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Tag der offene Türen im Hamburger Bahnhof 2025: Kunst, Klang und kritischer Diskurs

In Kultur
Juni 11, 2025

Hamburg, 11. Juni 2025, 22:00 Uhr

Der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – lädt vom 13. bis 15. Juni 2025 zum großen Open House ein. Bei freiem Eintritt öffnet das Haus nicht nur seine Ausstellungsräume, sondern gewährt auch Blicke hinter die Kulissen. Mit einem facettenreichen Programm, internationalen Gästen und gesellschaftlich relevanten Themen positioniert sich das Museum erneut als zentraler Ort zeitgenössischer Kunst in Berlin.

In diesem Artikel beleuchten wir das gesamte Programm, geben Einblick in architektonische und politische Hintergründe und ordnen das Event im Kontext der Berliner Kulturlandschaft ein.

Ein Wochenende für alle: Das erwartet die Besucherinnen und Besucher

Das Open-House-Wochenende im Hamburger Bahnhof bietet an drei Tagen ein dichtes Programm, das weit über klassische Ausstellungsbesuche hinausgeht. Der Eintritt ist während des gesamten Zeitraums kostenlos.

Öffnungszeiten

TagUhrzeit
Freitag, 13. Juni10:00 – 22:00 Uhr
Samstag, 14. Juni11:00 – 18:00 Uhr
Sonntag, 15. Juni11:00 – 18:00 Uhr

Programmhighlights

Besucherinnen und Besucher erwartet:

  • Überblicksführungen zu allen aktuellen Ausstellungen
  • Künstlergespräche mit internationalen Positionen
  • Kreativangebote für Familien und Kinder
  • Backstage-Einblicke in Restaurierungswerkstätten
  • Ein barrierefreies Vermittlungsangebot inklusive Führungen in Deutscher Gebärdensprache
  • DJ-Festival „Berlin Beats“ im Museumsgarten

Diese Vielfalt zieht ein breites Publikum an: Bereits 2024 besuchten über 100.000 Menschen die Veranstaltung. Auch 2025 wird mit einem hohen Andrang gerechnet.

Zwischen Gleishalle und Gartenatelier: Die Räume im Wandel

Der Hamburger Bahnhof gehört zu den imposantesten Museumsbauten Europas. Der ehemalige Kopfbahnhof aus dem Jahr 1846 wurde zwischen 1990 und 1996 von Architekt Josef Paul Kleihues in ein Museum für Gegenwartskunst umgewandelt. Diese Umnutzung macht den Ort einzigartig: Historische Industriearchitektur trifft auf internationale Kunstinstallationen.

Künstlerin Klára Hosnedlová beschreibt ihre Erfahrung im Museum so:

„Meine Arbeiten leben vom Kontrast. Die Architektur ist schwer, industriell, fast männlich. Dagegen wirken meine Materialien fragil, stofflich, weiblich. Es entsteht Reibung, aber auch Magie.“

Ein besonders atmosphärischer Ort ist die Halle mit der Soundinstallation „East by West“ von Susan Philipsz. Diese thematisiert den historischen Grenzverlauf rund um den Hamburger Bahnhof – ein Thema, das durch die geografische Lage des Hauses im ehemaligen Grenzgebiet zwischen Ost- und West-Berlin zusätzlich aufgeladen wird.

Neue Ausstellungsthemen 2025: KI, Träume und indigene Wissenssysteme

Der Hamburger Bahnhof stellt sich 2025 programmatisch neu auf: Acht große Sonderausstellungen setzen sich mit den Herausforderungen unserer Gegenwart auseinander. Dabei spielen Themen wie Künstliche Intelligenz, indigene Perspektiven auf Natur und Gesellschaft sowie kollektive Utopien eine zentrale Rolle.

Ein Schwerpunkt ist die Ausstellung der nigerianisch-amerikanischen Künstlerin Toyin Ojih Odutola. Ihre erste Einzelausstellung in Deutschland mit dem Titel „Adijatu Straße“ zeigt detailreiche Zeichnungen, die koloniale Narrative aufbrechen und neue, selbstbestimmte Bildwelten entwerfen.

Parallel dazu findet die 13. Berlin Biennale statt. Der Hamburger Bahnhof ist dabei einer der Hauptspielorte. Die Biennale verfolgt einen dezidiert politischen Ansatz, der sich mit globalen Machtverhältnissen, Klimaethik und gesellschaftlichen Umbrüchen beschäftigt.

Berlin Beats: Museum trifft Musik

Bereits zum dritten Mal verwandelt sich der Museumsgarten am Freitagabend in ein Festivalgelände. „Berlin Beats“ kombiniert elektronische Musik mit künstlerischer Performance. Acts wie alys(alys)alys B2B STILL sorgen für tanzbare Stimmung unter freiem Himmel. Der Eintritt ist frei.

Diese Verbindung von bildender Kunst, Sound und Clubkultur hat sich in Berlin etabliert. Die Veranstalter setzen auf Synergien und sehen das Format als Teil einer demokratisierten Museumsstrategie.

Kulinarik und Begegnung

Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt: Streetfood von Konstantin & Reinhard Bär, Softeis von Sofia und diverse Getränkestände machen das Areal zu einem Genussort für alle Sinne. Besucher können auf Picknickdecken im Garten entspannen oder im Gartenatelier kreativ werden.

Hinter den Kulissen: Einblicke in Museumsarbeit

Ein besonderer Reiz des Wochenendes liegt in den Einblicken hinter die Kulissen. In über 1.000 kostenlosen Führungen werden nicht nur Ausstellungen erklärt, sondern auch Restaurierungswerkstätten, Archivräume und Transportlogistik gezeigt.

Kurator:innen erläutern ihre Konzepte, und Restaurator:innen berichten von ihrer Arbeit an historischen Werken. Gerade für junge Menschen, die sich für Berufe im Kulturbereich interessieren, bietet das Open House wertvolle Orientierung.

Diskurse und Debatten: Das Museum als politischer Raum

Dass ein Museum mehr ist als ein Ort der Präsentation, zeigt die institutionelle Geschichte des Hauses. Die Rückgabe der Marx-Sammlung 2022 – darunter Werke von Andy Warhol und Cy Twombly – führte zu heftigen Debatten in Fachkreisen. Kritiker warfen der Museumsleitung vor, wertvolle Bestände ohne Not aufzugeben.

Auch jüngere Ereignisse zeigen die gesellschaftliche Relevanz: Bei einer Lesung der Künstlerin Tania Bruguera im Februar 2024 kam es zu einem antisemitisch motivierten Zwischenfall. Die Veranstaltung wurde abgebrochen. Der Vorfall löste eine breite Debatte über Verantwortung, Schutzräume und künstlerische Freiheit aus.

Institutionelle Sicherung und Zukunftsausrichtung

Nach Jahren der Unsicherheit wurde das Museum 2022 durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dauerhaft gesichert. Zudem kaufte das Land Berlin die Rieckhallen zurück, um die langfristige Nutzung als Ausstellungsort sicherzustellen. Diese Entscheidungen gelten als wichtiges Signal für die Berliner Museumslandschaft.

Mit dem Förderverein „Hamburger Bahnhof International Companions e. V.“ wurde 2023 zudem ein neues Netzwerk etabliert, das den internationalen Austausch fördern und gezielt nicht-europäische Perspektiven stärken will.

Kritik und Herausforderungen

Trotz des Erfolgs gibt es auch kritische Stimmen. Besucher monieren regelmäßig die unübersichtliche Beschilderung, die Orientierung erschwert. Auch die sanitären Einrichtungen und gastronomischen Angebote sind an stark frequentierten Tagen überlastet.

Diese Rückmeldungen wurden von der Museumsleitung aufgenommen – für das Open House 2025 sind zusätzliche Wegeleitsysteme, digitale Guides und verstärkte Infrastrukturmaßnahmen geplant.

Mehr als ein Museum – ein urbaner Resonanzraum

Das Open House 2025 im Hamburger Bahnhof zeigt, wie ein Museum im 21. Jahrhundert aussehen kann: offen, dialogorientiert, politisch. Es ist ein Ort der Reflexion, aber auch der Begegnung und des Genusses. Der Erfolg der letzten Jahre – über 100.000 Besucherinnen und Besucher – belegt, dass dieses Konzept aufgeht.

Durch die Kombination aus hochkarätiger Kunst, gesellschaftlichem Diskurs, niederschwelligen Zugängen und musikalischem Rahmenprogramm gelingt es dem Hamburger Bahnhof, neue Publikumsschichten zu erreichen und gleichzeitig internationale Strahlkraft zu entfalten.

Für Berlin – und weit darüber hinaus – ist das Open House damit ein kultureller Höhepunkt im Sommer 2025.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.