“Haug” wieder in Betrieb genommen: Skulptur in Pforzheim bringt Farben an die Enz

In Pforzheim
Juni 28, 2025
Skulptur

Pforzheim – Zwischen Bronze, Wassernebel und Sonnenlicht entfaltet sich in der Goldstadt ein Kunstwerk, das nicht nur die Sinne bezaubert, sondern auch den urbanen Raum transformiert. Die Skulptur „Haug“ bringt den Regenbogen zurück ins Stadtbild – mit einem Zusammenspiel aus Technik, Mythologie und Gemeinschaftssinn.

Bild exemplarisch

Ein Fluss, ein Regenbogen, ein Kunstwerk

Die Stadt Pforzheim, oftmals unterschätzt und in sozialen Medien für ihr graues Stadtbild kritisiert, erlebt aktuell einen farbenfrohen Wandel. Verantwortlich dafür ist ein Kunstwerk namens „Haug“, das über dem Fluss Enz in regelmäßigen Abständen Regenbögen erzeugt – nicht digital, nicht projiziert, sondern ganz real durch Nebel und Licht. Die Skulptur wurde vom Künstlerduo Veronika Sedlmair und Brynjar Sigurðarson im Rahmen der Ornamenta 2024 erschaffen. Ihr Ziel: eine poetische Verbindung zwischen Natur, Technik und Mythos zu schaffen.

Was zunächst wie ein PR-Gag anmutet, entpuppt sich als technisch ausgefeilte, ökologisch gedachte und kulturell eingebettete Installation. „Haug“ ist mehr als nur eine Skulptur – sie ist eine Brücke zwischen Welten.

Die Technik hinter dem Regenbogen

Sensorik trifft auf Wasserkunst

Das Herzstück der Skulptur ist eine Kombination aus feinjustierten Sensoren und Hochdruckvernebelung, die durch Sonnenlicht echte Regenbögen entstehen lässt. Dafür wird die Enz nicht umgeleitet – vielmehr wird Wasser aus einer Leitung durch Präzisionsdüsen zerstäubt, sobald die Lichtverhältnisse es zulassen. Ein Mikrocontroller misst Luftfeuchtigkeit, Sonnenstand und Temperatur, um den perfekten Moment für das Nebelspiel zu bestimmen.

Die Sprühphasen sind streng getaktet und nur an bestimmten Tagen aktiv:

MonatMorgensAbendsWochentage
Juni08:15–09:1517:45–18:45Fr, Sa, So (nur abends)
Juli08:30–09:3017:30–18:30Fr, Sa, So (nur abends)
August08:45–09:4517:15–18:15Fr, Sa, So (nur abends)

Diese Zeiten sind nicht nur zufällig gewählt – sie orientieren sich an der optimalen Lichtbrechung und Sichtbarkeit des Regenbogens.

Lokale Handwerkskunst als Rückgrat

„Haug“ besteht aus rund einer halben Tonne Bronze und wurde in Zusammenarbeit mit Pforzheimer Bronzegießern gefertigt. Auch die lokale Firma „Meister-Butz“ war an der Installation beteiligt, was der Aktion zusätzlichen regionalen Rückhalt gibt. Die Technik hinter den Wasserverneblern stammt vom Reinigungstechnik-Hersteller Kärcher, der nicht nur Sponsoring betrieb, sondern auch für nachhaltige Aspekte sorgte: Die Wasserverwendung wird durch Umweltkompensation und Wiederverwendung reguliert.

Ein Kunstwerk mit Bedeutung

Mythen, Elfen und moderne Symbolik

Künstler Brynjar Sigurðarson erklärt die Idee hinter der Figur so: „In Island glauben wir an Elfen und unsichtbare Wesen. Der Regenbogen ist für uns eine Brücke – zwischen der Welt der Menschen und jener der Naturgeister.“ Diese Erzählung spiegelt sich auch in der Gestaltung von „Haug“ wider: Die Figur erscheint wie ein elfengleicher Geist am Ufer der Enz – organisch geformt, fast schwebend.

Doch „Haug“ ist nicht nur Märchen. Er steht auch sinnbildlich für eine Verbindung zwischen Mensch, Umwelt und Technik – ein Appell an mehr Achtsamkeit in urbaner Umgebung. Nicht zufällig ist die Skulptur Teil des Ornamenta-Themenstrangs „Bad Databrunn – On Bladders, Rainbows, and Less Screen Time“. Der Name ist Programm: Weniger Bildschirm, mehr Natur.

Zitat aus einem Besucherkommentar

„Ich kam zufällig vorbei und stand plötzlich mitten in einem Regenbogen – ohne Filter, ohne App. Einfach magisch.“

Diese Erfahrung beschreiben viele Besucher als „poetisch“ oder „berührend“. Die klare Ästhetik, kombiniert mit der Flüchtigkeit des Moments, erzeugt ein tiefes Erlebnis.

Reaktionen aus der Stadtgesellschaft

Lob und Kritik – Stimmen aus Pforzheim

Obwohl die Installation überwiegend positiv aufgenommen wurde, gibt es auch kritische Stimmen. Anwohner berichteten über unangenehme Lärmbelastung während der Testphasen. Insbesondere die Hochdruckreiniger-Pumpen sorgten für Beschwerden. Ein Bewohner sagte laut Presseberichten: „Es klang wie ein Flugzeug im Dauerbetrieb.“ Die Stadt Pforzheim reagierte schnell: Die Betriebszeiten wurden angepasst, der Schalldruck reduziert.

Auf der anderen Seite berichten Touristen und Einheimische von einem ganz neuen Stadtgefühl: „Die Enz war immer da – aber ich habe sie nie als Bühne für Kunst gesehen. Jetzt schon.“

Soziale Netzwerke zwischen Euphorie und Spott

Auf Plattformen wie Instagram finden sich zahlreiche Fotos unter Hashtags wie #HaugPforzheim oder #RainbowSculpture. Besonders in den frühen Morgenstunden werden Selfies mit Regenbogenkulisse geteilt. Gleichzeitig gibt es auf Reddit auch andere Stimmen. Dort wird weniger die Skulptur selbst als vielmehr das Image Pforzheims diskutiert. Kommentare wie „Pforzheim – der schönste Teil ist der Zug hinaus“ verdeutlichen, dass die Stadt mit Vorurteilen kämpft. Projekte wie „Haug“ setzen diesem Image aber konkrete, sichtbare Initiativen entgegen.

Kulturelle und wirtschaftliche Einbindung

Teil eines größeren Narrativs: Die Ornamenta 2024

„Haug“ ist keine Einzelaktion, sondern Teil der Ornamenta 2024 – einem dezentralen Kunst- und Designfestival, das im gesamten Nordschwarzwald stattfindet. Innerhalb dieser Struktur fungiert die Skulptur als Ankerpunkt für thematische Stadtführungen, Erlebnisrouten und künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum.

Touren mit Namen wie „Historians’ Route“ oder „Kurator*innen-Route“ verknüpfen Denkmäler, moderne Kunst und regionale Geschichte. Dabei wird „Haug“ häufig als emotionales Highlight der Führungen beschrieben.

Touristische Relevanz & „sanfter Stadtwandel“

Pforzheim ist nicht gerade als Tourismusmagnet bekannt. Doch das könnte sich ändern. Durch Kunstaktionen wie diese werden neue Besuchergruppen angesprochen – darunter Kulturinteressierte, Familien, Studierende und Tagesgäste aus Karlsruhe und Stuttgart. Erste Auswertungen der Touristeninformationen zeigen eine erhöhte Nachfrage an Wochenenden mit „Regenbogenwetter“.

  • Steigende Hotelanfragen in Ufernähe
  • Zusätzliche Stadtführungen im Zusammenhang mit „Haug“
  • Social-Media-Traffic mit lokalem Bezug um +40 % (im Vergleich zum Vorjahr)

Ob daraus ein langfristiger Imagewandel resultiert, bleibt abzuwarten. Doch dass das Kunstprojekt Diskussionen auslöst und Aufmerksamkeit generiert, ist unbestritten.

Poesie im öffentlichen Raum

Mit „Haug“ ist Pforzheim ein Wurf gelungen, der über die Region hinausstrahlt. Die Verbindung aus handwerklicher Präzision, technologischer Raffinesse und künstlerischer Erzählung macht das Projekt zu einem Paradebeispiel für moderne Kunst im öffentlichen Raum. Es verändert Perspektiven – auf die Stadt, auf das Wasser, auf Kunst.

Dass dabei nicht alles glatt läuft – von lauten Pumpen bis hin zu kritischen Kommentaren – gehört dazu. Doch gerade diese Reibung verleiht dem Projekt Tiefe. „Haug“ zeigt: Selbst in einer Stadt mit schwieriger Außendarstellung kann Kunst Wunder wirken. Oder zumindest: Regenbögen zaubern.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.