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Ein alter Code, neue Rechenleistung Zodiac-Killer: KI-Analyse zu verschlüsseltem Code rückt ungelösten Serienmordfall erneut in den Fokus

In Aktuelles
Dezember 28, 2025

San Francisco / Washington, 27. Dezember 2025 – Mehr als fünf Jahrzehnte nach einer der rätselhaftesten Mordserien der US-Geschichte rückt der Zodiac-Killer erneut in den Fokus. Eine neue Analyse mithilfe künstlicher Intelligenz beansprucht, den entscheidenden Code des Täters entschlüsselt zu haben. Doch zwischen technologischem Fortschritt, kriminalistischer Hoffnung und wissenschaftlicher Skepsis verläuft eine scharfe Trennlinie.

Der Zodiac-Killer – ein ungelöstes Kapitel amerikanischer Kriminalgeschichte

Kaum ein Fall hat die amerikanische Öffentlichkeit so nachhaltig beschäftigt wie der des Zodiac-Killers. Ende der 1960er Jahre versetzte ein unbekannter Täter die Region rund um die San Francisco Bay Area in Angst und Schrecken. Mindestens fünf Menschen wurden nachweislich ermordet, zwei weitere schwer verletzt. Der Täter bekannte sich in anonymen Schreiben gegenüber Zeitungen und Behörden zu seinen Taten, verspottete Ermittler und kündigte weitere Gewalt an. Seine Identität jedoch blieb ungeklärt.

Bis heute gilt der Zodiac-Killer als einer der bekanntesten ungelösten Serienmörderfälle der USA. Hunderte Verdächtige wurden überprüft, zahllose Ermittlungsansätze verfolgt, ohne dass es zu einer offiziellen Identifizierung kam. Einen besonderen Platz in der Geschichte des Falls nehmen die verschlüsselten Botschaften ein, die der Täter an Medien sandte. Sie wurden zum Symbol eines perfiden Spiels mit Öffentlichkeit und Justiz – und zu einem der größten kryptografischen Rätsel des 20. Jahrhunderts.

Künstliche Intelligenz als Werkzeug der Spurensuche

Nun sorgt ein neuer Ansatz für internationale Aufmerksamkeit. Der US-Amerikaner Alex Baber, ein unabhängiger Ermittler und Autodidakt im Bereich Kryptografie, behauptet, mithilfe künstlicher Intelligenz einen entscheidenden Durchbruch erzielt zu haben. Im Zentrum seiner Analyse steht die sogenannte Z13-Chiffre, eine kurze, bislang ungelöste verschlüsselte Nachricht aus dem Jahr 1970, die mit den Worten „My name is –“ beginnt.

Die Z13-Chiffre galt lange als besonders problematisch. Aufgrund ihrer Kürze bot sie zu wenig statistische Anhaltspunkte für klassische Entschlüsselungsverfahren. Zahlreiche frühere Lösungsversuche blieben spekulativ oder methodisch umstritten. Baber setzte deshalb auf einen datengetriebenen Ansatz: Moderne KI-Modelle sollten sämtliche theoretisch möglichen Namenskombinationen berechnen und systematisch mit historischen Datensätzen abgleichen.

Algorithmus statt Intuition

Nach Babers Darstellung generierte die KI mehr als 70 Millionen mögliche 13-buchstabige Namen, die anschließend automatisiert mit öffentlichen Archiven, Volkszählungen, Militärunterlagen und Heiratsregistern verglichen wurden. Ziel war es, statistische Wahrscheinlichkeiten mit real existierenden Personen zu verknüpfen. Am Ende dieses mehrstufigen Prozesses, so Baber, habe sich ein Name herauskristallisiert: Marvin Merrill, ein Alias, den er mit Marvin Margolis in Verbindung bringt.

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Margolis war ein ehemaliger Sanitäter der US Navy und später Medizinstudent. Nach Babers Angaben tauchte dieser Name bereits in den späten 1940er Jahren in Ermittlungsakten zu einem anderen prominenten Mordfall auf, wurde jedoch nie angeklagt. Die KI-Analyse verknüpft diese historischen Hinweise mit der angeblichen Entschlüsselung der Z13-Chiffre – ein Befund, der für Diskussionen sorgt.

Zwischen Hoffnung und Vorbehalt

Die Reaktionen auf die vorgestellte KI-Analyse fallen gemischt aus. Während Teile der Öffentlichkeit von einem möglichen Durchbruch sprechen, bleiben offizielle Stellen zurückhaltend. Weder das FBI noch kalifornische Strafverfolgungsbehörden haben die Ergebnisse bestätigt oder kommentiert. In der Fachwelt überwiegt Skepsis.

Kriminalisten und Kryptografie-Experten weisen darauf hin, dass algorithmisch erzeugte Wahrscheinlichkeiten keine forensischen Beweise ersetzen können. Insbesondere bei historischen Fällen mit lückenhafter Datenlage bestehe die Gefahr, statistische Muster zu überinterpretieren. Auch die Tatsache, dass frühere Ermittlungen den nun genannten Namen nicht zur Anklage führten, wird als wichtiger Kontextfaktor betont.

Die Grenzen der KI im historischen Kontext

Künstliche Intelligenz hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht – auch in der Analyse großer Datenmengen. Doch gerade im Bereich historischer Kriminalfälle stößt sie an strukturelle Grenzen. Archivmaterial ist unvollständig, Zeugenaussagen sind widersprüchlich, viele Beweise längst verloren. Algorithmen können Zusammenhänge sichtbar machen, sie können jedoch nicht bewerten, ob diese Zusammenhänge kausal oder zufällig sind.

Mehrere Fachleute mahnen deshalb zu wissenschaftlicher Zurückhaltung. Eine valide Identifizierung erfordere überprüfbare Belege, etwa DNA-Spuren oder belastbare zeitgenössische Dokumente. Solange diese fehlen, bleibe jede Zuschreibung hypothetisch – unabhängig davon, wie ausgefeilt die technische Methode sei.

Der Mythos der verschlüsselten Botschaften

Ein zentraler Bestandteil des Zodiac-Killer-Narrativs sind seine kryptischen Briefe. Insgesamt vier der bekannten Chiffren wurden im Laufe der Jahrzehnte ganz oder teilweise entschlüsselt. Andere, darunter die Z13-Chiffre, widerstanden allen bisherigen Versuchen. Sie wurden zum Projektionsraum für Spekulationen, Bücher, Filme und Dokumentationen.

Die Faszination für diese Codes speist sich aus der Hoffnung, im Text selbst liege der Schlüssel zur Identität des Täters. Doch Historiker und Linguisten betonen, dass der Zodiac-Killer seine Botschaften möglicherweise bewusst so konzipierte, dass sie mehr Verwirrung als Aufklärung stiften. Auch falsche Fährten gehörten zu seiner Strategie der Selbstinszenierung.

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Mediale Wirkung und öffentliche Erwartung

Jede neue Theorie zur Identität des Zodiac-Killers erzeugt ein erhebliches Medienecho. Der Fall ist tief im kulturellen Gedächtnis der USA verankert und steht exemplarisch für das Scheitern staatlicher Ermittlungsarbeit angesichts eines kalkulierten Täters. Entsprechend groß ist die Erwartung, dass moderne Technologie dort ansetzen könnte, wo frühere Methoden versagten.

Gleichzeitig wächst die Verantwortung der Berichterstattung. Experten warnen davor, ungeprüfte Hypothesen als Fakten zu präsentieren. Gerade bei realen Personen und deren Angehörigen könne dies schwerwiegende Folgen haben. Der journalistische Umgang mit solchen Behauptungen erfordert daher besondere Sorgfalt.

Ein Fall als Prüfstein moderner Ermittlungslogik

Unabhängig von der Bewertung der aktuellen KI-Analyse wirft der neue Ansatz grundlegende Fragen auf. Welche Rolle kann künstliche Intelligenz künftig in der Aufarbeitung ungelöster Verbrechen spielen? Wie lassen sich algorithmische Ergebnisse in bestehende kriminalistische Standards integrieren? Und wo verläuft die Grenze zwischen datenbasierter Analyse und spekulativer Rekonstruktion?

Der Zodiac-Killer eignet sich als Prüfstein für diese Debatte. Der Fall ist gut dokumentiert, medial präsent und zugleich von zahlreichen Unbekannten geprägt. Jede neue Methode, die hier angewendet wird, steht exemplarisch für einen möglichen Paradigmenwechsel – oder für dessen Grenzen.

Offene Fragen, keine abschließenden Antworten

Bislang bleibt die Identität des Zodiac-Killers offiziell ungeklärt. Die von Alex Baber vorgestellte KI-Analyse hat das Interesse an dem Fall neu entfacht, ohne ihn zu schließen. Ob die gewonnenen Ergebnisse jemals Eingang in offizielle Ermittlungen finden, ist offen. Ebenso offen bleibt, ob sich aus den algorithmischen Berechnungen überprüfbare Beweise ableiten lassen.

Was jedoch deutlich wird: Die Verbindung von künstlicher Intelligenz, Kryptografie und historischer Kriminalforschung verändert die Art, wie alte Fälle betrachtet werden. Sie eröffnet neue Perspektiven – und zwingt zugleich dazu, die Maßstäbe von Wahrheit, Beweis und Verantwortung neu zu verhandeln. Der Zodiac-Killer bleibt damit, auch im digitalen Zeitalter, ein Symbol für das Spannungsfeld zwischen Erkenntnis und Ungewissheit.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.