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Google stoppt Rollout von „Ask Photos“: KI-Funktion vorerst auf Eis gelegt

In Produkte
Juni 04, 2025
Google KI

Mountain View (Kalifornien), 04. Juni 2025, 11:20 Uhr

Google hat überraschend den Rollout seiner neuen KI-Funktion „Ask Photos“ in der Google Fotos-App gestoppt. Das Feature, das auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz Google I/O 2024 vorgestellt wurde, sollte eine neue Ära der Bildersuche einläuten – intelligent, semantisch und stark personalisiert. Nun zeigt sich: Der technische Anspruch war offenbar höher als der aktuelle Reifegrad des Produkts. Nach ersten Nutzerreaktionen und internen Tests zieht Google die Reißleine – zumindest vorübergehend.

Was ist „Ask Photos“ – und was sollte es leisten?

„Ask Photos“ ist ein KI-gestütztes Feature, das auf der Gemini-Technologie von Google basiert. Ziel war es, die herkömmliche Stichwortsuche in Google Fotos durch eine semantische, kontextbasierte Suche zu ersetzen. Nutzer:innen sollten nicht mehr nur „Hund“ oder „Strand“ eintippen, sondern in ganzen Sätzen mit der App kommunizieren können – ähnlich wie mit einem Chatbot.

Beispiele für mögliche Suchanfragen:

  • „Zeig mir alle Bilder vom Urlaub in Portugal, auf denen ich und meine Tochter zu sehen sind.“
  • „Welche Geburtstagspartys hat mein Sohn in den letzten Jahren gefeiert?“
  • „Zeig mir Fotos vom Spielplatz letzten Sommer.“

Diese Art der Suche sollte durch die Kombination aus Bildinhaltsanalyse, Metadateninterpretation und KI-gestützter Sprachverarbeitung realisiert werden. Google versprach damit einen bedeutenden Fortschritt gegenüber der klassischen Fotoverwaltung – insbesondere für Nutzer:innen mit umfangreichen Sammlungen.

Der Rollout – ambitioniert, aber fehleranfällig

Die Einführung von „Ask Photos“ begann zunächst nur für eine kleine Nutzergruppe in den USA. Diese sogenannte „Early Access“-Phase sollte Feedback generieren und Probleme frühzeitig identifizieren. Genau dieses Feedback führte nun zur Entscheidung, den Rollout zu unterbrechen.

Nach Angaben von Google-Produktmanager Jamie Aspinall war der Grund ein Zusammenspiel mehrerer technischer und nutzerbezogener Schwierigkeiten:

  • Latenz: Die Verarbeitung der Anfragen dauerte zu lange. Statt sofortiger Ergebnisse mussten Nutzer:innen oft mehrere Sekunden warten.
  • Qualität der Ergebnisse: Die Trefferquote war enttäuschend. Suchergebnisse erschienen unvollständig, irrelevant oder ungenau.
  • Nutzererfahrung: Die Erwartungen an eine flüssige, intuitive Interaktion mit der KI wurden nicht erfüllt.

Besonders kritisiert wurde, dass die neue Funktion nicht merklich bessere Resultate lieferte als die bestehende Stichwortsuche – dafür jedoch langsamer und unpräziser arbeitete.

Stimmen aus der Community: Erwartungen versus Realität

In Foren wie Reddit und auf Plattformen wie X (ehemals Twitter) äußerten sich viele Tester enttäuscht. Während manche Nutzer:innen die Grundidee lobten, zeigten sich die meisten kritisch gegenüber der praktischen Umsetzung.

„Ich habe ‘Zeig mir Fotos von meinem Hund im Schnee’ eingegeben – bekommen habe ich drei Bilder aus dem Sommerurlaub und keines vom Winter. Das war’s dann mit semantischer Suche.“ – Nutzerkommentar auf Reddit

„Tolle Idee, aber aktuell leider kaum praktikabel. Bis die Antwort der KI kommt, habe ich es schneller selbst gefunden.“ – Kommentar auf X

Diese Rückmeldungen deuten darauf hin, dass Google mit der Funktion möglicherweise zu früh an die Öffentlichkeit ging. Der „Wow“-Effekt, der auf der I/O 2024 noch verspürt wurde, wich schnell der Ernüchterung im Alltagstest.

Weitere technische Schwierigkeiten – auch intern bei Google

Das pausierte Rollout von „Ask Photos“ ist kein Einzelfall. In den vergangenen Monaten musste Google mehrere seiner KI-gestützten Features überarbeiten oder vorübergehend deaktivieren. Zu nennen sind etwa:

FeatureGrund der Pause
AI OverviewFehlinformationen in der Zusammenfassung von Suchergebnissen
Gemini BildgeneratorHistorisch ungenaue Darstellungen bei Bildkompositionen

Diese Entwicklungen zeigen, dass selbst für einen Tech-Giganten wie Google der Weg zur perfekten KI-Integration nicht frei von Rückschlägen ist. Insbesondere bei sensiblen Themen wie Bildinhalten und Privatsphäre ist höchste Genauigkeit gefragt – ein Maßstab, den die aktuelle Version von „Ask Photos“ nicht erfüllen konnte.

Datenschutz: Wie sicher ist „Ask Photos“?

Ein häufig diskutierter Punkt ist der Datenschutz. Schließlich greift die Funktion auf persönliche Fotos, Videos und sogar Metadaten zu. Laut Google werden Nutzeranfragen anonymisiert zur Verbesserung der KI verwendet. Die Inhalte selbst würden jedoch nicht ohne ausdrückliche Zustimmung ausgewertet oder eingesehen.

Google betont außerdem, dass die neue Funktion vollständig den geltenden Datenschutzrichtlinien entspricht. Dennoch bleiben Zweifel: Viele Nutzer:innen fragen sich, ob eine derart tiefgreifende Analyse von Inhalten nicht zu weit geht – auch wenn die Ergebnisse anonymisiert verarbeitet werden.

Integration mit Gemini – mehr als nur Google Fotos

Ein bislang wenig beachteter Aspekt ist die enge Verzahnung von „Ask Photos“ mit der neuen Gemini-App. Nutzer:innen, die Gemini verwenden, können direkt über diesen KI-Hub auf ihre Fotos zugreifen und Anfragen stellen. Das bedeutet: Google baut ein System, in dem nicht mehr einzelne Apps im Vordergrund stehen, sondern ein übergreifender KI-gestützter Zugang zu allen Daten.

Diese Integration bietet viele Vorteile, verstärkt aber gleichzeitig die Notwendigkeit robuster Sicherheitskonzepte – sowohl technisch als auch im Sinne des Datenschutzes. Denn mit einer zentralisierten KI-Schnittstelle steigt auch das Risiko möglicher Fehlinterpretationen oder missbräuchlicher Nutzung.

Wie geht es nun weiter?

Google hat angekündigt, die Funktion in den kommenden zwei Wochen überarbeitet erneut zur Verfügung zu stellen – allerdings nur für die ursprüngliche Testgruppe. Die überarbeitete Version soll insbesondere:

  • Die Suchgeschwindigkeit auf das Niveau der bisherigen Stichwortsuche bringen
  • Die Präzision der Ergebnisse verbessern
  • Eine intuitivere Nutzerführung ermöglichen

Ein öffentlicher Relaunch für alle Nutzer:innen ist derzeit nicht geplant. Vielmehr scheint Google aus den vergangenen Erfahrungen gelernt zu haben und geht nun vorsichtiger vor. Das Ziel: Eine Funktion, die nicht nur technisch beeindruckt, sondern auch alltagstauglich ist.

Fazit: Rückschlag mit Signalwirkung

Der vorübergehende Stopp von „Ask Photos“ ist mehr als nur ein technisches Problem. Er zeigt, wie groß die Herausforderungen sind, wenn KI-Funktionen tief in persönliche Datenbereiche vordringen. Semantische Suchanfragen in Fotoarchiven bergen enormes Potenzial – doch die Umsetzung muss höchsten Ansprüchen an Performance, Datenschutz und Usability genügen.

Google bleibt mit „Ask Photos“ auf einem innovativen, aber auch riskanten Pfad. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob das Unternehmen die Herausforderungen meistert und Nutzer:innen mit einer verbesserten Version überzeugen kann – oder ob das Projekt als Beispiel dafür endet, dass nicht jede gute Idee sofort zur Marktreife gelangt.

Für Nutzer:innen heißt es bis dahin: Auf die bewährte Stichwortsuche zurückgreifen – und gespannt abwarten, wie sich das KI-Erlebnis in der Fotowelt weiterentwickelt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.