern Landwirte eindringlich ihre Notlage: „Dieses Jahr gibt es auf unseren Almen keine Schafe und Ziegen mehr“, heißt es. Auf der anderen Seite teilen Tierschützer empört Messners Interviewausschnitte und sprechen von „gefährlichen Feindbildern“. So prallen Emotionen und Realitäten unmittelbar aufeinander.
Eine Frage der Zukunft
Die Debatte um Reinhold Messner und seine Aussagen ist mehr als ein Schlagabtausch zwischen einem Bergsteiger und Tierschützern. Sie berührt Grundsatzfragen: Wie gehen wir mit der Rückkehr großer Beutegreifer um? Welche Traditionen sind schützenswert, welche Anpassungen sind notwendig? Und wie viel Verantwortung tragen prominente Stimmen, wenn sie sich in sensible Diskurse einmischen?
Reinhold Messner hat mit wenigen Worten eine Diskussion neu entfacht, die längst gärt: der Konflikt zwischen Artenschutz und landwirtschaftlicher Praxis. Während Tierschützer seine Rhetorik als gefährlich ablehnen, sehen Bauern ihre Ängste bestätigt. Der Wolf bleibt ein Symboltier – für manche Bedrohung, für andere Hoffnung. Am Ende wird die Zukunft des Alpenraums davon abhängen, ob es gelingt, Lösungen zu finden, die Tradition und Naturschutz verbinden. In diesem Spannungsfeld steht Messner nicht allein, doch seine Stimme macht sichtbar, wie schwer der Weg zu einem echten Kompromiss sein wird.