Modekrise in Hamburg: Closed meldet Insolvenz an – Traditionsmarke vor ungewisser Zukunft

In Wirtschaft
August 06, 2025

Hamburg – Die renommierte Modemarke Closed hat beim Amtsgericht Hamburg Insolvenz angemeldet. Rund 350 Mitarbeitende, zahlreiche Filialen und ein weltweiter Kundenstamm blicken nun auf unsichere Wochen. Der Schritt kommt für viele überraschend, denn Closed galt lange als Vorzeigemarke für Premium-Denim und zeitlose Mode. Doch nun erschüttert eine Mischung aus Finanzproblemen, strukturellen Schwächen und verlorenen Kreditlinien das Unternehmen bis ins Mark.

Ein Traditionsunternehmen gerät ins Wanken

Der Aufstieg von Closed – Eine Hamburger Erfolgsgeschichte

Gegründet 1978, entwickelte sich Closed von einem italienischen Jeanslabel zu einer der bekanntesten deutschen Premium-Modemarken. Besonders beliebt waren die „Pedal Pusher“-Jeans, die zusammen mit einem minimalistischen, klaren Design und einer nachhaltigen Produktion das Markenbild prägten. Closed setzte auf Qualität, faire Bedingungen und europäische Produktion – Merkmale, die zunehmend im Kontrast zum Trend der Fast-Fashion-Industrie standen.

Solide Umsätze – aber fragile Struktur

Im Geschäftsjahr 2022/23 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von rund 120 Millionen Euro. Auch im Jahr davor bewegten sich die Zahlen auf ähnlichem Niveau. Doch trotz der positiven Außenwirkung kämpfte das Unternehmen hinter den Kulissen mit operativen Problemen. Vor allem die Personalstruktur mit verhältnismäßig hohen Gehältern, eine komplexe Firmenstruktur und mangelndes Vertrauen der Banken in die internen Finanzdaten führten zu einem stetigen Druck.

Wie konnte es so weit kommen?

Ursachen der Insolvenz

Der entscheidende Wendepunkt kam, als mehrere Gläubigerbanken die Kreditlinien strichen. Dies geschah nicht aufgrund schlechter Umsätze, sondern wegen Unsicherheiten rund um die Finanzdaten. Ein von der Beratungsfirma Enomyc erstelltes Sanierungsgutachten stellte fest, dass zentrale Zielvorgaben nicht eingehalten wurden und das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens fehlte. Gleichzeitig belasteten hohe Personalkosten und Überkapazitäten die Struktur zusätzlich.

Was passiert jetzt mit Closed – gibt es einen Investor?

Nach dem Insolvenzantrag wurde Stefan Denkhaus von der Kanzlei BRL zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Er soll gemeinsam mit dem neuen Finanzgeschäftsführer Lothar Hiese einen Investor finden. Ziel ist es, die Marke über einen strukturierten M&A-Prozess zu erhalten. Denkhaus betont: „Closed ist eine starke Marke mit hohem Potenzial – wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung.“

Welche Insolvenzanwälte betreuen Closed?

Die rechtliche Beratung erfolgt durch Dr. Christian Mikolajczak von der renommierten Kanzlei SJPP. Mit seiner Erfahrung in Insolvenz- und Sanierungsverfahren wird er maßgeblich an den kommenden Entscheidungen beteiligt sein.

Ein Blick auf Struktur und Geschäftsmodell

Retail, Online und Wholesale – Die drei Säulen des Geschäfts

Closed setzt auf ein breit aufgestelltes Vertriebssystem. Der Umsatz verteilt sich auf drei Hauptkanäle:

VertriebskanalUmsatzanteilBesonderheiten
Wholesale (Großhandel)ca. 40%1.000 Geschäftskunden weltweit
Onlinehandelca. 25%Eigener Online-Shop mit starkem Fokus auf EU
Einzelhandel (Retail)ca. 35%Eigene Stores in DE, AT, BE, NL, ES

Bleiben die Closed-Filialen trotz Insolvenz geöffnet?

Aktuell ist geplant, sämtliche Geschäftsbereiche aufrechtzuerhalten. Dazu zählen sowohl der Online-Shop als auch rund 26 Filialen, darunter 19 in Deutschland. Auch Franchise-Partner sowie Outlets in Deutschland und den Niederlanden sollen weiterhin betrieben werden. Die Insolvenzgeldvorfinanzierung soll dabei helfen, Löhne fristgerecht zu zahlen und einen reibungslosen Betrieb zu sichern.

Reaktionen von Mitarbeitern und Öffentlichkeit

Wie viele Mitarbeiter sind von der Closed-Insolvenz betroffen?

Etwa 350 bis 450 Mitarbeitende sind direkt betroffen. In den Wochen vor dem Insolvenzantrag war es offenbar bereits zu Problemen bei der Gehaltszahlung gekommen. Interne Stimmen berichten von Unsicherheit und einem zunehmend angespannten Betriebsklima. Das Ausbleiben der Löhne hat nicht nur finanzielle, sondern auch emotionale Auswirkungen auf das Team, das viele Jahre loyal hinter der Marke stand.

Stimmen aus der Community

In sozialen Netzwerken wie Reddit äußerten sich Kunden kritisch: „Hochpreisige Ware, produziert in Billiglohnländern – irgendwann regelt der Markt das von selbst“, hieß es in einem Kommentar. Andere Nutzer zeigten sich besorgt um die Mitarbeiter oder hofften auf eine Übernahme durch ein nachhaltiges Modelabel.

Verbraucherschutz: Auch die Outlet GmbH insolvent

Weniger öffentlich bekannt, aber nicht minder relevant: Auch die Closed Outlet GmbH steht unter vorläufiger Insolvenzverwaltung. Das betrifft vor allem die Filialstruktur und erschwert die operative Koordination zusätzlich. Es wird deutlich, dass die wirtschaftlichen Probleme tiefer reichen als zunächst angenommen.

Die Insolvenz im Branchenkontext

Warum ist Closed insolvent gegangen?

Der Fall Closed ist exemplarisch für eine gesamte Branche, die sich im Wandel befindet. Während internationale Fast-Fashion-Giganten mit aggressiven Preismodellen und schnellen Lieferketten arbeiten, setzen Premium-Marken auf Qualität und Langlebigkeit – mit höheren Produktionskosten. In einem wirtschaftlich angespannten Umfeld – mit Inflation, Konsumzurückhaltung und steigenden Betriebskosten – geraten selbst etablierte Marken unter Druck.

Insolvenz nicht als Einzelfall

Im Jahr 2025 verzeichnet das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) eine deutlich gestiegene Anzahl von Insolvenzen im Mittelstand. Auch andere Modemarken wie René Lezard oder Strenesse mussten in den vergangenen Jahren ähnliche Schritte gehen. Closed steht also nicht allein – doch die öffentliche Wahrnehmung fällt bei Traditionsmarken besonders schwer ins Gewicht.

Chancen und Risiken – ein vorsichtiger Ausblick

Ist eine Rettung möglich?

Die Marke besitzt nach wie vor eine hohe Wiedererkennbarkeit und eine loyale Kundschaft. Zudem haben die Verantwortlichen frühzeitig auf Insolvenz in Eigenverantwortung gesetzt, um einen Neustart zu ermöglichen. Sollte ein geeigneter Investor gefunden werden, könnten weite Teile der Marke und Struktur erhalten bleiben. Der neue Finanzchef Lothar Hiese gilt als Sanierungsexperte – seine Rolle wird entscheidend sein.

Welche Szenarien sind realistisch?

  • Investoreneinstieg: Übernahme durch ein Modeunternehmen oder einen Finanzinvestor mit Fortführung des Markenportfolios
  • Teilverkauf: Einzelne Geschäftsbereiche wie der Online-Shop oder das Wholesale-Geschäft könnten ausgegliedert werden
  • Markenlizenzierung: Nutzung der Marke durch Dritte über Lizenzmodelle
  • Abwicklung: Im schlimmsten Fall schrittweiser Rückbau und Liquidation der Vermögenswerte

Die Insolvenz der Modemarke Closed zeigt eindrucksvoll, wie verwundbar auch etablierte Unternehmen in einem sich rasant wandelnden Marktumfeld sein können. Zwischen Premiumpositionierung, Finanzierungsengpässen und digitalem Wandel musste ein Traditionshaus kapitulieren – zumindest vorerst. Doch noch ist nichts endgültig entschieden. Der Fortführungsgedanke ist vorhanden, Investoren zeigen Interesse, und die Marke selbst genießt weiterhin einen guten Ruf. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob Closed zu einem Beispiel für gelungene Restrukturierung wird – oder ob es in die lange Liste gescheiterter Modehäuser eingeht.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.